In sämtlichen neueren Dokumenten und Stellungnahmen zur Situation und zur Reform der Lehrerbildung wird darauf hingewiesen, dass in Deutschland bislang keine wirkliche empirisch gestützte Evaluation von Teilen der Lehrerbildung oder gar der Lehrerbildung insgesamt durchgeführt worden ist. Die von der KMK eingesetzte Gemischte Kommission Lehrerbildung hat in ihrem Abschlussbericht vom Oktober 1999 eindringlich auf dieses Defizit aufmerksam gemacht und eine solche Evaluation der Lehrerbildung empfohlen; der Wissenschaftsrat hat – in diesem Punkt – in seiner Empfehlung vom November 2001 ähnlich argumentiert. Insofern ist es zu begrüßen, dass die KMK diese Empfehlungen aufgegriffen und erste Schritte zur Initiierung einer breit angelegten Evaluation der Lehrerbildung unternommen hat.
Die folgende Expertise ist – auftragsgemäß – darauf gerichtet, vor dem Hintergrund der internationalen und nationalen Fachdiskussion Vorschläge zu entwickeln, "wie und auf welchem Wege eine Evaluation der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung durchgeführt werden könnte".(1) Lassen sich übergreifende Ausbildungsstandards entwickeln und benennen, die als Grundlage für eine Evaluation der ersten und zweiten Phase herangezogen werden können? Es geht also noch nicht um die konkreten Modalitäten eines Evaluationsverfahrens, sondern dem vorausliegend um die Frage der Standards, an denen sich eine solche Evaluation zu orientieren hätte. Im Mittelpunkt der Expertise steht die Frage: Was sind die Qualitätskriterien für ‚gute' Lehrerbildung? Die Erörterung und Beantwortung dieser Leitfrage bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Expertise. Daraus ergibt sich eine erste Anschlussfrage: Wie überprüft man die Einhaltung dieser Qualitätskriterien? Auch hierzu werden in der Expertise Aussagen getroffen. Die ‚nach PISA' vielfach erhobene Forderung nach einer Formulierung von Standards für Bildungswege und Bildungsabschlüsse betrifft insofern nicht nur den Bildungsweg der Schüler, sondern auch den Ausbildungsprozess sowie die weitere Berufsbiographie von Lehrern.
Weitere und letztlich entscheidende Anschlussfragen sollen an dieser Stelle zumindest formuliert werden: Welche Konsequenzen erwachsen gegebenenfalls aus der Evaluation? Was ist zu tun, wenn Qualitätsstandards verfehlt werden? Wie ist eine an Standards orientierte Evaluation der Lehrerbildung in deren kontinuierlichen Verbesserungsprozess einzubringen? Hierzu nimmt die Expertise nicht mehr Stellung: Die Beantwortung der Frage nach den operativen Konsequenzen einer zukünftigen Evaluation geht über [/S. 3:] den definierten Auftrag hinaus. Alle Verantwortlichen sollten diese Frage, oder besser noch: mögliche Antworten auf diese Frage allerdings schon jetzt bedenken. Denn Evaluationen werden nicht um ihrer selbst willen durchgeführt.
Der Rahmen und die Zielrichtung einer solchen Expertise lassen es nicht zu, dass der fachwissenschaftliche Hintergrund sowie die aktuellen Forschungsdiskussion in ihren verschiedenen Facetten vollständig dokumentiert und erörtert werden. Die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen von Standards für die Lehrerbildung sowie einer daran orientierten Evaluation eröffnet ein sehr breites Spektrum von Forschungsfragen. Dieses Spektrum kann nur punktuell und in Fußnoten angedeutet werden. Im gegebenen Kontext geht es jedoch auch nicht um die vollständige Ausleuchtung dieses Hintergrundes. Es geht vielmehr darum, bei aller Komplexität Unzulänglichkeit der Forschungssituation und unter Berücksichtigung von (allerdings nie schematisch übertragbaren) Erfahrungen im In- und Ausland Ideen und Vorschläge zu entwickeln, die zu einer verantwortlichen Form des Umgangs mit Standards und Evaluationen in der Lehrerbildung führen können. Münster, im August 2002 Ewald Terhart
[/S. 4:]
In allen aktuellen Situationsanalysen und Reformvorschlägen zur Lehrerbildung ist kritisch darauf hingewiesen worden, dass die Lehrerbildung in ihren verschiedenen Phasen und Institutionen bislang noch nicht einer ernsthaften empirischen Evaluation und Wirkungsanalyse unterzogen worden ist. Eine solche Evaluation sollte jedoch nicht nur den gegenwärtigen Stand dokumentieren und positive oder negative Abweichungen vom angetroffenen Durchschnitt kenntlich machen. Vielmehr sollte die Wirklichkeit und Wirksamkeit von Lehrerbildung anhand vorab definierten Kriterien oder Standards erfasst und evaluiert werden. Die Formulierung von Standards für die Lehrerbildung und eine darauf bezogene Evaluation ist der Sache nach nicht wirklich neu. Durch die Formulierung von Standards für die Lehrerbildung wird allerdings expliziert und empirisch kontrollierbar gemacht, was schon immer Bestandteil der Lehrerbildungsdiskussion war: Vorstellungen über den gut ausgebildeten Lehrer, Vorstellungen über geeignete Ausbildungsorganisationen und –inhalte, Vorstellungen über geeignete Prüfungsverfahren etc. Die vorliegende Expertise basiert auf zwei eingrenzenden Entscheidungen: (a) Es werden (auftragsgemäß) Standards für die erste, universitäre Phase der Lehrerbildung sowie für die zweite Phase im Studienseminar (Referendariat) formuliert. Die Evaluation der Lehrerfort- und –weiterbildung wird entsprechend dem Auftrag nicht erörtert. (b) Die Wirkung von Lehrerbildung wird bis zur Ebene der berufsbezogenen Kompetenz der Absolventen nach Abschluss der ersten bzw. zweiten Phase verfolgt. Eine darüber hinaus gehende Erfassung der Auswirkungen von qua Ausbildung erworbener Lehrerkompetenz auf das Lernen und die Erfahrung der Schüler (als Qualitätsindikator für Lehrerbildung) wird aufgrund grundsätzlicher und methodischer Probleme gegenwärtig nicht angestrebt. Die Expertise plädiert für eine breite, mehrere Ebenen einbeziehende Evaluation: Sie begrenzt das Spektrum der zu evaluierenden Einheiten nicht auf die erste Ebene der Absolventen von Lehrerbildung (Personenevaluation), sondern entwickelt auf einer zweiten Ebene zusätzlich zu den Personenstandards auch Standards für die Ausbildungsinstitutionen (Institutionenevaluation) und deren Programme (wobei dies die Modalitäten Prüfung und Einstellung von neuen Lehrern mit umfasst), sowie auf einer dritten Ebene schließlich Standards für diejenige politisch-administrative Einheit, die als Steuerungs– und Monitoring–Instanz für das Gesamtsystem Lehrerbildung zu fungieren hat. [/S. 5:] Es werden für die Personenevaluation jeweils zehn Standards für die fachwissenschaftlichen, die fachdidaktischen und die erziehungswissenschaftlichen Studien sowie fünf Standards für die schulpraktischen Studienelemente formuliert und durch gezielte, konkretisierende Fragen verdeutlicht – dies getrennt für die Absolventen der ersten und der zweiten Phase. Ebenso werden zehn Standards sowie konkretisierende Fragen für eine Evaluation der Institutionen der Lehrerbildung formuliert – wiederum getrennt für die erste und zweite Phase. Bei den Überlegungen zur Evaluation anhand von Standards wird nicht primär auf die Einschätzungen und Selbstauskünfte von Absolventen und Institutionen gesetzt, sondern – bei der Personenevaluation – auf eine Erfassung und Beurteilung des erworbenen Wissens bzw. der erworbenen Kompetenzen und – bei der Institutionenevaluation – auf eine unmittelbare Erfassung der tatsächlichen Abläufe. Auch sollten bei der Evaluation Zusammenhänge zwischen institutionellen Bedingungen der Ausbildung und den daraus erwachsenden Kompetenzen hergestellt werden. Die Expertise entwickelt schließlich Überlegungen zum weiteren strategischen Vorgehen bei der Vorbereitung und Durchführung der Evaluation: Es wird empfohlen, auf der Basis der vorliegenden Expertise von der KMK zunächst eine Expertengruppe zur weiteren Konkretisierung einzusetzen und danach eine Ausschreibung für eine an Standards orientierte Evaluation der Lehrerbildung durchzuführen. In dieser Ausschreibung wird u.a. näher spezifiziert, welches Ziel und welchen Umfang diese Evaluation haben soll. Es sollte sich um eine breit angelegte Evaluation der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung quer über die Bundesländer hinweg handeln, die möglichst alle Lehrämter mit umfasst. Aufgrund der eingehenden Bewerbungen um diesen Auftrag wird nach einem Begutachtungsverfahren der Auftrag vergeben. [/S. 6:]
Der allgemeine Kontext der Rede von Standards im Bildungs– und Schulbereich braucht an dieser Stelle nur kurz angedeutet zu werden: Es gehört zu den so genannten Neuen Steuerungsmodellen im Privaten wie Öffentlichen Sektor, dass zwar einerseits Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten ‚nach unten‘ verlagert werden, dass aber gleichwohl andererseits die Standards für zu leistende Arbeit, für zu erzielende Wirkungen und z.T. auch für Aufwand/Ertrags–Relationen ‚von oben‘ (sei es durch Konzernzentralen, sei es durch staatliche Vorgaben) gesetzt sind (vgl. Schedler, Proeller 2000). Im öffentlichen Sektor und speziell im Bildungsbereich auf staatliche Vorgaben und Rahmensetzungen verzichten zu wollen, wäre verfassungsrechtlich unzulässig und würde letztlich bedeuten, das öffentliche Bildungswesen an systeminterne und –externe Interessengruppen auszuhändigen.
Die Definition von Standards ist insofern ein zentraler Schritt im gesamten Qualitätsmanagement, wobei zwischen Minimalstandards, Maximalstandards und schließlich differenzierten Modellen mit unterschiedlich anspruchsvollen Ebenen oder Stufen der Erreichung von Standards zu unterscheiden ist. Zugleich sollte immer schon im Auge behalten werden, dass das Definieren von Standards zwar ein wichtiger und notwendiger Schritt zur Vorbereitung von Evaluationen ist, dass aber zugleich folgende Doppel–Aufgabe entsteht: Erstens müssen Standards konkretisiert und handhabbar gemacht werden, damit überhaupt evaluiert werden kann, und zweitens muss gleich von Beginn an erwogen werden, was man mit den Resultaten von Evaluationen zu tun gedenkt bzw. welche Konsequenzen man zu ziehen bereit ist. Standards haben also sowohl für die ‚Diagnose' des Zustandes eines Systems wie auch für die Weiterentwicklung dieses Systems eine wichtige Funktion; beides zusammen ist Teil von Qualitätsentwicklung.
Entscheidend und in gewisser Weise tatsächlich revolutionär für den Schulbereich ist es, sich bei der Steuerung (bis hin zur Ressourcenvergabe) nicht länger nur am Prinzip einer immer detaillierteren Vorgabe von Inputs (Gesetze, Lehrpläne, Erlasse, Stundentafeln, Ordnungen etc.), sondern verstärkt an der Erfassung der Outputs bzw. Outcomes, also an tatsächlich erreichten Effekten und Wirkungen zu orientieren. Diese sind mit den gesetzten Standards zu vergleichen, wobei darauf zu achten ist, dass angesichts unterschiedlicher Ausgangs– und Umfeldbedingungen ein fairer Vergleich der Effektivität und Effizienz der einzelnen Einheiten durchgeführt wird: Entscheidend ist, was angesichts jeweils unterschiedlicher Ausgangsbedingungen mit den gegebenen Mitteln erreicht wird. [/S. 7:]
Die Orientierung an tatsächlich eintretenden Wirkungen hat selbst Wirkungen: Der Hinweis darauf, daß vermehrte Investitionen hier und dort dann auch schon automatisch hier und dort gesteigerte Effekte nach sich ziehen werden, ist nicht mehr ausreichend – es geht um tatsächlich zustande kommende Wirkungen, und das heißt im Schulsystem: um Wirkungen auf der Seite der Schüler, denn die Schule ist letztendlich für die Schüler da (vgl. Lange 1999; Terhart 2000). Programm, Struktur und Prozeß des Schulwesens werden zwar gesellschaftlich definiert – dies geschieht jedoch mit Blick auf die bei den Schülern bzw. bei Schülergenerationen zu erreichenden Wirkungen.
Die Karriere von (international und/oder intranational) vergleichenden Schulleistungsstudien macht deutlich, dass ein verstärktes Wirkungsbewusstsein um sich greift, wie beschränkt zurzeit die diagnostischen und evaluativen Techniken – gemessen an den großen Worten der Pädagogik – auch immer sein mögen. Man wird auch in Zukunft kontinuierlich mit empirischen Leistungsvergleichsstudien zu allen möglichen Aspekten und Ebenen und Wirkungen des Bildungssystems rechnen müssen (Baumert 2001; Terhart 2002). Durch solche großräumigen Vergleiche werden de facto Standards gebildet – sowohl dadurch, dass man vorab wichtige Kompetenzbereiche und – niveaus bestimmt als auch allein schon dadurch, dass man sich nach Erhalt der Daten bei der Reihung von Teilnehmerländern an Durchschnittswerten orientiert. Die Frage ist, ob man sich dieser mehr oder weniger schleichenden Standard-‚Bildung' (im doppelten Wortsinne) anschließen will – oder ob es nicht sinnvoller ist, stattdessen eigenständig Standards offensiv zu formulieren, und daran dann die Bildungsrealitäten bemisst. Bedingt durch Globalisierungsprozesse ist diese Frage aber vermutlich langfristig schon entschieden: ein bislang nur in Grundzügen vorhandenes Weltcurriculum (zunächst der hoch-industrialisierten Welt) wird vermutlich irgendwann Realität sein.(2) [/S. 8:]
Die Formulierung von Standards und das Operieren mit Standards ist im Blick auf unterschiedliche Ebenen, Teilbereiche und Personengruppen des Bildungssystems möglich. Bislang wurde von solchen Standards primär im Zusammenhang mit Leistungsanforderungen für Schüler auf den unterschiedlichen Jahrgangsstufen, Fächern und Schulformen/–stufen gesprochen. Die Schulsysteme der verschiedenen Länder haben unterschiedliche Formen der Vorgabe solcher Leistungsstandards gefunden, ebenso unterschiedliche Formen der Überprüfung des Erreichens dieser Standards; in den Lehrplänen, Lehrbüchern, didaktisch–methodischen Materialien und Handreichungen für Lehrer finden sich ebenfalls sehr unterschiedliche Formen des Einbringens und Überprüfens von Standards auf der Ebene der einzelnen Schulklasse.
Im Folgenden geht es jedoch nicht um Standards für Schüler, sondern um Standards, an denen sich die Lehrerbildung zu orientieren hat. [/S. 9:]
Die Lehrerbildung ist bislang in Deutschland noch nicht mit im Blick auf ihre kurz- und langfristigen Wirkungen ernsthaft evaluiert worden.(3) Die Wirkungskette Lehrerbildung – Lehrerhandeln – Schülerlernen ist zwar intuitiv, auf der Basis von Konvention und gesundem Menschenverstand, in den Köpfen der Diskutanten und Akteure fest geknüpft; einer empirischen Prüfung ist man bislang eher ausgewichen. Was Lehramtsstudierende tatsächlich beim ersten bzw. beim zweiten Staatsexamen wissen und können, wie sie dieses Wissen und Können in den ersten Berufsjahren auf die Berufswirklichkeit beziehen, wie sich Professionalität entwickelt und bis zu welchem Niveau der Kompetenz, welche Folgen dies für das Lernen der Schüler hat bzw. haben kann – diese Fragen umreißen einen recht großen weißen Fleck auf der Ergebnis–Landkarte der empirischen Bildungswissenschaften in Deutschland.(4)
Standards für Lehrerbildung zu definieren und ihre Einhaltung zu kontrollieren ist in diesem Kontext gleichwohl ein sinnvoller Schritt. Er macht das explizit, was implizit in allen Lehrerbildungsdiskussionen schon immer enthalten ist: Aus Vorstellungen über den guten Lehrer (Lehrerleitbild) werden diejenigen Kompetenzen abgeleitet, die dieser ‚gute' Lehrer haben soll (Lehrerkompetenzen). Und von diesen Kompetenzen ausgehend werden Konzepte für eine Ausbildung entwickelt, in deren Verlauf eben diese Kompetenzen erworben werden sollen (Lehrerbildung). Vom gut ausgebildeten, kompetenten Lehrer wiederum nimmt man an, dass er – weil er aufgrund von guter Ausbildung kompetent ist – höhere Lerngewinne bei seinen Schülern erzeugt als der Kollege nebenan, der weniger kompetent ist, weil er eine schlechtere Lehrerbildung genossen hat. [/S. 10:]
Dies alles sind mittlerweile schon routinisierte Denklehrerbildung und Argumentationsketten, die als solche kaum noch hinterfragt werden. Dies sollte jedoch geschehen. Aus diesem Grunde sei hier noch einmal an folgenden Sachverhalt erinnert:
Die Erörterung von Standards in der Lehrerbildung wird – wie schon angedeutet – berücksichtigen müssen, dass eine möglichst hohe Qualität der Lehrerbildung nicht um ihrer selbst willen angestrebt wird, sondern darauf abgestellt ist, solche Kompetenzen und schließlich ein solches Lehrerhandeln anzubahnen, zu befördern und möglichst weitgehend sicherzustellen, welches dann auf Seiten der Schüler zu den allgemein gewünschten Wirkungen in kognitiver, sozial–moralischer und ästhetisch–expressiver Hinsicht führt. Insofern ist – systematisch gesehen – bei der Evaluation von Lehrerbildung von einer ebenso komplexen wie zeitlich langgestreckten Wirkungskette auszugehen (Lehrerbildung, Lehrerhandeln, Lernerfahrungen der Schüler, Wirkungen bei den Schülern; vgl. Galluzzo, Craig 1990, S. 603).
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In der US–amerikanischen Debatte wird dieser Kontext anhand der "outcomes question in teacher education" (Cochran–Smith 2001) erörtert (Does teacher education matter?), und zwar mit wachsendem Aufwand und steigender Erbitterung.(5) Dies ist in gewisser Hinsicht verständlich, denn in der Tat wird damit die alles entscheidende Frage formuliert: Wie und wie stark wirkt Lehrerbildung?(6) Nach Cochran–Smith, Fries (2002) stehen [/S. 11:]sich hier der Ansatz der Professionalisierung und derjenige der Deregulierung gegenüber: Der erstgenannte Ansatz beharrt auf der Doppel-These, derzufolge eine anspruchvolle, wissenschaftsbasierte, Erfahrungselemente aufnehmende Lehrerbildung zu gut qualifizierten Lehrern führe, und dass deren berufliches Handeln wiederum positive Effekte für das Lernen der Schüler nach sich ziehe. Derart qualifizierte Lehrer seien erfolgreicher als nicht in dieser Weise ausgebildete – Erfolg bemessen am Lernprozeß und den Lernleistungen ihrer Schüler. Die Anhänger des Professionalisierungs-Ansatzes führen eindrucksvolle empirische Resultate ins Feld, um ihre These zu stützen. Der Deregulierungs–Ansatz (der eine gewisse Nähe zum Polyvalenz–Ansatz der deutschen Diskussion hat) versucht demgegenüber, Argumente und Evidenzen zu finden, die die behauptete Wirkungskette möglichst entkräften (vgl. zur Kontroverse Cochran–Smith 2001; Darling–Hammond 2000a, b). Dies geht so weit, dass von den Deregulierern dem Staat bzw. seinen Behörden empfohlen wird, sich aus der (inhaltlichen und finanziellen) Verantwortung für Lehrerbildung zurückzuziehen: Es wird bezweifelt, ob es angesichts der unterstellten diffusen Wirkungsverhältnisse zwischen Lehrerbildung, Lehrerhandeln und Schülerlernen nicht sinnvoller wäre, staatlicherseits überhaupt keine Ausbildungsprogramme mehr zu definieren und zu finanzieren, sondern nur noch Zulassungstandards zu benennen und Lehrerstellen auszuschreiben. Bewerber wären dann an den Zulassungsstandards zu bemessen und zunächst auf Probe einzustellen. Qualitätsausweis der Eingestellten wären hauptsächlich (nicht ausschließlich) die vom Lehrer ‚erzeugten' Schülerleistungen. Evaluation of teacher education wird zu teacher evaluation; die Frage der Beurteilung der Lehrerbildung wird zur Frage nach der Beurteilung von Lehrerhandeln (vgl. dazu Terhart 1997; Kunz–Heim 2002). Wer es kann, wird schrittweise übernommen, wer nicht – nicht. Dabei ist es unerheblich, wie und warum einzelne Lehrer höhere Schülerleistungen erzeugen und andere nicht. Entscheidend ist allein, dass dies nachweislich geschieht. Wie und wo sie die Voraussetzungen erwerben, um die Zulassungsstandards zu erfüllen, sei nicht Sache der Schulbehörde, sondern Jedermanns eigene Sache.
Die Argumentation von Professionalisierern und Deregulierern sei anhand von repräsentativen Zitaten gegenübergestellt:(7) [/S. 12:]
Professionalisierer | Deregulierer |
"Die Ergebnisse quantitativer und qualitativer Analysen legen es nahe, dass Investitionen in die Qualität von Lehrern vermutlich mit der Steigerung von Schülerleistung zusammenhängt. Quantitative Analysen zeigen, dass Maßzahlen für die Qualität der Lehrerausbildung und der Lehramtsprüfung bei weitem die stärksten Korrelationen mit Schülerleistungen in Lesen und Mathematik aufweisen… Diese Analyse legt nahe, dass solche Strategien, die in Lehrerbildung, –lizensierung und Lehrerfortbildung investieren, einen wichtigen Beitrag zur Qualifikation und Kompetenz der Lehrerarbeit erbringen" (Darling–Hammond 2000a, S. 1)."Unterstützt durch die Carnegie Foundation und die Ford–Foundation, konstruieren NCTAF, NBPTS und NCATE das Problem der Lehrerbildung als eine Frage der demokratischen Werte und beginnen und enden mit der Forderung, nach einer durch Standards geleiteten Verbesserung der Lehrerbildung und der berufsbiographischen Entwicklung von Lehrern (teacher development). Zielsetzung ist es, für alle Kinder möglichst gut qualifizierte Lehrer bereitzustellen" (Cochran–Smith 2001, S. 533). | "Die Fähigkeit von Lehrern scheint eher eine Funktion angeborener Talente als eine Funktion der Lehrerbildung zu sein. Lehrer selbst sagen, dass dies so ist. Wir kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen, wenn wir die die Bedingungen für die Resultate von Lehrerprüfungen analysieren. Darüber hinaus scheinen, Lehrer, die auf alternativem Weg zum Lehrerberuf kommen, ähnlich effektiv zu sein wie solche, die eine vollständige Ausbildung durchlaufen haben. Die legt es nahe, dass – verglichen mit anderen Faktoren - die Ausbildung nicht sehr viel zur Leistung von Lehrern beiträgt" (Ballou, Podgorsky 1999, S. 57)."Die Fordham–Foundation und andere konservative Organisationen und Politiker konstruieren das Problem der Lehrerbildung mit Hilfe des Markt-Modells der Bildungsorganisation. Sie kritisieren die Haltung, der zufolge Lehrerqualität ein Problem der Ausbildung sei. Sie versuchen, den Einfluss der Lehrerprofession auf Fragen der Ausbildung und Prüfung zu reduzieren und setzten demgegenüber auf die Öffnung des Marktes. Deregulationisten in den USA und anderswo plädieren für eine sehr starke Standardisierung der Bildung(sin–stitutionen) anstelle der Entwicklung von von Standards der Profession. Insofern beginnen und enden sie mit der Forderung nach der Zulassung alternativer Wege zum Lehrerberuf…" (Cochran–Smith 2001, S. 533) |
Die Wirkungskette zwischen Lehrerbildung, Lehrerhandeln und Schülerlernen in empirisch kontrollierter Weise nachzeichnen zu wollen, wirft große theoretische und methodische Probleme auf (vgl. Millman 1997; Denner u.a. 2002) und würde einen extremen sachlichen und zeitlichen Aufwand erfordern. Allzu viele Faktoren spielen in diesen Zusammenhang hinein; aufgrund seiner großen zeitlichen Erstreckung sind die Folgen dieser oder jener Ausbildungserfahrung im Lehrerhandeln und dann vor allem im Schülerlernen nicht auszumachen. Eine Konzentration auf ‚beweisbare' Zusammenhänge wiederum würde als eine Art Rückschlag–Effekt die Lehrerbildung auf solche Elemente, Inhalte und Formen reduzieren, deren Wirkung nachgewiesen werden kann. Dies wiederum könnte dazu führen, dass wichtige, aber nicht unbedingt messbare Effekte von [/S. 13:] Schule nicht nur in der Schule, sondern bereits in der Lehrerbildung vernachlässigt werden.
Aus diesem Grunde wird im Folgenden nicht die Strategie verfolgt, den Erfolg von Lehrerbildung am Ausmaß des Lernens bzw. an der Art der Schulerfahrung der Schüler bemessen zu wollen. Es geht statt dessen darum, für die Lehrerbildung Standards zu erarbeiten, an denen dann die ausgebildeten Personen, die Ausbildungsinstitutionen und deren Programme sowie schließlich das für die Lehrerbildung insgesamt verantwortliche Steuerungssystem bemessen werden können. Insofern wird empfohlen, (zunächst) nur den ersten Schritt zu tun und Zusammenhänge zwischen Lehrerausbildung (1. und 2. Phase) und der daraus erwachsenden Kompetenz der Absolventen zu ermitteln,(8) nicht aber bereits jetzt schon den – systematisch – zweiten Schritt in Richtung auf eine Analyse bzw. Mitberücksichtigung des Zusammenhangs von Lehrerhandeln/Lehrerkompetenzen und Schülerlernen zu vollziehen.
Sicherlich ist mit der Formulierung von Standards sowie mit einer daran orientierten Evaluation eine gewisse Form der Normierung verbunden. Man kann dies kritisieren bzw. als undurchführbar beurteilen.(9) Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, [/S. 14:] dass in der Vergangenheit wie auch heute die aktuelle Lehrerbildungsdebatte mehr oder weniger implizit immer schon von Zielvorstellungen, Qualitätsannahmen, Wirkungshypothesen und – häufiger noch – von Wirkungshoffnungen durchzogen war bzw. ist. Eine offensive Erörterung und Erprobung von Standards macht diese ‚implizite Standardisierung' transparent, diskutierbar, überprüfbar.
Darüber hinaus ermöglicht es die vorab erfolgende offensive Definition von Standards bei einer vergleichenden Evaluation von einzelnen Einrichtungen der Lehrerbildung, nicht einfach nur den empirisch erhaltenen Durchschnitt zu identifizieren und die einzelnen Institutionen daran zu bemessen (Wer ist relativ besser/schlechter?). Vielmehr wird es möglich, alle Institutionen insgesamt sowie jede einzelne an vorab definierten Standards zu bemessen (Wer erfüllt am ehesten den eigentlichen Auftrag?). Es sollte bei einer Evaluation der Lehrerbildung (Personen, Institutionen, Steuerungssystem) ja nicht um das Aufstellen von Ranking–Listen bzw. um naming & blaming gehen, sondern um die Frage, wie weit und aufgrund welcher Bedingungen Lehrerbildung insgesamt Standards erfüllt oder eben nur bedingt erfüllt.
In der Tradition der Lehrerbildung waren es auf der Seite der Theoriediskussion in der Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft bis in die 60er–Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein hauptsächlich normativ geprägte, idealistische Lehrerleitbilder, die gewissermaßen als ‚Standards' galten. Ebenfalls durch Traditionen bedingt herrschte z.B. eine klare Trennung zwischen den Idealen für die Volksschullehrerschaft und für die Gymnasiallehrerschaft; hinsichtlich des formalen Kennzeichens der Idealität waren sich die Leitbilder dagegen wiederum ähnlich. – Unterhalb der Ebene pädagogischer und verbandspolitischer Semantik und ihrer idealen bzw. idealistischen Lehrerleitbilder wurden durch die staatlichen Lehramtsprüfungsordnungen sowie durch die Arbeit der staatlichen Prüfungsämter wiederum de facto (formale) Standards gesetzt, die konkreter handhabbar waren und eine selektive Funktion hatten, also auch folgenreich waren (Einstellungsentscheidungen).
Mit dem Wandel der Pädagogik zur Erziehungswissenschaft und der damit auch einhergehenden Umstellung des auf der Ebene der Wissenschaft umrissenen Lehrerleitbildes vom ‚ganzheitlich-erzieherisch' motivierten Volks-Erzieher (Volksschullehrerschaft) bzw. des gelehrten Schul– und (später) Fachmannes (Gymnasiallehrer) zum wissenschaftlich ausgebildeten Experten für Lehren und Lernen wurden neue Standards formuliert, die sich sowohl auf die Erweiterung und Umstellung des in der Ausbildung zu erwerbenden Wissens als auch auf die als notwendig erachteten Kompetenzen und Ü– [/S. 15:] berzeugungen auswirkten: Unterrichten und Erziehen wurden nicht länger als ganzheitlich–praktische, an personale Voraussetzungen gebundene berufliche Kunst, sondern als eine auf wissenschaftlicher Forschung basierende, von prinzipiell jedermann erlernbare Berufstechnik verstanden. Die Verwissenschaftlichung der Volksschul– bzw. Grund– und Hauptschullehrerbildung einerseits und die parallel stattfindende Pädagogisierung der Gymnasiallehrerbildung andererseits führten konsequent zur Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten. Dadurch kam es in den erziehungswissenschaftlichen Studien wie auch z.T. in den Fachstudien zu einer immer engeren Zusammenführung der Ausbildungsinhalte und –formen der früher weit voneinander getrennten ‚höheren' und ‚niederen' Lehrämter.(10)
Inhaltlich bzw. systematisch gesehen bestehen Lehramtsstudiengänge – national wie international – aus den folgenden vier Elementen:
Diese vier Grundelemente können – national wie international – hinsichtlich ihres Gesamtumfangs, ihres jeweiligen Anteils, ihrer zeitlichen Anordnung, ihrer internen Struktur und ihrer Verknüpfung untereinander in unterschiedlicher Weise gestaltet sein. Generell lässt sich sagen, daß die pädagogischen und die praktischen Elemente in den Lehramtsstudiengängen für Schulen der unteren Jahrgangsstufen (jüngere Schüler) am höchsten sind, in den Lehramtsstudiengängen für die obersten Jahrgangstufen (ältere Schüler) am niedrigsten. Ein umgekehrtes Bild ergibt sich, wenn man auf die Anteile der Fach– bzw. Fächerstudien schaut. Hinzu kommen schulart– und schulstufenspezifische Besonderheiten für Sonderschullehrer, Berufschullehrer und (z.T.) Lehrer an Grundschulen. Hinzugefügt werden muss, dass in Deutschland der internationale Sonderfall einer zweiphasigen Lehramtsausbildung existiert, der ‚theoretische‘ und der ‚praktische‘ Ausbildungsabschnitt mitthin in ein zeitliches Nacheinander gebracht sind. Eine tatsächliche arbeitsteilig–koordinierte Abstimmung etwa der Inhalte und Ansprüche dieser beiden Phasen ist jedoch eher die Ausnahme.(12)
Derzeit bemühen sich die Fachdidaktiken intensiv um ihre Umgestaltung von fachbezogenen praktischen Unterrichtslehren zu forschenden Disziplinen; die erziehungswissenschaftlichen Elemente haben ihre frühere philosophisch-pädagogische Grundierung stärker auf die modernen Bildungswissenschaften umgestellt. Dies gilt mehr oder weniger stark für alle Lehrämter. In den standard–setzenden Prüfungsordnungen spiegelt sich dies insofern wider, als – bis auf die definierte Regelstudienzeit – keine grundsätzlichen, [/S. 17:] tiefgreifenden Unterschiede mehr zwischen der Lehrerbildung für (z.B.) Grund- und Hauptschullehrer und (z.B.) Gymnasiallehrern mehr ausgewiesen werden, sondern allenfalls graduelle Abstufungen und anders gewichtete Verteilungen zu erkennen sind.
Eine bestimmte Art von Steuerung und Standardisierung erfolgt im wesentlichen über die Inhaltskataloge, die in den staatlichen Lehramtsprüfungsordnungen (1. Phase) ausgewiesen werden. Diese Prüfungsordnungen in Verbindung mit Stundenverteilungsvorschriften und der Regelung von Zahl und Art der Leistungsnachweise setzen de facto formale ‚Standards'. Zumindest orientieren sie das Studierverhalten der Lernenden; sie definieren auch die curricularen Pflichten (d.h. das Lehrangebot) der Fachbereiche – oder sollten dies doch zumindest tun.
Prüfungsordnungen werden zur Vorlage für Studienordnungen; Studienordnungen werden ergänzt durch Studienpläne. Am Ende des Studiums stehen Prüfungen, und Prüfungen erzeugen Noten. Für die Vergabe von Noten existieren Standards, die aber wiederum sehr formal sind und sich an einer Kombination aus Real– und Idealnorm orientieren: befriedigend ist eine Leistung zu nennen, "die den Anforderungen in durchschnittlichem Maße entspricht" (Hinweis auf einem Formular für das Prüfungsprotokoll). Aber was bedeutet das? De facto wird die Standard–Frage durch standort– und fachspezifische Konventionen, durch mehr oder weniger behutsames Einsozialisieren von Neu-Mitgliedern des Prüfungsamtes sowie durch mehr oder weniger intensive Re–Sozialisationsbemühungen in Richtung auf ‚abweichende' Alt–Mitglieder des Prüfungsamtes beantwortet.
Für die Institutionen der 2. Phase existieren ebenfalls Ausbildungs– und Prüfungsordnungen, die die Inhalte, Anforderungen, die Abfolge und die Modalitäten des 2. Staatsexamens festlegen. Die Ausbildungs– und Prüfungsordnungen der 2. Phase weisen aus, welche Themen in den Haupt– und Fachseminaren behandelt werden, wie die Arbeit im Studienseminar und in der Ausbildungsschule koordiniert wird bzw. werden soll, wer wann welche Gutachten über die Unterrichtsversuche eines Referendars zu schreiben hat, welche Kriterien (Standards) hierfür gelten, wie die Zwischengutachten in die abschließende Note des 2. Staatsexamens einfließen etc. Die Rolle der Schule, des betreuenden Lehrers (Mentors), des Ausbildungskoordinators (in NRW) und des Schulleiters sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gewichtet. Auch hier haben Studienseminare standortspezifische Standards und Beurteilungskulturen sowie praktisch ‚gelebte' Notenbildungsmodalitäten entwickelt. Im Zuge einer Politik der Profilbildung auch der Studienseminare werden seminarspezifische Beurteilungsmodalitäten sogar noch gefördert. (Zur Evaluation der 2. Phase vgl. das Themenheft 2/2001 der Zeitschrift SEMINAR, als Beispiel für interne und externe Evaluierungen von Studienseminaren vgl. Freisel, Sjuts 2000; Arnsberg 2001; zur Situation der 2. Phase vgl. [/S. 18:] Frech, Reichwein 1977; Winter 1981; Gecks 1990; Hoppenworth 1993; Lenhard (o.J.; 1993?); Daschner, Drews 2002).
Die Staatlichen Prüfungsämter, in deren Regie die 1. und 2. Staatsprüfung absolviert wird, verfügen über Erkenntnisse hinsichtlich der Entwicklung des Prüfungswesens, hinsichtlich der Verschiebung von gewählten Prüfungsthemen und dem Prüfungs– und Benotungsverhalten der Prüfer, ebenso über standortspezifische Besonderheiten in der 1. und 2. Phase. Teilweise werden diese Erkenntnisse systematisch gebildet und dokumentiert, vielfach basieren sie jedoch eher auf individuellen Erfahrungen, auf Gesprächen, Anekdoten und – hier und da – manchen hartnäckigen Wandersagen über Institutionen und einzelne Personen. So sind etwa bislang noch keine Untersuchungen über den tatsächlichen prognostischen Wert der Noten aus 1. und 2. Staatsexamen für die Qualität der späteren Berufarbeit der Absolventen durchgeführt werden; Datenschutzgründe sollten keine unüberwindlichen Hindernisse sein. Generell ist anzumerken, dass das in den staatlichen Prüfungsämtern vorhandene systematische Wissen bislang vergleichsweise wenig in die Debatten um Zustand und Reform der Lehrerbildung eingeflossen ist (vgl. Pomplun u.a. 2000; zum Problem der Prüfungsgestaltung in Lehramtsprüfungen vgl. Winter 2001). Allerdings ist diese Form der Steuerung und Standardisierung noch dem traditionellen Steuerungsmodell zuzurechnen, das auf der detaillierten Vorgabe von Inputs und Normierungen basiert; Prüfungsämter sind von ihrer Tradition und Struktur her bislang wohl nicht darauf vorbereitet, Qualitätssicherung in Richtung auf die universitäre Lehrerbildung durchzuführen.
In der US–amerikanischen Fachliteratur zu Fragen der Lehrerbildung, ihrer Struktur, ihren Inhalten und ihren angestrebten Wirkungen ist in den letzten Jahrzehnten ein Übergang von einer an Kompetenzen und Leistungen orientierten Lehrerbildung (competency– oder performance based teacher education) zu einer an Leistungsstandards orientierten Lehrerbildung festzustellen (performance standards based teacher education) (vgl. zusammenfassend z.B. Valli, Rennert-Ariev 2002). Kritiker des kompetenzbasierten Ansatzes haben immer wieder auf das mechanistische Bild von Lehrerarbeit hingewiesen, haben die Aufsplitterung des komplexen Aufgabenfeldes des Lehrers in einzelne skills moniert sowie die Ausblendung organisatorischer und gesellschaftlicher Rahmungen von Lehrerarbeit kritisiert. Das an Leistungsstandards orientierte Paradigma der Lehrerbildung ist demgegenüber an unterschiedlichen Lehrplantheorien, an kognitiven und konstruktivistischen Lerntheorien und neuen Formen der Lernprozessbegleitung und der Beurteilung von auszubildenden bzw. ausgebildeten Lehrern orientiert. Bemerkenswert ist, dass also neben den Standards der Ausbildung auch die Art des Prüfens dazugehört. Dies weist noch einmal darauf hin, dass gerade für die Frage der an Standards orientierten Lehrerbildung neben vielen anderen Dingen eben auch die Modalitäten des Prüfens, der Akkreditierung (Zulassung) sowie schließlich des Einführens in die [/S. 19:] Berufswirklichkeit (Berufseingangsphase, teacher induction) eine wichtige Rolle spielen. Solche standard–basierten Programme streben eine wissens–, erfahrungs– und reflexionsbasierte, situations– und kontextsensible Form des Lehrerhandelns an, das selbst wiederum an der Idee verständnisbezogenen und nachhaltigen Lernens auf Seiten der Schüler orientiert ist.
Folgende Gegenüberstellung von competency based teacher education und performance standards based teacher education stellt die beiden Konzepte idealtypisch gegenüber.
Abb.1: Vergleich kompetenzbasierter und standardbasierter Lehrerbildung
(nach Valli, Rennert–Ariev 2002, S. 205)
an Kompetenzen orientiert | an Standards orientiert | |
Bild des Lehrers |
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Wissensbasis für Unterrichten |
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Unterrichtsverständnis |
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Beurteilung von Lehrern |
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Vergleich man diese Gegenüberstellung mit den verschiedenen im pädagogischen Raum erörterten Lehrerleitbildern in Deutschland, so fällt auf, dass die aktuellste Variante der US-Diskussion – sieht man von der Begrifflichkeit ab – am ehesten einer Mischung aus Elementen des traditionalen, personal-idealistischen Lehrerbildes einerseits und Elementen eines an wissensbasierter, reflexiver Professionalität orientierten Lehrerbildes andererseits entspricht.(13) [/S. 20:]
Als Ergebnis ihrer empirischen Studie zu den Prozessen der Umstellung von kompetenzorientierter auf standardbasierten Lehrerbildungsprogrammen formulieren Valli, Rennert-Ariev (ebd., S. 220 f.) die folgenden drei Empfehlungen:
Im Kontext der Lehrerbildung ist – im deutschsprachigen Raum – das Konzept der Standards zum ersten Mal von Fritz Oser (Universität Fribourg) und Jürgen Oelkers (Universität Zürich) sowie ihren Mitarbeitern angewandt bzw. entwickelt und überprüft worden, und zwar als Basis für ein sechsjähriges (1994 – 2000) Projekt zur Wirksamkeit der Lehrerbildung bzw. der verschiedenen Lehrerbildungssysteme in der deutschsprachigen Schweiz. Die gesamten Projektergebnisse werden in Oser, Oelkers (2001) dargestellt; im Folgenden wird eine Konzentration auf diejenigen Projektteile vollzogen, die sich mit Standards in der Lehrerbildung beschäftigen (vgl. dazu speziell Oser 1997; 1999; 2001); das gesamte Projekt umfasste auch darüber hinaus gehende Fragestellungen.
In der Studie werden dem Begriff "Standard" zwei Komponenten zugewiesen: Er steht sowohl für professionelle Kompetenz als auch für deren optimale Erreichung. Oder anders: Mit der Beschreibung von Standards "meint man eine besondere Qualität; und man akzeptiert gleichzeitig, dass sie mehr oder weniger gut bzw. optimal erreichbar sind" (Oser 2001, S. 216). Es handelt sich also gewissermaßen um ein Ideal–Maß, von dem man aber weiß, dass es nicht von allem Lehrern vollständig, sondern in unterschiedlicher Annäherung erreicht wird. Es handelt sich also weder um Minimalstandards noch um einzelne, eng umrissene Verhaltenslehrerbildung (skills). "Ein professioneller Lehrerstandard ist eine komplexe, (…) dauernd unter verschiedenen Kontexten und bezüglich verschiedener Inhalte adaptiv zu wiederholende Verhaltensweise, die sich aus verschiedenen Theorien speist, die auf der Folie verschiedener Forschungsergebnisse erhellt werden kann, die besser oder schlechter ausgeführt werden kann (Qualität), und die letztlich in der Tat kontextuell in verschiedensten Varianten erfolgreich ausgeführt wird" (Oser 2001, S. 225 f.; Hervorhebung im Orig.) Unter Hinzuziehung weiterer Erläuterungen wird deutlich, dass Standards durch Theorie informiert sind, dass sie auf [/S. 22:] Forschung basieren, dass sie ein Qualitätsmaß darstellen, und dass sie kontextgebunden im praktisch–reflexiven Handeln realisiert werden.(14)
Auf der Basis von Expertendiskussionen wurden von der Forschungsgruppe zunächst, d.h. vor der Durchführung der Erhebung, insgesamt 88 Standards definiert, die frisch ausgebildeten Lehrern nach Abschluss ihrer Ausbildung sowie ein Jahr nach ihrer Ausbildung vorgelegt wurden. (Im Abschlussbericht wird faktisch nur über die Befragung der frisch Ausgebildeten berichtet; die zweite Befragung wird nur sehr punktuell erwähnt.) Diese 88 Einzelstandards wurden zu zwölf thematischen Gruppen zusammengefasst:
Diese Standards benennen, was ein gut ausgebildeter, auf der Höhe der Kompetenz stehender, gewissermaßen ‚vollständiger‘ Lehrer wissen und v.a.: pädagogisch–didaktisch können muss. Es ist auffällig, dass in diesen Standards von Wissen und Kompetenz im Fach bzw. in den Fächern nicht die Rede ist – ein Sachverhalt, der den Wert der Studie als Vorlage für eine die gesamte Lehrerbildung bzw. die gesamte Lehrerkompetenz umfassende Definition und Überprüfung von Standards stark einschränkt. Die Begründung für den Ausschluss der Fächer– bzw. fachbezogenen Kompetenz (vgl. Oser 2001, S. 243) ist sehr knapp: "Das Fachwissen, wenn es noch so gut ist, (…) kann an sich nicht professioneller Standard sein". Verfügen über Wissen allein ist kein Standard. Das ist im Rahmen des gewählten Ansatzes konsequent. Gleichwohl ist das Verfügen über ein gutes fachbezogenes Wissen doch sicherlich eine notwendige und sehr wichtige (allerdings noch nicht hinreichende!) Voraussetzung für kompetenten Unterricht in diesem Fach.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Die ausgebildeten Lehrer wurden nicht beobachtet und von außen eingeschätzt, ob und wie weit sie diesen Standards genügen. Vielmehr sollten sie selbst Auskunft darüber geben, ob und wie weit sie aus ihrer subjektiven Sicht heraus diese Standards als Ergebnis von Ausbildung erfüllen. "Wichtig ist die subjektive Ausschöpfung der Verarbeitungstiefe eines Standards. Die Überzeugung, dass eine Lehrerstudentin oder ein Lehrerstudent am Ende der Ausbildung glaubt, einen Standard mehr oder weniger tief behandelt zu haben und damit auch die implizite Annahme dessen Beherrschens, gibt den Ausschlag. Denn obwohl die Verantwortlichen der Lehrerbildung oft glauben, sie hätten etwas behandelt, kennen es die Studierenden nicht, sie wissen nichts davon, sie haben es subjektiv nicht internalisiert… Daher ist nur die Überzeugung der Studierenden wichtig, weil sie uns darüber Auskunft gibt, wie der Standard eben von denen, die nun gerade die Lehrerbildung zum Abschluss bringen, als professionelles soziales Kapital interpretiert wird" (Oser 2001, S. 228). [/S. 24:]
Hinsichtlich der subjektiven Einschätzung der Standards wurde in drei Richtungen gefragt:
Auf diese Weise war es möglich, zu erfassen, dass die Einschätzung seitens der Befragten auf den drei Dimensionen sehr unterschiedlich war. Beispiele:
Die 88 Standards, die jeweils auf drei Dimensionen (Verarbeitungstiefe, Bedeutung, Beachtung) einzuschätzen waren, wurden an Absolventen ausgegeben, wobei eine Rücklaufquote von 76 % eine Zahl von 1.286 auswertbaren Fragebögen ergab. Die Ergebnisse wurden differenziert ausgewertet im Blick auf die unterschiedlichen Lehrerbildungssysteme in der deutschsprachigen Schweiz sowie auch hinsichtlich der verschiedenen – nach bundesdeutscher Sprachregelung – Lehrämter (Vorschule, Primarstufe, Primarstufe und Sekundarstufe I, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II).
Die Ergebnisse der Studie waren ernüchternd: "Die Verarbeitungstiefe der meisten Standards ist gering, viele werden überhaupt nie oder nur ‚theoretisch' angesprochen; die Bedeutung wird in vielen Fällen als hoch und die Anwendungswahrscheinlichkeit (angestrebte Beachtung – ET), wenn man die Standards erreichen würde, positiv eingeschätzt. Dies zeigt, dass sich die Studierenden sehr wohl bewusst sind, dass die Erreichung gewisser Standards von hoher beruflicher Relevanz für ihr berufliches Überleben wäre. Interessant ist, dass die schulbezogenen Standards im Vergleich zu sozialen und didaktischen Standards am schlechtesten abschneiden. Schulentwicklung scheint bis jetzt kein Thema der Ausbildung im Lehrerberuf zu sein. (…) Das Nichterreichen professioneller Standards im konkreten und nicht auf die Linearität des Lernens ausgerichteten Klassenraum wird somit zum Kernproblem dieser Analyse. Wie soll man diesen [/S. 25:] Lehrerberuf zu einer anerkannten Profession emporheben, wenn Standards nicht erreicht und kaum je zu intersubjektiv abgesicherten Kompetenzen geformt werden?" (Oser, Oelkers 2001, S. 27; Einleitung der Hrsg.).
Zwei Drittel der ausgebildeten Lehrkräfte hatten von den Standards entweder nur theoretisch gehört oder sie waren praktisch behandelt worden. Interessant war noch: Je höher die primäre Motivation für den Lehrerberuf war (in solchen Fällen also, in denen Jemand bewusst und direkt ein Lehramtsstudium aufgenommen hatte), desto stärker war die Verarbeitungstiefe der Standards ausgeprägt. Und noch ein spezielles Detail: Oser und Oelkers fanden heraus, dass die Standards bei Absolventen aus sehr praxisnahen, wissenschaftsfernen Ausbildungsinstitutionen (Kindergarten und Primarlehrerausbildung) durchweg stärker ausgeprägt waren als bei Absolventen aus denjenigen Institutionen, die eine eher akademisch orientierte Lehrerbildung betrieben hatten (Oser 2001, S. 304). Die Verarbeitungstiefe von Standards, die sich auf die Gestaltung und Entwicklung von Schule insgesamt beziehen, waren deutlich geringer ausgeprägt als solche, die sich auf das unmittelbare Unterrichten beziehen. Die folgende Tabelle vermittelt eine Übersicht über die Unterschiede hinsichtlich der Verarbeitungstiefe zwischen den 12 Standardgruppen:
Abb. X : Rangfolge der Standards
Skala von 1("nichts gehört") bis 5 (Theorie & Übung & Praxis)
Standardgruppe | N |
arithm. Mittel |
Gestaltung von Unterricht | 1185 |
2.74 |
Lehrer–Schüler–Beziehung | 1188 |
2.56 |
Medien des Unterrichts | 1171 |
2.51 |
Fachdidaktik (Deutsch) | 355 |
2.49 |
Leistungsmessung | 1175 |
2.40 |
Förderung von Sozialverhalten | 1163 |
2.31 |
Lernstrategien vermitteln | 1054 |
2.26 |
Beobachtung und Diagnose | 583 |
2.25 |
Bewältigung von Problemen | 1168 |
2.23 |
Kooperation in der Schule | 590 |
2.01 |
Schule und Öffentlichkeit | 591 |
1.87 |
Selbstorganisationskompetenz | 1173 |
1.67 |
Nun muss man sehen: In der Schweizer Studie werden letztendlich keine Standards für Lehrerbildung, sondern Standards für erfolgreiches Lehrerhandeln, für den kompeten– [/S. 26:] ten, erfolgreichen Lehrer also, definiert. Zugleich ist aber auch klar, dass sich eine erfolgreiche und wirksame Lehrerbildung in ihren Inhalten und Prozessen eben daran zu orientieren hat, m.a.W.: Voraussetzungen für erfolgreiches Lehrerhandeln im Sinne der Standards zu ermöglichen. So wird denn auch darauf hingewiesen, dass erst nach der Berufseingangsphase und während des kontinuierlichen Weiterlernens im Beruf sich diese Standards immer stärker ausprägen bzw. auch immer deutlicher ausprägen sollten. Die Lehrerausbildung in erster und zweiter Phase ist dafür nur die Ausgangsbasis: ihr Ziel kann und sollte nicht der kompetente Lehrer, sondern der kompetente Berufsanfänger sein! So interpretiert fügt sich dieses Konzept von Standards im Lehrerberuf in die "Perspektiven der Lehrerbildung" ein, die die KMK–Kommission zur zukünftigen Gestaltung der Lehrerbildung in Deutschland entwickelt hat (Terhart 2000): Lehrerbildung ist eine kontinuierliche Aufgabe innerhalb der gesamten Berufsbiographie von Lehrkräften.
Die folgenden Überlegungen und Entscheidungen sind von dem Schweizer Projekt zwar inspiriert, weichen aber – angesichts der Aufgabenstellung und unter Berücksichtigung der bundesdeutschen Verhältnisse – von dieser Vorlage ab:
Im Folgenden wird nach Standards für ausgebildete Personen, Standards für Institutionen der Ausbildung sowie drittens Standards für dasjenige Steuerungssystem differenziert, das für Lehrerbildung zuständig ist. Für jede dieser drei Ebenen sind spezifische Standards zu formulieren; ebenso sind unterschiedliche Evaluationsinstrumente anzusetzen.
In der ersten, universitären Phase der Lehrerbildung sollten bei den Studierenden bzw. Absolventen folgende Ziele erreicht werden:
Diese vier hier nur formal abgegrenzten Kompetenzen werden als aufeinander aufbauend betrachtet (Stufen–Modell).
Die zweite Phase im Studienseminar (Referendariat) baut hierauf auf und schließt sich an. Hinsichtlich der hierauf bezogenen Personenstandards lässt sich folgende Aufgabe formulieren:
Entwicklung und Erprobung der eigenen beruflichen Handlungs– und Reflexionsfähigkeit
Für die 1. Phase sind (mit Blick auf Personenstandards) folgende vier Bereiche von Bedeutung:
(1) Ein solides systematisch, methodisch und wissenschaftsgeschichtlich gestütztes Wissen in den und über die Unterrichtsfächer(n) ist eine conditio sine qua non. Dies gilt für alle Lehrämter und alle Fächer – die Grundschullehrerbildung steht somit keineswegs zurück, da sie ebenfalls eine spezifische wissenschaftsbasierte Fachlichkeit aufweist. Dabei ist das Disziplinen– bzw. Fächerwissen, das die Universität an Lehramtsstudierende vermittelt, deutlicher als bisher auf die Horizonte der schulischen Lehrpläne zu beziehen. Zugleich sollte nicht nur ein solides Fachwissen innerhalb des jeweiligen Faches, sondern auch der Blick von außen auf die Disziplin und das Fach vollzogen werden (Geschichte und Entwicklung, grundlegende Erkenntnis- und Methodenprobleme, Verknüpfung mit anderen Disziplinen, gesellschaftliche Bedeutung und Vermittlung des Faches etc.); diese letztgenannten Punkte sind übrigens nicht nur für die Lehramtsstudierenden dieses Faches von Bedeutung, sondern für alle Studierende dieser Disziplin. Die Disziplinen bzw. Fächer selbst sollten sich viel stärker als bisher in die Diskussion um die Lehrerbildung und deren Inhalte und Standards einmischen. Dabei wäre es ein falscher Weg, wenn die Disziplinen/Fächer die Angebote für die zukünftigen Lehrer gänzlich aus dem Angebot für ihre Hauptfachstudierenden (Diplom, Magister etc.) ausgliedern, also gewissermaßen bereits in der Universität eine vereinfachte Variante bieten: Die lehramtsbezogenen Veranstaltungen sollen – auf der Basis einer Verständigung über das für den (jeweiligen) Fachunterricht Notwendige und Sinnvolle – in großen Teilen, insbesondere bei den Grundlagen, mit den Hauptfachstudiengängen verknüpft sein.
Es ist eines der schon traditionellen und ganz großen Defizite der Diskussion um die Lehrerbildung, dass die wissenschaftlichen Disziplinen bzw. die Schulfächer – beides ist natürlich nicht identisch – sich in dieser Debatte so stark zurückhalten. Sie sollten sich allerdings allmählich selbst fragen, wie lange sie sich dieses Schweigen noch leisten wollen und können. Dabei ist nicht nur an die Tatsache zu erinnern, dass in sehr vielen Universitätsdisziplinen bzw. Fachbereichen große Teile der Personalkapazität nur deshalb vorhanden sind, weil es Verpflichtungen in der Lehrerbildung gibt. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Disziplinen selbst – ganz unabhängig von der Lehrerbildung – sich dem Problem der Vermittlung ihrer Erkenntnisse, Probleme und Chancen in die Öffentlichkeit hinein mehr Aufmerksamkeit widmen sollten. Auch im Rahmen der Erprobung konsekutiver Lehrerbildung (Bachelor/Master–Strukturen) dürfen die Fächer nicht aus der Verantwortung für diese Aufgaben entlassen werden; sowohl in der Bachelor–Stufe sind deshalb Bereiche vorzusehen, die einen reflexiven Rückbezug auf [/S. 31:] Fächer und ihre Grenzen, auf fächerverbindende und fächerunabhängige Kompetenzen, auf Argumentations– und Vermittlungskompetenz etc. abzielen.
(2) Im Bereich des erziehungswissenschaftlichen und schulpädagogisch-didaktischen Wissens ist die tatsächlich erreichbare Wirkung immer vergleichsweise bescheiden anzusetzen; das erziehungswissenschaftliche Studium nimmt je nach Bundesland schließlich nur zwischen 5 % und ca. 20 % des Gesamtvolumens eines Lehramtsstudiengangs ein. Wenn es gelingt, als Ergebnis dieser teilweise nur 8 SWS, z.T. aber auch 32 und mehr SWS Absolventen zu bekommen, die etwas über Theorie und Geschichte der Schule wissen, die aktuelle bildungspolitische Kontroversen einzuordnen vermögen, die Lern–, Entwicklungs– und Sozialisationstheorien kennen, denen die Lern– und Entwicklungsprobleme von Kindern und Jugendlichen nicht fremd sind, die sich in den Didaktiken auskennen, um die Problematik der Leistungsbeurteilung wissen und mit Ergebnissen der empirischen Unterrichtsforschung etwas anfangen können – wenn alles dies regelmäßig tatsächlich erreicht werden könnte, wäre verglichen mit dem jetzigen Stand schon viel erreicht. Keineswegs jedoch kann man erwarten, dass das erziehungswissenschaftliche Studium innerhalb der universitären Lehrerbildung (1. Phase) den Absolventen gewissermaßen berufsfertig entlässt.
(3) Ein ganz wichtiger Standard universitärer Lehrerbildung lautet: Ein Absolvent muss fachdidaktisch analysieren und argumentieren können. Er muss dazu in der Lage sein, sein Fach bzw. seine Fächer unter dem Gesichtspunkt der Lehrbarkeit und Lernbarkeit – auch unter dem Gesichtspunkt von Lernschwierigkeiten bei Schülern sowie unter dem Gesichtspunkt der Fächergrenzen und deren Überwindung – zu erörtern. Während das fachbezogene Wissen sich lediglich auf zu vermittelnde Inhalte und deren Hintergründe bezieht, und das in die Lehrerbildung eingebaute erziehungswissenschaftliche Wissen ‚inhaltsneutral' und eher allgemein auf Probleme und Prozesse des Schulsystems, des Unterrichts und des Lehrerberufs abhebt, bietet das Feld der Fachdidaktik die Möglichkeit einer Verschränkung von inhalts– und prozessbezogener Perspektive. Genau dies ist ein zentrales Element innerhalb der Lehrerkompetenz.
Um dies in der 1. Phase anbahnen und erreichen zu können, muss die Fachdidaktik einen angemessenen Platz innerhalb des Lehrerbildungscurriculums erhalten (s.u.). Dies kann am Ende der ersten Phase noch nicht vollständig unterrichtspraktisch durchdekliniert sein; gleichwohl wird jede zukünftige Lehrerbildung diesen fachdidaktischen Standard ernster nehmen müssen als bislang. Auch dies gilt unabhängig von der Frage: konsekutiv oder grundständig!
(4) Schließlich: Ein Absolvent der 1.Phase sollte dazu in der Lage sein, seine Berufswahl auch vor dem Hintergrund von praktischen Erfahrungen während schulpraktischer Studien zu reflektieren und zu vertreten. Die Erfahrung der eigenen Person in der Schu– [/S. 32:]le, mit Kindern und Heranwachsenden, mit Eltern und Kollegen ist ein wichtiges Element innerhalb der studentischen Sozialisation. Schulpraktische Studienelemente sind dabei nicht schon ‚an sich' positiv – etwa in dem Sinne, dass diejenige Lehrerbildung die beste ist, die die meisten Praktika enthält: Es kommt nicht darauf an, schon im Studium das Einsozialisieren in bestehende Berufsroutinen und –kulturen anzubahnen oder zu ‚üben', sondern es muss darum gehen, neben der Erprobung der eigenen Person den kritisch–reflektierenden Blick sowohl auf die bislang im Studium vermittelten Inhalte wie auch auf die in der Praxis angetroffene Realität zu entwickeln. Zielperspektive kann das ‚forschende Lernen' sein. Inwieweit es tatsächlich dazu kommt, und inwieweit die Lehrenden in den Fachdidaktiken wie in den am erziehungswissenschaftlichen Studium beteiligten Disziplinen dies anzuleiten bereit und in der Lage sind – auch dies wird eine interessante Frage für die Evaluation sein.
Standards für die ausgebildeten Lehrer (Absolventenstandards):Die Standards für die ausgebildeten Lehrer werden getrennt für die 1. und 2. Phase ausgewiesen. Sie orientieren sich einerseits an bestimmten inhaltlichen Bereichen (senkrechte Achse) und andererseits an unterschiedlichen Ebenen (Stufen) der Kompetenz (waagerechte Achse):
1. Phase:
Bereiche | Wissen | Reflexion | Kommunikation | Urteil |
Unterrichtsfächer | XXX | XX | XXX | XX |
Fachdidaktiken | XXX | XXX | XXX | XX |
Erziehungswissenschaften | XXX | XXX | xxx | xx |
Schulpraktische Studien | xx | xxx | xxx | xx |
Für diese vier Bereiche (Unterrichtsfächer, Fachdidaktiken, Erziehungswissenschaften, Schulpraktische Studien) werden jeweils Standards formuliert: [/S. 33:]
10 Standards für die Unterrichtsfächer(17)
10 Standards für die Fachdidaktiken
10 Standards für das erziehungswissenschaftliche Studium
Bereiche | Wisen | Reflexion | Urteil | Können |
Kompetenz in den Unterrichtsfächern | X | XX | XXX | XXX |
Kompetenz in fachdidaktischer Hinsicht | X | XX | XXX | XXX |
Kompetenzen in pädagogischer Hinsicht | X | XX | XXX | XXX |
Kompetenzen in Schul–/Unterrichtsentwicklung | X | XX | XXX | XXX |
10 Standards für die Absolventen der 2. Phase:
Damit sind personenbezogene Standards benannt, die am Ende der ersten und zweiten Phase erfüllt sein sollten. Entscheidend ist, ob man Modalitäten des Evaluierens/Prüfens findet, die es erlauben, das Vorliegen bzw. auch den relativen Grad des Vorliegens dieser Standards zu ermitteln.
Hinsichtlich einer Erfassung der Ergebnisse der 1.Phase im Bereich der erziehungswissenschaftlichen Studien liegen einige wenige punktuelle Forschungen vor.(18) Eine (nicht repräsentative) Studie über die u.a. auf das erziehungswissenschaftliche Begleitstudium bezogenen Lesegewohnheiten von Wigger (2000; Keiner 2000) bringt eher deprimierende Ergebnisse. Befragungen von Absolventen zur Einschätzung der Qualität und des Wertes ihrer Ausbildung sind nicht unwichtig, unterliegen jedoch starken Verzerrungen. Evaluation von Ausbildung muss mehr sein als eine nachgängige Befragung von Absolventen zu Erfahrungen und Wert der Ausbildung: Die tatsächlich erworbenen Kompetenzen müssen – an Standards orientiert – erfasst werden.
Der aktuellste und am weitesten ausgearbeitete Versuch einer solchen Evaluation der erziehungswissenschaftlichen Studienanteile wird derzeit von A. Nolle an der Universität Dortmund (Institut für Schulentwicklungsforschung) durchgeführt (Dissertation): Erfasst werden Lehramtsstudierende der Universitäten Bremen (n=26), Dortmund (287), Leipzig (309) und Erlangen–Nürnberg und Bamberg (n=264). Somit lagen insgesamt 886 auswertbare Fragebögen vor. Einschränkend muss angemerkt werden, dass es [/S. 36:] sich um eine Befragung von Studierenden handelt; 508 der Befragten befanden sich noch im Grundstudium! Insofern kann man nicht von einer Analyse der Wirkungen des erziehungswissenschaftlichen Studiums sprechen; es handelt sich vielmehr um eine Befragung der Teilnehmer während des Prozesses der Lehrerbildung zum erziehungswissenschaftlichen Ausschnitt des Lehramtsstudiums. Darüber hinaus erfolgt diese Evaluation nicht mit Blick auf vorab definierte Standards (also gewissermaßen ‚lernzielorientiert'), sie erfolgt vielmehr als eine Erfassung des Zustandes, die erhaltene Verteilungen (Durchschnitte, Abweichungen etc.) zeigt (also gleichsam ‚durchschnittsorientiert').
Hinsichtlich der Vorgehensweisen bei der Überprüfung des Grades der Erreichung von Standards sind – bei der Personenevaluation – verschiedene Formen praktikabel und praktiziert worden:
Vier Stufen einer an Standards orientierten EvaluationDiese vier Formen einer an Standards orientierten Evaluation (auf der Personenebene) sind auf einer Skala von einfach/wenig aussagekräftig bis anspruchsvoll/sehr aussagekräftig anzuordnen; sie stellen Stufen dar. Die Selbsteinschätzung, die bislang dominierte, auch noch in der Schweizer Studie, sollte in dem angestrebten Evaluationen keines– [/S. 37:] wegs die alleinige Basis sein – sie sollte sogar weitgehend minimiert werden. Die zweite Stufe – testdiagnostische Verfahren (Papier und Bleistift) sollte dominieren, da mit ihr aussagekräftigere Informationen gewonnen werden können. Sie sollte aber – zumindest punktuell – durch Beobachtungs–/Beurteilungsverfahren mit Blick auf das berufliche Handeln ergänzt werden; dies in einem quantitativ begrenzten Rahmen. Die vierte Stufe – Erfassung der Wirkungen bei Schülern – halte ich, wie oben bereits dargelegt, angesichts der immensen theoretischen und methodischen Probleme, des sehr hohen Aufwandes und der am Ende nicht präzise zu ermittelnden Zusammenhänge zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht opportun: Der ungewöhnlich hohe Aufwand stünde in keinem Verhältnis zum unsicheren Ertrag.
Insofern besteht die Aufgabe bei der Personenevaluation darin, die Standards weiter zu konkretisieren und auf dieser Basis dann sowohl geeignete diagnostische Instrumente zu entwickeln wie auch entsprechende ergänzende Beobachtungsverfahren. Wenn sich dann etwa zeigen ließe, dass – richtig konstruiert und durchgeführt – diagnostische Verfahren zuverlässig zu ähnlichen Ergebnissen kommen wie Beobachtungsverfahren, so könnte man auf letztere – da aufwendig – verzichten. Genau dies aber muss vorher erprobt werden.
Standards betreffen nicht nur auszubildende Personen, sondern auch diejenigen Institutionen, die deren Ausbildung zu organisieren haben. Ich differenziere dabei nach
Eine Universität, in der Lehrerbildung stattfindet, sollte folgende Standards erfüllen (vgl. dazu bereits die "Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland"; Terhart 2000):
Solche Qualitätsmerkmale für Lehrerbildungsinstitutionen (hier: 1. Phase) werden aber vermutlich nur entwickelt werden und lassen sich hinsichtlich ihrer Erfüllung nur evaluieren, wenn auch die leitende Instanz für das Gesamtsystem Lehrerbildung spezifische Standards erfüllt. Das bedeutet schlicht: Auch Bildungsministerien bzw. hier: die in ihnen für Lehrerbildung verantwortlichen Abteilungen und Gruppen müssen selbst Standards erfüllen (s.u.)!
Fragen an die Institutionen der 1. Phase:
Die Institutionen und Programme der zweiten Phase unterliegen einer ähnlich starken Kritik wie diejenigen der ersten Phase; jedenfalls wäre es inadäquat, bei der Evaluation von Lehrerbildung immer nur die Universitäten im Blick zu nehmen. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Aufgaben müssen die Anforderungen an Institutionen der zweiten [/S. 41:] Phase anders geartet sein als diejenigen für die erste Phase. Wendet man die Kritik an der zweiten Phase konstruktiv, so lassen sich folgende Anforderungen benennen (vgl. dazu auch die "Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland"; Terhart 2000):
Fragen an die Institutionen der 2. Phase:
Prüfungen: Die Praxis der Lehramtsprüfungen ist bislang vollkommen unerforscht. Ebenso sind die Einstellungsmodalitäten noch keiner genaueren Analyse unterzogen worden. Dies mag einerseits erstaunlich vorkommen – andererseits werden diese Bereiche/Stationen innerhalb der Berufsbiographie von Lehrern als administrative Schaltstellen betrachtet, denen man eine rechtliche Form und einen Verwaltungsablauf zuordnen muss. Das ‚Wissen' über diese Prozeduren, ihre alltäglichen Abläufe, ihre Konflikte und Kuriositäten steht gewissermaßen in den Wissenschaftlichen Landesprüfungsämtern für die Lehrämter (wohl eher implizit) zur Verfügung. Am Ende der 1. Phase prüfen Universitätsangehörige (im Beisein von Vertretern der Schuladministration) in ihrer Rolle als ernannte Mitglieder des Prüfungsamtes. Am Ende der 2.Phase prüfen Fachleiter, Seminarleiter, Ausbildungslehrer und (z.T.) Schulleiter. Art, Zahl, Umfang, Reihenfolge und Gewichtung der verschiedenen Prüfungselemente bei den beiden Staatsexamina variieren in den Bundesländern. Die Note(n) aus beiden Staatsexamina sowie z.T. weitere personenbezogene Faktoren gehen in die Berechnung von Punktzahlen (o.ä.) ein, die dann wiederum (ausschließlich oder in Kombination mit anderen Elementen) die Voraussetzung für die Einstellung sind. Ihr prognostischer Wert für den späteren Berufserfolg bzw. –misserfolg ist bislang noch nicht empirisch überprüft worden. Die in dieser Expertise empfohlene Evaluation anhand von Standards kann auch dazu dienen, die Examensnoten der evaluierten Personen an einem Außenkriterium (den Standards) zu validieren.
Fragen an das Prüfungsverfahren:
Einstellungen: Die Zuweisung von Bewerbern zu Regionen, Schulformen/–stufen und schließlich: zu Schulen erfolgt in einem sehr komplexen, mehrstufigen Verfahren, das in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt wird. Details brauchen hier nicht dargelegt zu werden – entscheidend ist, dass die Einstellung selbst zu arbeitsrechtlich unterschiedlichen Positionierungen führen kann (Angestellte oder Beamte mit ganzer oder reduzierter Stelle/Stundenzahl). Formal gibt es Probezeiten – die jedoch de facto kaum jemals unmittelbar negativ enden. Lebenszeitverbeamtung kann ggf. nach einer formalen Revision drei Jahre später ausgesprochen werden. Die Praxis der Einstellungsprozedur ist sehr stark vom Schwanken der Relation zwischen Bewerberangebot und der Art und Zahl der zu besetzenden Stellen bestimmt. Historisch wie auch aktuell werden Zulassungswege gekürzt und Zulassungsbarrieren gesenkt, wenn die Bewerberzahl geringer wird oder zu gering ist – und umgekehrt.
Eine systematische Untersuchung der Auswirkungen einer (bei Bewerberüberhang) sehr rigiden An– und Einstellungspolitik bzw. einer bei Bewerbermangel notwendigen, übli– [/S. 44:] che Standards unterschreitenden Einstellungspolitik(19) sind bislang nie unternommen worden.
Fragen an den Einstellungsprozess:
Das Gesamtsystem Lehrerbildung wird m.E. derzeit nicht wirklich an einer Stelle zentral und aus einem Gedanken heraus organisiert und kontrolliert; es fehlt so etwas wie "governance" für Lehrerbildung als Gesamtaufgabe (vgl. Clark, McNergney 1990). Die Kompetenzen auf Bundesebene (KMK–Vereinbarungen etc.) sind begrenzt; in den Bundesländern erfolgt eine Organisation und Kontrolle durch die zuständigen Landesministerien. Auf Bundes– wie auf Landesebene ist die Verantwortung sehr verteilt, ja beinahe zersplittert, sodass sich auch am Ende niemand wirklich verantwortlich fühlt noch verantwortlich gemacht werden kann. Hinzu kommen unterschiedliche Sichtweisen und Interessen der beteiligten Instanzen: Erwähnt sei nur die sehr differente Sicht der Lehrerbildung durch die Wissenschaftsseite einerseits und die Kultus– und Schulseite andererseits; dies gilt bundesweit auf der allgemeinen Ebene der Diskussion wie auch dort, wo in einem Bundesland in einem Ministerium Wissenschafts– und Schulabteilung für Lehrerbildung zuständig sind. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang auch die beiden Phasen der Lehrerbildung, die ja immer noch weithin getrennte Welten sind.
Man kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass in den Ministerien und auch in den unterschiedlichen Experten– und Evaluationskommissionen häufig nur sehr punktuelle, an persönliche Eindrücke gebundene und z.T. auch veraltete Informationen über den tatsächlichen Zustand der Lehrerbildung an den einzelnen Standorten und dort in den einzelnen Fächern vorliegen. Dies ist umso misslicher, weil auch weiterhin eine gewisse klassische Systemsteuerung durch Lehrerausbildungsgesetz, durch Lehramtsprüfungsordnung, durch Hinweise für Studienordnungen, durch die staatlichen Prüfungsämter ebenso unvermeidlich wie notwendig sein wird. Und auf dieser Lenkungs– [/S. 46:] ebene sollten möglichst ausführliche, präzise und aktuelle Informationen über die Realität der Lehrerbildung an den verschiedenen Hochschulen vorliegen. Es ist also für die Ebene der Systemsteuerung der Lehrerbildung von entscheidender Bedeutung, sich selbst Klarheit darüber zu verschaffen, wie viel man eigentlich wirklich über denjenigen Bereich weiß, den man zu organisieren hat – und woher man dies weiß.
Über die klassischen Steuerungsinstrumente wie Lehrerbildungsgesetze, Lehramtsprüfungsordnungen, dem Recht der Genehmigung von Studienordnungen, der Aufsicht über staatliche Prüfungsämter etc. hinaus (klassisches bürokratische Steuerung) sollte als ein neues Instrument die Erarbeitung eines Rahmens (!) für Kerncurricula in der Lehrerbildung oder zumindest eines Verfahrens zur Erarbeitung dieser Curricula in Angriff genommen werden.(21) Die bisherigen Themenkataloge in den Fächern und in Erziehungswissenschaft können dafür einen Ausgangspunkt bilden, sie sollten jedoch aktualisiert, stärker lehrplanbezogen formuliert und v.a. unter Einbezug von Kompetenzen reformuliert werden. International spricht man in diesem Zusammenhang von einem Trend weg von contents zu competencies. Mit Blick auf das deutsche, zweiphasige System der Lehrerbildung wird man das Verhältnis von content und competencies natürlich phasenspezifisch ausgestalten müssen, d.h. die 1. Phase wird noch stärker wissensorientiert sein bzw. auf den Umgang mit Wissen ausgerichtete Kompetenzen aufzubauen haben, wohingegen die 2. Phase auf dieser Basis stärker in Richtung auf den Aufbau von zwar wissensbasierten, aber dann doch praktisch–beruflichen Kompetenzen zu arbeiten hat.
Der entscheidende Punkt aber ist: Ein Lehrerbildungssystem hat als einen wichtigen Standard einen solchen inhaltlichen oder doch zumindest verfahrensbezogenen Rahmen für Kerncurricula in der Lehrerbildung auszuweisen.
Damit aber ist es natürlich nicht getan: Denn nun muss – siehe oben den Hinweis auf die Notwendigkeit zuverlässiger Informationsbeschaffung – geprüft werden, inwieweit die Lehrerbildungsinstitutionen diese ihnen übertragenen Aufgaben sowie den Rahmen der Kerncurricula auch tatsächlich erfüllen. Es ist ja in der Tat erstaunlich: als Ergebnis der Lehrerbildung liegen zahllose Noten vor – bis auf zwei Stellen hinter dem Komma scharf, individualbiographisch von höchster Relevanz, und bundesweit zunehmend besser werdend! Was aber die ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer wirklich wissen und [/S. 47:] können, wissen wir nicht. Ein immerhin positiver Nebeneffekt der Modellversuche zur gestuften Lehrerbildung wird sein, dass man vergleichend diese Modelle evaluiert, und zwar intern wie extern. Wenn dies wirklich ernst gemeint ist, wird man die Wirkung von Modellversuchen bzw. von herkömmlicher Lehrerbildung unter Bezugnahme auf die Fähigkeiten der Ausgebildeten empirisch vergleichen müssen – eine wirklich interessante forschungsmethodische Aufgabe. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.(22)
Fragen an das Steuerungssystem:
Solche ‚kleineren' Lösungen würden jedoch den eigentlichen Zweck einer Evaluation der Lehrerbildung im Grunde verfehlen bzw. die Bearbeitung dieser dringende Aufgabe zeitlich verzögern. Deshalb wird dringend die zunächst erwähnte ‚größere' Lösung empfohlen.
(1) Schreiben des Generalsekretärs der KMK, Herrn Prof. Dr. Thies, vom 04.03.2002.
(2) Globalisierung bzw. die Idee des Weltcurriculums ist natürlich in gewisser Hinsicht nicht neu: Schon immer haben mächtige Reiche ‚globalen' Anspruch erhoben und durchzusetzen versucht. Die politischen Strukturen im engeren Sinne sind zerfallen – gleichwohl waren einige dieser ‚Globalisierungsprojekte' kulturell äußerst folgenreich und zählebig. Die europäisch geprägten Zivilisationen kennen für die höhere, gelehrte Bildung das aus der Antike stammende Konzept der enkyklios paideia bzw. der septem artes liberales, an deren Grundstruktur sich der "Lehrplan des Abendlandes" (J. Dolch) für die höhere Bildung gut zwei Jahrtausende orientiert hat und in weiten Teilen weiter orientiert. In den bisherigen internationalen Leistungsvergleichsstudien dominieren bis vor kurzem aus verschiedenen Gründen die mathematisch–naturwissenschaftlichen Wissens- und Fähigkeitsbereiche; allmählich gehen large scale assessments zunehmend darüber hinaus (literacy, civic education, cross–curricular competencies). Kann man damit sagen, dass der Lehrplan des Abendlandes sich im Zeitalter von Naturwissenschaft und Großer Industrie und schließlich: von allgemeiner Globalisierung und Informatisierung zum Lehrplan der ganzen Welt verabsolutiert hat?
(3) Dies war und ist insbesondere in den USA anders. Eine sehr gute Übersicht über die Evaluation der Lehrerbildung in den USA, ihre Hintergründe, Unzulänglichkeiten und – wie der Autor diagnostiziert: ihr Scheitern – vermittelt der Beitrag von v.Prondczynsky (2001). Zugleich warnt er die Protagonisten einer Evaluation der Lehrerbildung in Deutschland vor der Wiederholung der dort gemachten Fehler.
(4) Als Übersichten über deutschsprachige empirische Forschung zur Lehrerbildung vgl. Schlee (1990); Fried (1997) und Schaefers (2002) sowie das Themenheft "Grundlagenforschung in der LehrerInnenbildung" der Zeitschrift für Pädagogik 2002, Heft 1. Zum Thema Evaluation der Lehrerbildung vgl. LSW 2000, das Themenheft "Evaluation in der Lehrerausbildung" der Zeitschrift "seminar" 2/2001 sowie die weiter unten angegebene Literatur. Zu Forschungsbefunden und Reformdebatten zum Lehrerberuf und zur Lehrerbildung generell vgl. Terhart (2001); zum aktuellen Stand des Reformprozesses in den Bundesländern vgl. Bellenberg, Thierack (2001); zu PISA und den Konsequenzen für die Lehrerbildung vgl. Gräsel, (2002).
(5) Cochran–Smith liefert eine überzeugende Periodisierung der Leitfragen in der US-amerikanischen Lehrerforschung: In den 50er und 60er Jahren habe die Frage nach den Eigenschaften des guten Lehrers im Mittelpunkt gestanden (attribute question). Seit den späten 60er bis zur Mitte der 80er gehe es um die erfolgreichen Strategien von effektiven Lehrern sowie um die Frage, wie man diese qua Lehrerbildung effektiv vermitteln könne (effectiveness question). Seit Mitte der 80er Jahre sei die Frage nach dem professionellen Wissen zum Mantra der Lehrerforschung geworden (knowledge question). Mit Beginn des 21. Jahrhunderts schließlich stehe die Frage nach den Wirkungen im Mittelpunkt (outcomes question). Diese Abfolge findet sich in gewisser Weise und mit den üblichen Verzögerungen auch in der deutschsprachigen empirischen Lehrerforschung wieder, allerdings – auch mangels Masse – nicht in dieser klaren Sequenzierung und Profilierung.
(6) Vgl. dazu exemplarisch einerseits die Arbeit von Darling–Hammond (2000b; How Teacher Education matters), die sich (zusammen mit A. Wise und in Verbindung mit dem NCTAF) in zahlreichen Arbeiten und Aktivitäten für eine Verbesserung der Lehrerbildung ausgesprochen und zahlreiche Forschungsevidenzen zusammengetragen hat, die belegen, dass gute Lehrerbildung sowohl bessere Lehrer wie auch höhere Lernleistungen bei Schülern erzeugt. Dagegen steht exemplarisch die Arbeit von Ballou, Podgursky (2000), die eine sehr gute Kritik des Umgangs des NCTAF mit solchen (vermeintlich) stützenden empirischen Forschungsdaten liefern.
(7) Alle Übersetzungen aus dem Amerikanischen von E. Terhart.
(8) Vgl. hierzu als ein Beispiel aus den Niederlanden Brouwer, ten Brinke (1995). Sie untersuchen den Zusammenhang zwischen der Art der Einbindung von Schulpraktika in das Lehramtsstudium und der Art der Kompetenzentwicklung in den ersten Berufsjahren. Ein Lehramtsstudium mit gut integrierten Praktika scheint vor einem heftigen Praxisschock zu schützen und zugleich zu verhindern, dass Berufsanfänger nach dem Schockerlebnis von der je gegebenen Schulpraxis absorbiert werden. Gut integrierte Schulpraktika befähigen dann auch zur adäquateren Umsetzung von neuen Unterrichtsformen.
(9) Für die englischsprachige Debatte vgl. z.B. King (1994), Piper, Robinsohn (1997) und Apple (2001), für die deutschsprachige Debatte vgl. die Skepsis bei v.Prondczynsky (2001) der aufgrund einer Analyse der US-amerikanischen Entwicklung zu dem Schluss kommt, dass die Evaluationswelle generell wie insbesondere in der Lehrerbildung ein vornehmlich rhetorisches Unternehmen ist, welches keineswegs bewiesen habe, dass es zu einer folgenreichen Veränderung in der Praxis der Lehrerbildung führe (Diagnose 1: wirkungslos). Zugleich werden jedoch starke Warnungen vor einer solchen Strategie ausgesprochen und mit der drohenden technizistisch–utilitaristischen Verengung der Lehrerbildung (unter Ausschluss der Erziehungswissenschaft) begründet (Diagnose 2). Fasst man beide Diagnosen zusammen, so wird befürchtet, dass die Lehrerbildung als Ergebnis von Evaluationen de facto genauso schlecht bleibt wie bisher – nur ohne Erziehungswissenschaft. – Eine grundsätzliche Ablehnung formuliert Sander (2002, S. 94): "Wer sich einredet, akademische Lehrerbildung sei in der Lage, zukünftigen Lehrern berufliche Kompetenzen der konkreten Organisation von Prozessen des Lehrens und Lernens zu vermitteln, wer sich darüber hinwegtäuscht, dass diese Kompetenzen schon immer in arbeitsplatzbezogenen Lernprozessen während der Berufsausübung erworben worden sind (und nirgendwo anders), lebt in einer Welt der Illusion und Träume. Indem die neuere Debatte gerade diese Kompetenzen in das Zentrum der Evaluationsprozeduren stellt, konstruiert sich Evaluation der Lehrerbildung realitätsfremde, fiktive, utopische Aufgabenkataloge und Leistungsbereichsbeschreibungen, denen Einrichtungen der Lehrerbildung niemals gerecht werden können – was immer sie auch tun mögen".
(10) Die in den späten 60–er und frühen 70–er Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgende Umstellung vom geisteswissenschaftlich geprägten idealistischen Lehrerleitbild zum szientifisch geprägten, realistischen Lehrerleitbild ließ allerdings bestimmte Themen und Probleme des Lehrerberufs sowie auch manche Erwartungen an den Lehrerberuf außer Acht, die aber weiterhin auf Bearbeitung drängten. So entwickelte sich in den 80–er Jahren ein verstärktes Interesse an Fragen der Lehrerpersönlichkeit, an Fragen des Berufsethos in der Lehrerschaft sowie ein Interesse an der Definition von formalisierten berufsethischen Standards (vgl. dazu Terhart 1987; 1998). Als ein Beispiel für eine Neuauflage des idealistischen Erzieher–/Lehrerleitbildes kann von Hentigs "Sokratischer Eid" verstanden werden (von Hentig 1993, S. 246 f., s. Anlage 7.1).
(11) Die vorliegende Expertise formuliert Standards für die Lehrerbildung unabhängig von der organisatorischen Alternative zwischen grundständiger und konsekutiver Lehrerbildung.
(12) Zu Defizitanalysen und Reformdiskussionen in der Lehrerbildung vgl. Terhart 2000; 2001; 2002; Rotermund 2001; Wissenschaftsrat 2001; Bayer u.a. 2000; Zeitschrift für Pädagogik H.4/2001; für die europäische Debatte Campos 2000; Buchberger u.a. 2000; EURIDICE & EUROSTAT 2000; OECD 2001a, b; UNESCO/CEPES 2002). Eine umfassende Übersicht über den Wandel des Lehrerberufs und der Lehrerbildung in Europa vermittelt Vonk (1997).
(13) Demgegenüber formuliert v.Prondczynsky (2001) die These, dass hinter der neuen standard–basierten Lehrerbildung im Grunde die alte technokratisch–mechanische competency based teacher education steht.
(14) Oser schließt sich explizit folgender Charakterisierung von Standards
aus der US–amerikanischen Diskussion um Leistungsstandards (für Schüler
!) an:
– "Standards must reflect high expectations, not expectations of
minimal competency.
– Standards must provide focus and direction, not become a national curriculum.
– Standards must be national, not federal.
– Standards must be voluntary, not mandated by the federal government.
Standards must be dynamic, not static" (Oser 2001, S. 226).
(15) Die Überprüfung der Wirkung von Weiterbildungsmaßnahmen wird womöglich ein noch schwierigeres Unternehmen als die Evaluation der Erstausbildung. Im Übrigen würde sich eine Evaluation in der 3. Phase (Lernen im Beruf) erst dann wirklich lohnen, wenn es ein ausgebautes Weiterbildungssystem gäbe sowie Personalentwicklungsmaßnahmen breit etabliert wären. Zum Problem der Evaluation von Lehrerfort– und –weiterbildung vgl. Knab (1981); Eraut (1989); Graudenz u.a. (1995); Peter (1996) Wolf u.a. (1997); Landert (1998) und Rüegg (2000).
(16) Mit dieser an unterschiedlichen Ebenen orientierten Aufgliederung von Steuerungs- und Evaluationsaufgaben in der Lehrerbildung wird ein Gedanke aufgenommen, der in der Empfehlung einer Expertenkommission zur Neuordnung des erziehungswissenschaftlichen Studiums in der Lehrerbildung in NRW bereits formuliert worden ist (Baumgart u.a. 1997; vgl. auch California Commission on Teacher Credentialing 1997). In der internationalen Fachliteratur sind Fragen der Standards in der Lehrerbildung wie auch Fragen der Steuerung des Gesamtsystems Lehrerbildung vielfach erörtert worden (vgl. Clark, Nergney 1990 und Roth, Pipho 1990 sowie die einschlägigen Beiträge in Sikula et al. 1997; Yinger 1999; Wise 1999; Wise, Leibrand 2001). Zu diesem Thema vgl. auch das neueste Heft des Journals für LehrerInnenbildung: "Standards in der Lehrerinnen– und Lehrerbildung" 2002, Heft 1.
(17) Die Standards für Kompetenzen in den Unterrichtsfächern können zunächst nur fächerunabhängig benannt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt müssen dann fachspezifische Standards gebildet werden.
(18) Die empirische Erfassung von thematischen Verschiebungen der Lehrangebote in diesem Bereich zähle ich nicht dazu, da es im gegebenen Kontext um die Standards und Evaluationen von auszubildenden Personen geht. Für eine Formulierung von Institutionen– bzw. Programmstandards sind solche Analysen natürlich wichtig (s.u) (Hauenschild u.a. 1990; Plöger, Anhalt 1999; Wigger 2000b).
(19) Im Administrationsjargon werden die so Eingestellten derzeit "Nichterfüller" genannt. Früher gab es andere Bezeichnungen; im Englischen heißt es politisch korrekt: alternative ways to teaching oder nicht ganz so korrekt, aber angemessener: emergency certification.
(20) Zu dieser Frage führe ich derzeit eine empirische Untersuchung durch, die sich auf alle im Frühjahr 2002 in NRW ausgeschriebenen Stellen sowie deren Besetzung bezieht. Befragt werden Schulleiter, ein Mitglied der Auswahlkommission aus dem Kollegium sowie die ausgewählte und eingestellte Person. Im Jahr 2003 erfolgt an diesen Schulen eine zweite Befragung.
(21) Vgl. dazu die Beiträge und Materialien zu einem Workshop in Hamburg "Auf dem Weg zu Kerncurricula in der Lehrerbildung", Mai 2002 sowie den Abschlußbericht der Arbeitsgruppe Lehrerbildung der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen: Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung in Niedersachsen. Hannover, März 2002 (Auszug zum Kerncurriculum Erziehungswissenschaften und Fachdidaktik im Anhang 7.2).
(22) Wie immer bei solchen Studien ist man vor Überraschungen nicht sicher. So könnte sich zeigen, dass kaum Unterschiede festzustellen sind. Es könnte allerdings ein ähnliches Ergebnis eintreten wie bei den Studien zu den Effekten des dreigliedrigen und des integrierten Schulsystems: Am Ende sind die Differenzen zwischen Standorten größer als zwischen Systemen. Möglicherweise verschwinden kurzfristig feststellbare Effekte im Verlaufe der ersten Berufsjahre, und am Ende verlieren sich eventuelle positive Wirkungen von Modellversuchen, wenn man sie zur Regel macht. Und das Grundproblem wird durch die folgende Vermutung umrissen: möglicherweise wirken sich Qualitätsunterschiede in der Lehrerbildung nur sehr vermittelt auf Lehrerkompetenz und Lehrerhandeln aus – und Letzteres wiederum nur sehr schwach oder gar nicht auf das Lernen und Erfahrungsbildung der Schüler!
(23) Aus: Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung in Niedersachsen. Abschlußbericht der Arbeitsgruppe Lehrerbildung der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen. Hannover 2002, S. 44-47. In dem Abschlussbericht sind zusätzlich ausführliche Beispiele für Lehrveranstaltungen und Module zu finden.
(24) Orig: Abschlusskapitel aus L. Darling–Hammond: Standard setting in teaching: Changes in licensing, certification, and assessment. In: V. Richardson (Ed.): Handbook of Reseach on Teaching. Fourth Edition. Washington: Am. Educ. Res. Ass. 2001, S. 751-776; Auszug, S. 770-773. Linda Darling–Hammond ist Charles E. Ducommun Professor of Education an der Universität Stanford und Executive Director der National Commission on Teaching and America's Future (NCTAF). Sie war Mitglied des National Board for Professional Teaching Standards (NBPTS) und war Vorsitzende des Interstate New Teacher Assessment and Support Consortium (INTASC). Arbeitsübersetzung: E.Terhart.
(25) INTASC steht für Interstate New Teacher Assessment and Support Consortim, mit "National Board" ist das National Board for Professional Teaching Standards gemeint.
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Cullingford (1995)
Integrität: | Eine Eigenschaft, die besagt, dass jemand sein Bestes gibt, und zwar in bescheidener und unbefangener Manier. Kein Lehrer ist immer perfekt, aber jeder Lehrer kann versuchen, besser zu werden. Häufig sind wir besser als wir meinen. |
Lernen: | Eine Eigenschaft, die besagt, dass man sich am Lernen und am Sinn für Neugierde erfreut. Der Prozess des Lernens ähnelt sich auf allen Stufen, und der Lehrer ist in das Lernen eingebunden: Er unterrichtet, um Wissen und Einsicht zu vermitteln. |
Organisation: | Eine Eigenschaft, die besagt, dass man dazu in der Lage ist, den Klassenunterricht zu organisieren, mit guter Vorbereitung, klaren Regeln und Erwartungen, Aufmerksamkeit für Details, dem sinnvollen Gebrauch von didaktischem Material. Dies umfasst auch die Fähigkeit zur inneren Differenzierung. |
Kommunikation: | Die Eigenschaft, sich für andere Menschen zu interessieren, seien es Schüler oder Kollegen, und die Fähigkeit, dieses Interesse durch Ideen, Geschichten sowie auch durch geteilte Wertüberzeugungen zu demonstrieren. |
Humor: | Man braucht Humor, um zu überleben und um mögliche Überlastungen zu vermeiden. |
Scriven 1994:
Das Berufsleitbild des Schweizer Lehrerverbandes (LCH 1993)
Der sokratische Eid (v.Hentig 1985)
Als Lehrer und Erzieher verpflichte ich mich,
Damit verpflichte ich mich auch,
Die Standesregeln des Schweizer Lehrerverbandes (1998)
National Board for Professional Teaching Standards (NBPTS):
National Council for the Accreditation of Teacher Education (NCATE)
I. Standards für Auszubildende
Standard 1: Wissen, Fähigkeiten und Dispositionen der Auszubildenden. Auszubildende(1), die sich auf eine Tätigkeit in der Schule als Lehrer oder in anderen Funktion vorbereiten, kennen die Inhalte ihres Feldes; demonstrieren professionelles und pädagogisches Wissen, Fähigkeiten und Haltungen. Sie wenden diese so an, dass alle Schüler lernen. Leistungsvergleichsstudien prüfen, inwieweit Auszubildende professionelle, staatliche und institutionelle(2) Standards treffen.
Standard 2: Programm und Institutionenevaluation. Die Einrichtung hat eine eigenes System der Qualitätskontrolle, dass die Qualifikationen von Bewerbern sowie die Leistung von Auszubildenden und Absolventen prüft; diese Leistungsdaten und andere Informationen werden zur Evaluation und Verbesserung des Programms verwendet. [/S. 61:]
II. Leistungen der Einrichtung
Standard 3: Praxiserfahrungen. Die Lehrerbildungseinrichtung und ihre Partnerschulen planen, implementieren und evaluieren Felderfahrungen und klinische Praxis, so dass die Kandidaten Wissen, Fähigkeiten und Haltungen entwickeln und demonstrieren, die darauf gerichtet sind, allen Schülern beim Lernen zu helfen.
Standard 4: Heterogenität Die Institution plant, implementiert und evaluiert das Curriculum und die Lernerfahrungen für Auszubildende so, dass sie Wissen, Fähigkeiten und Haltungen erwerben, die notwendig sind, damit sie allen Schülern beim Lernen helfen können. Diese Erfahrungen beinhalten auch Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Hochschuleinrichtungen, unterschiedlichen Kollegen, und unterschiedlichen und besonderen (exceptional) Schülern.
Standard 5: Leistung und Leistungsentwicklung des Personals in der Lehrerbildung. Das Personal stellt ein Vorbild für gute professionelle Praxis in Wissenschaftlichkeit, Dienstleistung und Lehre dar; dies schließt Selbst–Beurteilung der Effektivität und der Auswirkung auf die Leistung der Kandidaten ein. Das Lehrerbildungspersonal kooperiert mit den Kollegen in den Fächern/Disziplinen und den Schulen. Die Lehrerbildungseinrichtung evaluiert ihr eigenes Personal und fördert die berufliche Entwicklung.
Standard 6: Organisation und Finanzierung der Lehrerbildungseinrichtung. Die Einrichtung hat genau die Führung, die Autorität, die Finanzierung, das Personel, die Ressourcen – inklusive moderner Informationstechnologien – die sie braucht, um Auszubildende so vorzubereiten, dass sie professionelle, staatliche und institutionelle Standards erfüllen.
Interstate New Teacher Support and Assessment Consortium (INTASC 1992)
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Obwohl derzeit die Unterstützung für die neuen Standards für Lehrerarbeit aus dem poeischen wie aus dem professionellen Raum groß ist, gibt es doch eine Reihe von vertrackten Problemen, die im Rahmen der Arbeit an diesen neuen Systemen gelöst werden müssen. Diese Probleme und Streitfragen reichen von eher technischen Messproblemen und praktischen Fragen der Implementation zu sozialen und politischen Fragen bezüglich der Machtbalance zwischen Staat und Profession. Einige dringende Probleme sollen im folgenden erörtert werden; zugleich soll deutlich gemacht werden, welche Forschungsfragen jeweils hieran geknüpft sind.
1. Standards und Beurteilungsverfahren richtig aufbauen
Eine erste Gruppe von Problemen ergibt sich aus der Frage, wie man die Technologien und Instrumente der neuen Standards und Beurteilungen (assessments) weiterentwickeln und verfeinern will: wie werden Validität und Reliabilität gegeneinander abgewogen, wie entwickelt und evaluiert man Beurteilungsstrategien, die sensibel sind für gutes Unterrichten in sehr unterschiedlichen Kontexten; und wie entwickelt man Beurteilungs– und Bewertungsverfahren, die weder Individuen noch Pädagogiken benachteiligen oder bevorzugen.
Eine Schlüsselfrage für den Einsatz von Standards und Evaluationen als Hebel der Reform liegt darin, ob die Standards und Beurteilungen "richtig" aufgebaut sind, also berücksichtigen, dass es viele mögliche Definitionen von Qualität gibt, dass diese von ihren jeweiligen Kontexten bestimmt sind, und dass es immer noch verbessert werden können. Trotz des großen Enthusiasmus gibt es noch zu wenig Forschung zu der Frage, ob durch Assessment–Verfahren (etwa des INTASC oder des National Board(25)) die tatsächlich bei ihren Schülern erfolgreichen Lehrer identifiziert werden, ob die Handlungsweisen von Lehrern, die in unterschiedlichen Kontexten erfolgreich sind, sich doch soweit ähneln, dass sie von den Standards und Beurteilungen abgedeckt (i.S.v. erfasst) werden, und ob die auf der Basis von Standards und Beurteilungen zustande kommenden Entscheidungen tatsächlich fair und ausgewogen (unbiased) sind und keine [/S. 69:] negativen Auswirkungen auf die Vielfalt der Lehrkräfte haben, indem etwa ein Punktesystem aufgebaut wird, das in keiner Relation zur Effektivität der Lehrer steht. Übliche Tests wie PRAXIS sind noch nicht daraufhin untersucht worden, in welchem Ausmaß sie denjenigen didaktischen Vorstellungen entsprechen, auf die die neuen Unterrichtskonzeptionen und Lehrerstandards gerichtet sind. Das heißt: In allen diesen Fällen vollziehen die Staaten (der USA) Entscheidungen auf der Basis von Beurteilungen, über die ein forschungsbasiertes Wissen hinsichtlich Reliabilität und Validität noch nicht vorliegt. Hier ist noch viel Forschungsarbeit notwendig, um sicherzustellen, dass Standards und Beurteilungen in einem maximalen Sinne valide sind, und zwar über Absolventen, Inhaltsbereich und Kontexte hinweg.
Obwohl diese Fragen situativ immer schon beantwortet werden müssen, sollten sie gleichwohl ständig in die Debatte um guten Unterricht und um geeignete Evaluationsinstrumente integriert werden. Soll man z.B. das Lehrerwissen und –handeln an denjenigen Anforderungen orientieren, die gegenwärtigen in den Schulen vorherrschen, in Schulen also, in denen sich die Rolle und manchmal auch das Selbstverständnis der Lehrer noch dominant auf den ‚Stundenhalter' beschränkt ist? Oder soll man in der Lehrerbildung auf eine reformierte, veränderte Schule abzielen, in der den Lehrern eine breitere Rolle zukommt (Lehrplangestalter, kollegiale Weiterbildner, Schulentwickler).
Sollte man sich bei den Standards für "guten Unterricht" an traditionellen, weitverbreiteten Unterrichtsformen orientieren, die aber nicht den Stand der didaktischen Forschung widerspiegeln? Will man neuen pädagogischen Ansätzen Glauben schenken – oder sollte man Mischungen favorisieren? Sind Standards und Evaluationen für "guten Unterricht" in "weißen" Gegenden auch tauglich für "multikulturelle" Kontexte?
Sykes (1990, S. 19) hat das Problem in seiner Erörterung der Legitimation von didaktischen Präferenzen folgendermaßen formuliert: "Es gibt keine einfache und vollständig faire Antwort auf diese Frage ‚Warum sollte ein Lehrer gerade dies wissen?' Hier müssen mutige Entscheidungen gefällt werden, die dann aber von umfangreichen Beratungen und vorsichtigen Implementationen gefolgt sein müssen".
2. Lehrer darauf vorbereiten, die Standards zu erfüllen
Ebenso treten gravierende Probleme auf, wenn man daran denkt, wie die Lehrer auf diese anspruchsvollen Standards vorbereitet werden sollen. Gegenwärtig liegt noch wenig Wissen darüber vor, welche Lernumgebungen in der Erstausbildung, während der Berufseingangsphase, während der Berufsbiographie und im Kontext von Schulentwicklungsprozessen den deutlichsten Erfolg bewirkt im Hinblick auf die Erfüllung der Standards. Wilson, Ball (1996, S. 122) schreiben:
"Die neuen Verfahren der Beurteilung von Lehrern sind für Lehrer das, was die neuen Formen der Schülerbeurteilung für die Schüler sind. An diesen Standards muss sich die Lehrerbildung orientieren. Reformer hoffen darauf, dass ein Wechsel des Prüfungs- und Zulassungsverfahrens sich auf die Art der Lehrerbildung (als Vorbereitung auf diese Prüfung) auswirkt. Weniger deutlich sind jedoch bildslang die Herausforderungen, die dies für die Lehrerbildner (d.h. das Personal in der Lehrerbildung) darstellt, die neue Wege der Qualifizierung von angehenden Lehrern finden müssen, damit die ausgebildeten Lehrkräfte die leistungsbasierenden Evaluationen erfolgreich bestehen". [/S. 70:]
Diese Herausforderung wird noch größer durch die Tatsache, dass Schul- und Unterrichtsreformen die Kluft "zwischen dem Ausgangspunkt der angehenden Lehrer und dem angestrebten Qualifikationsziel noch vergrößern" (ibid., S. 122). D.h. mehr denn je ist das aus der Schule mitgebrachte pädagogisch–didaktische Alltagswissen von Lehramtsstudierenden inadäquat mit Blick auf die angestrebten Reformen, mehr denn je müssen angehende Lehrer umlernen und dazulernen. Insbesondere ein an kritischem Denken und verstehendem Lernen orientiertes Unterrichten ist sehr schwer zu entwickeln, da es sehr flexibles Handeln erfordert und nicht anhand einfacher Anweisungen umgesetzt werden kann. Wenn man Schüler zum selbstständigen Denken bringen will und auch tatsächlich bringt, so lassen sich die weiteren Abläufe eben nicht präzise voraussagen.
Das Wissen über effektive Unterrichtsstrategien der Vorbereitung von Lehrer auf diese anspruchsvolle, am Sachverstehen orientierte Qualität von Unterricht entsteht erst allmählich. Wir müssen noch sehr viel über die Effizienz und Wirkung der verschiedenen Strategien zum Aufbau anspruchsvoller, multidimensionaler Praxisformen lernen. Wilson, Ball (1996) meinen, dass solche Strategien die Erfindung neuer Unterrichtskonzepte durch schulinterne Entwicklungsarbeit von reformorientierten Lehrern mit umfasst, durch Curriculum-Materialien wie Fallstudien, Video-Dokumenten, Datenbanken mit Mustern für Unterricht, die auch weitere Forschungen ermöglichen sowie durch eine Realisierung der in den Lehrerstandards ausgedrückten Pädagogik in der Praxis der Lehrerbildung selbst. (…)
Wenngleich es Indizien dafür gibt, dass solche Instrumente wirksam sind, wissen wir nicht, welche Kombinationen von Maßnahmen zur Steigerung der Lehrerkompetenz unter welchen Schulbedingungen am ehesten zu einher Steigerung der Qualität von Unterricht im Sinne der neuen Lehrerstandards und insofern dann auch zu erhöhten Lernerfolgen der Schüler beitragen. Ebenso wissen wir nichts über das Verhältnis von Aufwand und Ertrag solcher Maßnahmen, ob sie in verschiedenen Kontexten unterschiedlich wirken, ob man dabei nicht auch die berufliche Entwicklungsphase der Lehrer berücksichtigen muss usw. Diese Fragen müssen im Zusammenhang mit Reformmodellen zur Lehrererstausbildung sowie zur Lehrerfort– und –weiterbildung untersucht werden. Und schließlich: Obwohl vieles dafür spricht, dass Lehrer allein schon durch die Teilnahme an berufsbezogenen Evaluationen berufsbezogen lernen, wissen wir nicht genau, welche Art von Lernen dabei stattfindet, wie wechselnde Bedingungen sich auf das berufsbezogenen Lernen auswirken, und wie weit dieses Lernen für organisiere Lehrerfortbildung nutzbar gemacht werden kann.
Ebenso wichtig wird es sein, die Effektivität der neuen Standards zu prüfen, d.h. zu fragen, wie weit sie die erwünschten Ziele erreichen. Also tatsächlich zu einer veränderten Unterrichtswirklichkeit und zu einem erweiterten professionellen Wissen führen. Wenngleich Enthusiasmus und augenscheinliche breite Zustimmung in der Schul- und Lehrerszene einerseits vielversprechend sind, ist doch über die konkreten Maßnahmen in Lehrerbildungsinstitutionen, Schulverwaltungen, Schulen, Ministerialbürokratien wenig systematisch bekannt. Um die Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen bemessen zu können, sollte dieser Wandlungsprozess kontinuierlich beobachtet werden.
Während die Lehrerbildungsszene an einer Verbesserung der Programme arbeitet, darf sie jedoch bestimmte widerständige Rahmenfaktoren nicht außer Acht lassen. [/S. 71:]
3. Dauerprobleme: Lehrerzyklen, Standards und Ungleichheit
Im Vollzug der Reformen wird die Lehrerbildung von ‚ewigen' Problemen eingeholt: Besoldungsunterschiede und differierende Arbeitsbedingungen haben zu einem Lehrermangel in den Innenstadtzonen und in ärmeren ländlichen Gebieten geführt. Und aus unterschiedlichen Gründen gehen Landes– und Kommunalbehörden dazu über, die Standards für den Eintritt in den Lehrerberuf abzusenken anstatt umgekehrt Anreize zu schaffen, die eine hinreichende Lehrerversorgung sicherstellen könnten. Dies hat zur Konsequenz, dass sich gegenwärtig eine scharfe Trennungslinie im Gesamt–Lehrkörper der Nation aufbaut, die schärfer nie war: Während einige Kinder und Jugendliche von Lehrern unterrichtet werden, deren Qualität sehr viel besser ist als in der Vergangenheit, wird eine wachsende Zahl von Kindern aus armen Bevölkerungskreisen und aus Minderheiten von Lehrern unterrichtet, die für ihre Aufgabe eigentlich nicht vorbereitet sind. Diese Unterqualifizierung so vieler neu eingestellter Lehrer bringt das Risiko der Zunahme von Ungleichheit der Bildungschancen und Bildungsergebnissen mit sich – mit all den sozialen und gesellschaftlichen Folgeproblemen, die damit verbunden sind. Und das in einer Zeit, in der man von der heraufziehenden Wissensgesellschaft spricht.
Es ist sicher legitim zu fragen, ob nicht die Erhöhung der Standards für den Eintritt in den Lehrerberuf zu einem nachlassenden Interesse von potentiellen Interessenten und schließlich zu Lehrermangel führt. Ebenso kann man fragen, ob mit höheren Standards nicht auch der Zugang von Lehrern aus Minoritätengruppen reduziert wird (wie dies historisch bei der Professionalisierung des Medizinerberufs zu beobachten war). Seltsamerweise ist – historisch gesehen – beim Lehrerberuf jedoch das Umgekehrte der Fall. Sedlak, Schloßman (1986, S. 39) schreiben:
"Es war möglich, auch in Perioden des Lehrermangels die Standards zu erhöhen. Nicht nur hat die Erhöhung von Standards den Lehrermangel nicht vergrößert. Sie hat vielleicht sogar zur Verringerung des Lehrermangels beigetragen – v.a. wenn sie mit Gehaltsanhebungen verbunden war–, und zugleich das öffentliche Ansehen des Lehrerberufs gesteigert".
In den Phasen der Erhöhung der Standards und der Gehälter blieb der Frauen– und Minoritätenanteil in der Lehrerschaft konstant oder wuchs gar. Der Anteil von Berufsanfängern aus Minoritäten ging in den 1970er und 1980er Jahren zurück, und zwar deshalb, weil andere Berufe, die bisher für Minoritäten verschlossen waren, sich öffneten, die Lehrergehälter sanken und schließlich: weil sehr leistungsfähige Studenten sich aus den Lehramtsstudiengängen zurückzogen. (Darling–Hammond, Pittmann, Ottinger 1988). Unterschiedlich hohe Durchfallquoten bei Lehramtsprüfungen (teacher licensing tests) zuungunsten von Minoritätsangehörigen waren teilweise eine Folge der Tatsache, dass sich die fähigeren Studierenden aus Minoritätengruppen besser bezahlten Berufsfelder zuwandten. Als in den späten 1980 und den 1990er Jahren die Lehrergehälter wieder anzogen, ist auch die Zahl der Berufsanfänger aus Minoritäten wieder gestiegen, wenngleich nicht bis zu dem Anteil, den farbige Schüler in unseren Schulen ausmachen (Darling–Hammond 1997).
Derzeit gibt es zwar keinen generellen Lehrermangel, aber doch einen Lehrermangel in spezifischen Bereichen und Feldern. Faktisch werden in den USA Jahr für Jahr insgesamt viel mehr Lehrer ausgebildet als tatsächlich dann auch in den Beruf eintreten. Bereichsspezifischer, punktueller Lehrermangel (spot shortages) entsteht aufgrund von [/S. 72:] Gehaltsunterschieden und Unterschieden in den Arbeitsbedingungen: fehlende Planung, unzureichende nationale, landesbezogene und regionalspezifische Informationen über ausscheidende Lehrer, unabgestimmte Zulassungsbedingungen in den einzelnen Bundesstaaten, inadäquate Anreize für Lehrer in denjenigen Bereichen und Feldern, in denen sie gebraucht werden (NCTAF 1996). Hinzu kommt, dass beinahe 30 % der neu eingestellten Lehrer den Beruf innerhalb der ersten fünf Jahre wieder verlassen (insbesondere in den sozialen Brennpunkten). Die führt dazu, dass ständig nach neuen Lehrkräften gesucht werden muss. Bundesstaaten und Kommunen, die diesen Trend umgekehrt haben, haben dies erreicht, indem sie Gehälter und Arbeitsplatzbedingungen angeglichen, eine vorausschauende Einstellungspolitik und entsprechend ausgerichtete Berufseingangsphasen (induction programs) betrieben und sich insbesondere um die Lehrerversorgung in sozialen Brennpunkten gekümmert haben. Die Schlüsselfrage lautet, ob auch andere Bundesstaaten und Kommunen bereit sind, in solche Strategien zu investieren – oder ob sie statt dessen schlicht und einfach die Standards der Lehrer für die gefährdetsten Kinder aus den machtlosesten Bevölkerungsteilen absenken.
Das vielleicht wichtigste Anliegen der neuen Standards für die Lehrer und die Lehrerbildung liegt darin, dass sich sowohl Lehrerstudenten wie auch Lehrerbildungseinrichtungen an ihnen orientieren können. Der Sinn von Standards liegt ja nicht darin, die Durchfallquote zu erhöhen, sondern die Qualität der Ausbildungs- und Vorbereitungsprogramms zu steigern. Einer der wichtigsten Aspekte der neuen Standards liegt darin, dass sie die Ansprüche an Lehrerkompetenzen klar benennen, indem sie sich auf zentrale Unterrichtsaufgaben konzentrieren. Es geht also nicht länger um die Zusammenstellung von Themenlisten, Inhaltskatalogen und Kursprogrammen, die man absolviert haben muss, und auch nicht um die Überprüfung von abgehobenem Wissen jenseits seines Verwendungskontexts. Die Tatsache, dass Lehramtsstudierende nach eigenen Aussagen von den neuen Standards lernen und dass die Beurteilungen ihnen dabei helfen, ihre beruflichen Handlungsformen (skills) zu entwickeln und zu verfeinern, kann zu einer Steigerung der Qualität von Lehrerarbeit auf breiter Front beitragen.
4. Politik, Verwaltung und Steuerung
Eine zusätzliches Hindernis für einen flächendeckenden Gebrauch von Standards und einer Lösung der Probleme am Lehrerarbeitsmarkt ist die dezentrale, flickendeckenartige (crazy–quilt) Struktur der Bildungssystems und der Bildungsverwaltung in den USA. Die gesamte Struktur, alle beteiligten Institutionen und Gruppen, die das System der Lehrerbildung und der Lehrerversorgung überwachen und managen sowie einen Konsens über der Standards für die Akkreditierung, Lizensierung und der weitergehenden beruflichen Qualifizierung bilden müssten, sind balkanisiert. Verschiedene Regierungsorganisationen (sowohl legislative wie exekutive) auf unterschiedlichen Ebenen (Bund, Staat, Kommune) sind an der Etablierung von Standards sowie an der Entscheidung über Ausbildung und Einstellung beteiligt. Hinzu kommen Berufsverbände (Lehrerverbände, Fachgruppen) und nicht–organisierte Berufsinhaber. Alles, was in einem Bereich des Systems getan wird, kann in einem anderen Bereich sehr leicht wieder aufgehoben werden. Diese Situation erschwert jeden Prozess der Konsensbildung.
Wirksame Standards können unbequem sein, denn sie rücken Unzulänglichkeiten der gegebenen Praxis ins Licht; solche Standards zu erfüllen setzt Veränderungen voraus. Dies führt dazu, dass als Folge einer Erhöhung der Standards Schlupflöcher konstruiert [/S. 73:] werden. In einer Reihe von Staaten (der USA), in denen die Standards für die Zulassung/Lizensierung von Lehrern erhöht worden sind, ist dies eingetreten: Die strengeren Standards gingen zeitgleich einher mit dem Aufkommen temporärer oder alternativer Zugangswege, die es vielen Kandidaten ermöglichte, sich eben nicht an den neuen Standards messen zu lassen. In praktisch jedem Fall werden dann die am schlechtesten vorbereiteten Lehrkräfte für die Arbeit mit den am stärksten benachteiligten Kindern eingesetzt – wodurch eben diesen die Vorteile der Reform und Qualitätssteigerung vorenthalten werden. Umgekehrt haben einige Staaten (der USA) Anreize und Entwicklungsmöglichgkeiten geboten und gleichzeitig Standards erhöht. Auf diese Weise wurde sowohl die Qualität des Unterrichts wie auch die Chancengleichheit erhöht (NCTAF 1996).
Ähnlich unterschiedliche Reaktionen auf die Anstrengungen und Unbequemlichkeiten einer Reform waren im Kontext der Einführung höherer Standards für Lehrerbildungsprogramme zu beobachten: Sobald die NCATE die Standards höher gelegt hatte, wurden alternative Zugangswege installiert, die es dann ermöglichten, dass Schulen ihre bisherige Praxis fortsetzen konnten, ohne sich einer externen Kontrolle anhand professionelle Standards zu unterziehen. Einige Lehrerbildungsinstitutionen haben gemeint, sie könnten ihre je eigenen Standards definieren – und zwar in terms ihrer gegenwärtigen Praxis. Anderer dagegen haben ihre Studiengänge, ihr Personal sowie ihre Lehre aufgewertet und anspruchsvoller gestaltet, um bundesweit gültige Standards zu erfüllen. Letzteres geschah immer dort, wo die jeweiligen Staaten (der USA) darauf insistierten, dass genau dies geschehen müsse.
Eine Umstrukturierung von Rollemustern sowie eine Umverteilung von Ressourcen kann ebenfalls zu Widerständen gegenüber an Standards orientierten Modelle der Lehrerweiterbildung führen, denn "der Versuch, Lehrerweiterbildung an professionellen Standards zu orientieren wurde einen grundsätzlichen Wandel der Balance der Autorität und Kontrolle über die Arbeit von Lehrern und deren Evaluation bedeuten. Es würde auch die traditionellen Methoden der Verteilung von Mitteln für die berufliche Weiterentwicklung verändern" (Ingvarson 1997, S. 6).
Ingvarson nimmt an, dass Arbeitgeber und Universitäten, die traditionell die Mittel und die Entscheidungsgewalt über "professional development" kontrollierten, zunächst sehr zögerlich sein würden bei der Übergabe dieser Mitteln und Entscheidungskompetenz an die Profession selbst. Auch staatliche Stellen würden einer solchen Verlagerung von Entscheidungskompetenz an die Profession selbst kritisch gegenüber stehen. So hat etwa das Council of Chief State School Officers (etwa: Kommission der Obersten Schulbeamten der Bundesstaaten ? –ET) allen Versuchen einzelstaatlicher Institutionen die Unterstützung verweigert, die darauf hinauslaufen, der Profession selbst zur Formulierung von Standards für sich selbst zu autorisieren.
Gleichwohl gibt es Indizien dafür, dass genau dies beginnt. Parallel zu intensiven Bemühungen der Einzelstaaten (der USA) um Standards für die Lehrerbildung zeigen Studien, dass auch das Engagement der Lehrer in Sachen ‚Standards für die eigene Arbeit' zugenommen hat (Darling–Hammond 1997). Bemerkenswerterweise ist das Interesse von Lehrern an Universitätsseminaren zwischen 1994 und 1996 deutlich zurückgegangen, wohingegen die Teilnahme an Lehrerfortbildungen, die auf eine erweiterte Zertifizierung zielten, deutlich gestiegen ist (NEA 1997). Gleichzeitig wurden neuen Formen der Lehrerweiterbildung bzw. der berufsbezogenen Kompetenzsteigerung zwischen Universitäten Schulbezirken und Lehrerverbänden ausgearbeitet, die vielleicht die An– [/S. 74:] zeichen für eine produktivere, synergetische Zukunft des beruflichen Lernens von Lehrern sind.
Eine letzte Barriere sind schließlich die politischen und programmatischen Realitäten, die die gegenwärtigen Praxis stabilisieren. Zu diese Realitäten gehört auch eine geradezu geologische Aufschichtung von Traditionen, die den Lehrplan und das Unterrichten ebenso bestimmen wie auch die Normalitätserwartungen an Unterrichtsprogramme, Absolventen von Lehrerbildung und erfahrene Lehrer. Wenn neue Konzepte und Programme auftauchen, werden nur in den seltensten Fällen alte offiziell und wirklich beendet. Diese widerstrebenden und widerständigen Kräfte müssen zunächst identifiziert werden, bevor man sie angehen kann; nur durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten ist die festgefahrene Struktur zu ändern.
5. Zusammenfassung
Neuere Standards für das Unterrichten versprechen die Aussicht auf eine Reform der Laufbahn von Lehrern und können dazu beitragen, das Lernen im Beruf neu zu ordnen. Der Wert professioneller Standards liegt zum einen in ihrer Authentizität – d.h. in ihrer Fähigkeit, der Komplexität der Interaktionsgeschehens zwischen Lehrern und Schülern, zwischen Inhalten und Kontexten gerecht zu werden. Zum anderen befördert die partizipatorische Struktur der dazugehörigen Beurteilungssysteme eine breitere Wissensentwicklung innerhalb der Profession. Generell wird dadurch die Etablierung von allgemein geteilten Normen gefördert, weil Unterrichten damit öffentlich und kollegial wird (anstatt wie bisher geheim/abgeschottet und individualisiert/vereinzelt durchgeführt zu werden). Standards für das Unterrichten in Verbindung mit Standards für die Lehrerbildung könnten schließlich eine gewisse Struktur und Kohärenz in das fragmentierte, chaotische System des gegenwärtige wohl eher zufälligen beruflichen Lernens von Lehrern bringen.
Standards für den Lehrerberuf sind kein Wundermittel. Sie können nicht die Probleme dysfunktionaler Schulorganisation, überalterter Lehrpläne, ungleichgewichtiger Ressourcenallokation oder fehlender sozialer Unterstützung von Kindern und Jugendlichen lösen. Wie alle Reformen, so bergen darüber hinaus auch Standards bestimmte Gefahren. Die Definition von Standards in allen Professionen muss der Gefahr begegnen, dass die berufliche Praxis durch die Kodifizierung von Wissen eingeschränkt wird und dadurch legitime Diversität im Feld sowie auch neue Erkenntnisse unterdrückt werden, dass die Zugänge zum Beruf über Gebühr durch Faktoren erschwert werden, die mit der beruflichen Kompetenz selbst nichts zu tun haben, oder dass schließlich die Voraussetzungen und Chancen zur Erfüllung dieser Standards ungleich verteilt sind. Obwohl zahlreiche Dilemmata existieren und manche Barriere überwunden werden muss, geben die entsprechenden Anstrengungen von Pädagogik und Bildungsadministration Anlass zu der Hoffnung, dass die neuen Standards für das Unterrichten einen wichtigen Beitrag für die Erziehung der Erzieher leisten – für solche Erzieher, die auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet sind. [/S. 75:]
(1) Die Bezeichnung Auszubildende bezieht sich auf Personen,
die Lehrer werden wollen, auf Lehrer, die sich beruflich weiterentwickeln wollen,
und auf solche Personen, die sich auf neue Funktionen im Schulbereich vorbereiten,
wie Schulleiter, Schulpsychologen, Spezialisten für Medien in Schulen etc.
(2) Institutionenstandards werden im Programm der Einrichtung
dargelegt und begründet und schliessen die Ergebnisse/Leistungen von Auszubildenden
ein.
Darling-Hammond, L. (1997): Doing what matters most: Investing in Quality Teaching. New York: National Commission on Teaching and America's Future.
Darling-Hammond, L./Pittmann, K.J./Ottinger, C. (1988): Carreer Choices for Minorities: Who will teach? Paper prepeared for the National Education Association/Chief State School Officers Task force on Minorities in Teaching.
Ingvarson, L.(1997): Teaching Standards: Foundations for Professional Development Reform. Clayton, Victoria, Australia: Monash University.
NCTAF = National Commission on Teaching and America's Future (1996): What matters most: Teaching for America's Future. New York: Teachers College, Columbia University.
NEA = National Educational Association (1997): Status of the American Public School teacher, 1995-96. Washington, D.C.
Sedlak, M./Schlossman, S. (1986, Nov.): Who will teach? Historical perspectives on the changing Appeal of Teaching as a Profession (R-3472). Santa Monica, CA: The RAND Corporation.
Sykes, G. (1990): Sources of Justification for Knowledge Claims in Teaching. In: The Assessment of Teaching: Selected Topics. Amherst, MA: National Evaluation Systems, S. 11-29.
Wilson, S.M/Ball, D.L. (1996): Helping Teachers meet the Standards: New Challenges for Teacher Education. In: The Elementary School Journal 97(1996), S. 121-138.