Im Folgenden wird nach Standards für ausgebildete Personen, Standards für Institutionen der Ausbildung sowie drittens Standards für dasjenige Steuerungssystem differenziert, das für Lehrerbildung zuständig ist. Für jede dieser drei Ebenen sind spezifische Standards zu formulieren; ebenso sind unterschiedliche Evaluationsinstrumente anzusetzen.
In der ersten, universitären Phase der Lehrerbildung sollten bei den Studierenden bzw. Absolventen folgende Ziele erreicht werden:
Diese vier hier nur formal abgegrenzten Kompetenzen werden als aufeinander aufbauend betrachtet (Stufen–Modell).
Die zweite Phase im Studienseminar (Referendariat) baut hierauf auf und schließt sich an. Hinsichtlich der hierauf bezogenen Personenstandards lässt sich folgende Aufgabe formulieren:
Entwicklung und Erprobung der eigenen beruflichen Handlungs– und Reflexionsfähigkeit
Für die 1. Phase sind (mit Blick auf Personenstandards) folgende vier Bereiche von Bedeutung:
(1) Ein solides systematisch, methodisch und wissenschaftsgeschichtlich gestütztes Wissen in den und über die Unterrichtsfächer(n) ist eine conditio sine qua non. Dies gilt für alle Lehrämter und alle Fächer – die Grundschullehrerbildung steht somit keineswegs zurück, da sie ebenfalls eine spezifische wissenschaftsbasierte Fachlichkeit aufweist. Dabei ist das Disziplinen– bzw. Fächerwissen, das die Universität an Lehramtsstudierende vermittelt, deutlicher als bisher auf die Horizonte der schulischen Lehrpläne zu beziehen. Zugleich sollte nicht nur ein solides Fachwissen innerhalb des jeweiligen Faches, sondern auch der Blick von außen auf die Disziplin und das Fach vollzogen werden (Geschichte und Entwicklung, grundlegende Erkenntnis- und Methodenprobleme, Verknüpfung mit anderen Disziplinen, gesellschaftliche Bedeutung und Vermittlung des Faches etc.); diese letztgenannten Punkte sind übrigens nicht nur für die Lehramtsstudierenden dieses Faches von Bedeutung, sondern für alle Studierende dieser Disziplin. Die Disziplinen bzw. Fächer selbst sollten sich viel stärker als bisher in die Diskussion um die Lehrerbildung und deren Inhalte und Standards einmischen. Dabei wäre es ein falscher Weg, wenn die Disziplinen/Fächer die Angebote für die zukünftigen Lehrer gänzlich aus dem Angebot für ihre Hauptfachstudierenden (Diplom, Magister etc.) ausgliedern, also gewissermaßen bereits in der Universität eine vereinfachte Variante bieten: Die lehramtsbezogenen Veranstaltungen sollen – auf der Basis einer Verständigung über das für den (jeweiligen) Fachunterricht Notwendige und Sinnvolle – in großen Teilen, insbesondere bei den Grundlagen, mit den Hauptfachstudiengängen verknüpft sein.
Es ist eines der schon traditionellen und ganz großen Defizite der Diskussion um die Lehrerbildung, dass die wissenschaftlichen Disziplinen bzw. die Schulfächer – beides ist natürlich nicht identisch – sich in dieser Debatte so stark zurückhalten. Sie sollten sich allerdings allmählich selbst fragen, wie lange sie sich dieses Schweigen noch leisten wollen und können. Dabei ist nicht nur an die Tatsache zu erinnern, dass in sehr vielen Universitätsdisziplinen bzw. Fachbereichen große Teile der Personalkapazität nur deshalb vorhanden sind, weil es Verpflichtungen in der Lehrerbildung gibt. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Disziplinen selbst – ganz unabhängig von der Lehrerbildung – sich dem Problem der Vermittlung ihrer Erkenntnisse, Probleme und Chancen in die Öffentlichkeit hinein mehr Aufmerksamkeit widmen sollten. Auch im Rahmen der Erprobung konsekutiver Lehrerbildung (Bachelor/Master–Strukturen) dürfen die Fächer nicht aus der Verantwortung für diese Aufgaben entlassen werden; sowohl in der Bachelor–Stufe sind deshalb Bereiche vorzusehen, die einen reflexiven Rückbezug auf [/S. 31:] Fächer und ihre Grenzen, auf fächerverbindende und fächerunabhängige Kompetenzen, auf Argumentations– und Vermittlungskompetenz etc. abzielen.
(2) Im Bereich des erziehungswissenschaftlichen und schulpädagogisch-didaktischen Wissens ist die tatsächlich erreichbare Wirkung immer vergleichsweise bescheiden anzusetzen; das erziehungswissenschaftliche Studium nimmt je nach Bundesland schließlich nur zwischen 5 % und ca. 20 % des Gesamtvolumens eines Lehramtsstudiengangs ein. Wenn es gelingt, als Ergebnis dieser teilweise nur 8 SWS, z.T. aber auch 32 und mehr SWS Absolventen zu bekommen, die etwas über Theorie und Geschichte der Schule wissen, die aktuelle bildungspolitische Kontroversen einzuordnen vermögen, die Lern–, Entwicklungs– und Sozialisationstheorien kennen, denen die Lern– und Entwicklungsprobleme von Kindern und Jugendlichen nicht fremd sind, die sich in den Didaktiken auskennen, um die Problematik der Leistungsbeurteilung wissen und mit Ergebnissen der empirischen Unterrichtsforschung etwas anfangen können – wenn alles dies regelmäßig tatsächlich erreicht werden könnte, wäre verglichen mit dem jetzigen Stand schon viel erreicht. Keineswegs jedoch kann man erwarten, dass das erziehungswissenschaftliche Studium innerhalb der universitären Lehrerbildung (1. Phase) den Absolventen gewissermaßen berufsfertig entlässt.
(3) Ein ganz wichtiger Standard universitärer Lehrerbildung lautet: Ein Absolvent muss fachdidaktisch analysieren und argumentieren können. Er muss dazu in der Lage sein, sein Fach bzw. seine Fächer unter dem Gesichtspunkt der Lehrbarkeit und Lernbarkeit – auch unter dem Gesichtspunkt von Lernschwierigkeiten bei Schülern sowie unter dem Gesichtspunkt der Fächergrenzen und deren Überwindung – zu erörtern. Während das fachbezogene Wissen sich lediglich auf zu vermittelnde Inhalte und deren Hintergründe bezieht, und das in die Lehrerbildung eingebaute erziehungswissenschaftliche Wissen ‚inhaltsneutral' und eher allgemein auf Probleme und Prozesse des Schulsystems, des Unterrichts und des Lehrerberufs abhebt, bietet das Feld der Fachdidaktik die Möglichkeit einer Verschränkung von inhalts– und prozessbezogener Perspektive. Genau dies ist ein zentrales Element innerhalb der Lehrerkompetenz.
Um dies in der 1. Phase anbahnen und erreichen zu können, muss die Fachdidaktik einen angemessenen Platz innerhalb des Lehrerbildungscurriculums erhalten (s.u.). Dies kann am Ende der ersten Phase noch nicht vollständig unterrichtspraktisch durchdekliniert sein; gleichwohl wird jede zukünftige Lehrerbildung diesen fachdidaktischen Standard ernster nehmen müssen als bislang. Auch dies gilt unabhängig von der Frage: konsekutiv oder grundständig!
(4) Schließlich: Ein Absolvent der 1.Phase sollte dazu in der Lage sein, seine Berufswahl auch vor dem Hintergrund von praktischen Erfahrungen während schulpraktischer Studien zu reflektieren und zu vertreten. Die Erfahrung der eigenen Person in der Schu– [/S. 32:]le, mit Kindern und Heranwachsenden, mit Eltern und Kollegen ist ein wichtiges Element innerhalb der studentischen Sozialisation. Schulpraktische Studienelemente sind dabei nicht schon ‚an sich' positiv – etwa in dem Sinne, dass diejenige Lehrerbildung die beste ist, die die meisten Praktika enthält: Es kommt nicht darauf an, schon im Studium das Einsozialisieren in bestehende Berufsroutinen und –kulturen anzubahnen oder zu ‚üben', sondern es muss darum gehen, neben der Erprobung der eigenen Person den kritisch–reflektierenden Blick sowohl auf die bislang im Studium vermittelten Inhalte wie auch auf die in der Praxis angetroffene Realität zu entwickeln. Zielperspektive kann das ‚forschende Lernen' sein. Inwieweit es tatsächlich dazu kommt, und inwieweit die Lehrenden in den Fachdidaktiken wie in den am erziehungswissenschaftlichen Studium beteiligten Disziplinen dies anzuleiten bereit und in der Lage sind – auch dies wird eine interessante Frage für die Evaluation sein.
Standards für die ausgebildeten Lehrer (Absolventenstandards):Die Standards für die ausgebildeten Lehrer werden getrennt für die 1. und 2. Phase ausgewiesen. Sie orientieren sich einerseits an bestimmten inhaltlichen Bereichen (senkrechte Achse) und andererseits an unterschiedlichen Ebenen (Stufen) der Kompetenz (waagerechte Achse):
1. Phase:
Bereiche | Wissen | Reflexion | Kommunikation | Urteil |
Unterrichtsfächer | XXX | XX | XXX | XX |
Fachdidaktiken | XXX | XXX | XXX | XX |
Erziehungswissenschaften | XXX | XXX | xxx | xx |
Schulpraktische Studien | xx | xxx | xxx | xx |
Für diese vier Bereiche (Unterrichtsfächer, Fachdidaktiken, Erziehungswissenschaften, Schulpraktische Studien) werden jeweils Standards formuliert: [/S. 33:]
10 Standards für die Unterrichtsfächer(17)
10 Standards für die Fachdidaktiken
10 Standards für das erziehungswissenschaftliche Studium
Bereiche | Wisen | Reflexion | Urteil | Können |
Kompetenz in den Unterrichtsfächern | X | XX | XXX | XXX |
Kompetenz in fachdidaktischer Hinsicht | X | XX | XXX | XXX |
Kompetenzen in pädagogischer Hinsicht | X | XX | XXX | XXX |
Kompetenzen in Schul–/Unterrichtsentwicklung | X | XX | XXX | XXX |
10 Standards für die Absolventen der 2. Phase:
Damit sind personenbezogene Standards benannt, die am Ende der ersten und zweiten Phase erfüllt sein sollten. Entscheidend ist, ob man Modalitäten des Evaluierens/Prüfens findet, die es erlauben, das Vorliegen bzw. auch den relativen Grad des Vorliegens dieser Standards zu ermitteln.
Hinsichtlich einer Erfassung der Ergebnisse der 1.Phase im Bereich der erziehungswissenschaftlichen Studien liegen einige wenige punktuelle Forschungen vor.(18) Eine (nicht repräsentative) Studie über die u.a. auf das erziehungswissenschaftliche Begleitstudium bezogenen Lesegewohnheiten von Wigger (2000; Keiner 2000) bringt eher deprimierende Ergebnisse. Befragungen von Absolventen zur Einschätzung der Qualität und des Wertes ihrer Ausbildung sind nicht unwichtig, unterliegen jedoch starken Verzerrungen. Evaluation von Ausbildung muss mehr sein als eine nachgängige Befragung von Absolventen zu Erfahrungen und Wert der Ausbildung: Die tatsächlich erworbenen Kompetenzen müssen – an Standards orientiert – erfasst werden.
Der aktuellste und am weitesten ausgearbeitete Versuch einer solchen Evaluation der erziehungswissenschaftlichen Studienanteile wird derzeit von A. Nolle an der Universität Dortmund (Institut für Schulentwicklungsforschung) durchgeführt (Dissertation): Erfasst werden Lehramtsstudierende der Universitäten Bremen (n=26), Dortmund (287), Leipzig (309) und Erlangen–Nürnberg und Bamberg (n=264). Somit lagen insgesamt 886 auswertbare Fragebögen vor. Einschränkend muss angemerkt werden, dass es [/S. 36:] sich um eine Befragung von Studierenden handelt; 508 der Befragten befanden sich noch im Grundstudium! Insofern kann man nicht von einer Analyse der Wirkungen des erziehungswissenschaftlichen Studiums sprechen; es handelt sich vielmehr um eine Befragung der Teilnehmer während des Prozesses der Lehrerbildung zum erziehungswissenschaftlichen Ausschnitt des Lehramtsstudiums. Darüber hinaus erfolgt diese Evaluation nicht mit Blick auf vorab definierte Standards (also gewissermaßen ‚lernzielorientiert'), sie erfolgt vielmehr als eine Erfassung des Zustandes, die erhaltene Verteilungen (Durchschnitte, Abweichungen etc.) zeigt (also gleichsam ‚durchschnittsorientiert').
Hinsichtlich der Vorgehensweisen bei der Überprüfung des Grades der Erreichung von Standards sind – bei der Personenevaluation – verschiedene Formen praktikabel und praktiziert worden:
Vier Stufen einer an Standards orientierten EvaluationDiese vier Formen einer an Standards orientierten Evaluation (auf der Personenebene) sind auf einer Skala von einfach/wenig aussagekräftig bis anspruchsvoll/sehr aussagekräftig anzuordnen; sie stellen Stufen dar. Die Selbsteinschätzung, die bislang dominierte, auch noch in der Schweizer Studie, sollte in dem angestrebten Evaluationen keines– [/S. 37:] wegs die alleinige Basis sein – sie sollte sogar weitgehend minimiert werden. Die zweite Stufe – testdiagnostische Verfahren (Papier und Bleistift) sollte dominieren, da mit ihr aussagekräftigere Informationen gewonnen werden können. Sie sollte aber – zumindest punktuell – durch Beobachtungs–/Beurteilungsverfahren mit Blick auf das berufliche Handeln ergänzt werden; dies in einem quantitativ begrenzten Rahmen. Die vierte Stufe – Erfassung der Wirkungen bei Schülern – halte ich, wie oben bereits dargelegt, angesichts der immensen theoretischen und methodischen Probleme, des sehr hohen Aufwandes und der am Ende nicht präzise zu ermittelnden Zusammenhänge zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht opportun: Der ungewöhnlich hohe Aufwand stünde in keinem Verhältnis zum unsicheren Ertrag.
Insofern besteht die Aufgabe bei der Personenevaluation darin, die Standards weiter zu konkretisieren und auf dieser Basis dann sowohl geeignete diagnostische Instrumente zu entwickeln wie auch entsprechende ergänzende Beobachtungsverfahren. Wenn sich dann etwa zeigen ließe, dass – richtig konstruiert und durchgeführt – diagnostische Verfahren zuverlässig zu ähnlichen Ergebnissen kommen wie Beobachtungsverfahren, so könnte man auf letztere – da aufwendig – verzichten. Genau dies aber muss vorher erprobt werden.
Standards betreffen nicht nur auszubildende Personen, sondern auch diejenigen Institutionen, die deren Ausbildung zu organisieren haben. Ich differenziere dabei nach
Eine Universität, in der Lehrerbildung stattfindet, sollte folgende Standards erfüllen (vgl. dazu bereits die "Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland"; Terhart 2000):
Solche Qualitätsmerkmale für Lehrerbildungsinstitutionen (hier: 1. Phase) werden aber vermutlich nur entwickelt werden und lassen sich hinsichtlich ihrer Erfüllung nur evaluieren, wenn auch die leitende Instanz für das Gesamtsystem Lehrerbildung spezifische Standards erfüllt. Das bedeutet schlicht: Auch Bildungsministerien bzw. hier: die in ihnen für Lehrerbildung verantwortlichen Abteilungen und Gruppen müssen selbst Standards erfüllen (s.u.)!
Fragen an die Institutionen der 1. Phase:
Die Institutionen und Programme der zweiten Phase unterliegen einer ähnlich starken Kritik wie diejenigen der ersten Phase; jedenfalls wäre es inadäquat, bei der Evaluation von Lehrerbildung immer nur die Universitäten im Blick zu nehmen. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Aufgaben müssen die Anforderungen an Institutionen der zweiten [/S. 41:] Phase anders geartet sein als diejenigen für die erste Phase. Wendet man die Kritik an der zweiten Phase konstruktiv, so lassen sich folgende Anforderungen benennen (vgl. dazu auch die "Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland"; Terhart 2000):
Fragen an die Institutionen der 2. Phase:
Prüfungen: Die Praxis der Lehramtsprüfungen ist bislang vollkommen unerforscht. Ebenso sind die Einstellungsmodalitäten noch keiner genaueren Analyse unterzogen worden. Dies mag einerseits erstaunlich vorkommen – andererseits werden diese Bereiche/Stationen innerhalb der Berufsbiographie von Lehrern als administrative Schaltstellen betrachtet, denen man eine rechtliche Form und einen Verwaltungsablauf zuordnen muss. Das ‚Wissen' über diese Prozeduren, ihre alltäglichen Abläufe, ihre Konflikte und Kuriositäten steht gewissermaßen in den Wissenschaftlichen Landesprüfungsämtern für die Lehrämter (wohl eher implizit) zur Verfügung. Am Ende der 1. Phase prüfen Universitätsangehörige (im Beisein von Vertretern der Schuladministration) in ihrer Rolle als ernannte Mitglieder des Prüfungsamtes. Am Ende der 2.Phase prüfen Fachleiter, Seminarleiter, Ausbildungslehrer und (z.T.) Schulleiter. Art, Zahl, Umfang, Reihenfolge und Gewichtung der verschiedenen Prüfungselemente bei den beiden Staatsexamina variieren in den Bundesländern. Die Note(n) aus beiden Staatsexamina sowie z.T. weitere personenbezogene Faktoren gehen in die Berechnung von Punktzahlen (o.ä.) ein, die dann wiederum (ausschließlich oder in Kombination mit anderen Elementen) die Voraussetzung für die Einstellung sind. Ihr prognostischer Wert für den späteren Berufserfolg bzw. –misserfolg ist bislang noch nicht empirisch überprüft worden. Die in dieser Expertise empfohlene Evaluation anhand von Standards kann auch dazu dienen, die Examensnoten der evaluierten Personen an einem Außenkriterium (den Standards) zu validieren.
Fragen an das Prüfungsverfahren:
Einstellungen: Die Zuweisung von Bewerbern zu Regionen, Schulformen/–stufen und schließlich: zu Schulen erfolgt in einem sehr komplexen, mehrstufigen Verfahren, das in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt wird. Details brauchen hier nicht dargelegt zu werden – entscheidend ist, dass die Einstellung selbst zu arbeitsrechtlich unterschiedlichen Positionierungen führen kann (Angestellte oder Beamte mit ganzer oder reduzierter Stelle/Stundenzahl). Formal gibt es Probezeiten – die jedoch de facto kaum jemals unmittelbar negativ enden. Lebenszeitverbeamtung kann ggf. nach einer formalen Revision drei Jahre später ausgesprochen werden. Die Praxis der Einstellungsprozedur ist sehr stark vom Schwanken der Relation zwischen Bewerberangebot und der Art und Zahl der zu besetzenden Stellen bestimmt. Historisch wie auch aktuell werden Zulassungswege gekürzt und Zulassungsbarrieren gesenkt, wenn die Bewerberzahl geringer wird oder zu gering ist – und umgekehrt.
Eine systematische Untersuchung der Auswirkungen einer (bei Bewerberüberhang) sehr rigiden An– und Einstellungspolitik bzw. einer bei Bewerbermangel notwendigen, übli– [/S. 44:] che Standards unterschreitenden Einstellungspolitik(19) sind bislang nie unternommen worden.
Fragen an den Einstellungsprozess:
Das Gesamtsystem Lehrerbildung wird m.E. derzeit nicht wirklich an einer Stelle zentral und aus einem Gedanken heraus organisiert und kontrolliert; es fehlt so etwas wie "governance" für Lehrerbildung als Gesamtaufgabe (vgl. Clark, McNergney 1990). Die Kompetenzen auf Bundesebene (KMK–Vereinbarungen etc.) sind begrenzt; in den Bundesländern erfolgt eine Organisation und Kontrolle durch die zuständigen Landesministerien. Auf Bundes– wie auf Landesebene ist die Verantwortung sehr verteilt, ja beinahe zersplittert, sodass sich auch am Ende niemand wirklich verantwortlich fühlt noch verantwortlich gemacht werden kann. Hinzu kommen unterschiedliche Sichtweisen und Interessen der beteiligten Instanzen: Erwähnt sei nur die sehr differente Sicht der Lehrerbildung durch die Wissenschaftsseite einerseits und die Kultus– und Schulseite andererseits; dies gilt bundesweit auf der allgemeinen Ebene der Diskussion wie auch dort, wo in einem Bundesland in einem Ministerium Wissenschafts– und Schulabteilung für Lehrerbildung zuständig sind. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang auch die beiden Phasen der Lehrerbildung, die ja immer noch weithin getrennte Welten sind.
Man kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass in den Ministerien und auch in den unterschiedlichen Experten– und Evaluationskommissionen häufig nur sehr punktuelle, an persönliche Eindrücke gebundene und z.T. auch veraltete Informationen über den tatsächlichen Zustand der Lehrerbildung an den einzelnen Standorten und dort in den einzelnen Fächern vorliegen. Dies ist umso misslicher, weil auch weiterhin eine gewisse klassische Systemsteuerung durch Lehrerausbildungsgesetz, durch Lehramtsprüfungsordnung, durch Hinweise für Studienordnungen, durch die staatlichen Prüfungsämter ebenso unvermeidlich wie notwendig sein wird. Und auf dieser Lenkungs– [/S. 46:] ebene sollten möglichst ausführliche, präzise und aktuelle Informationen über die Realität der Lehrerbildung an den verschiedenen Hochschulen vorliegen. Es ist also für die Ebene der Systemsteuerung der Lehrerbildung von entscheidender Bedeutung, sich selbst Klarheit darüber zu verschaffen, wie viel man eigentlich wirklich über denjenigen Bereich weiß, den man zu organisieren hat – und woher man dies weiß.
Über die klassischen Steuerungsinstrumente wie Lehrerbildungsgesetze, Lehramtsprüfungsordnungen, dem Recht der Genehmigung von Studienordnungen, der Aufsicht über staatliche Prüfungsämter etc. hinaus (klassisches bürokratische Steuerung) sollte als ein neues Instrument die Erarbeitung eines Rahmens (!) für Kerncurricula in der Lehrerbildung oder zumindest eines Verfahrens zur Erarbeitung dieser Curricula in Angriff genommen werden.(21) Die bisherigen Themenkataloge in den Fächern und in Erziehungswissenschaft können dafür einen Ausgangspunkt bilden, sie sollten jedoch aktualisiert, stärker lehrplanbezogen formuliert und v.a. unter Einbezug von Kompetenzen reformuliert werden. International spricht man in diesem Zusammenhang von einem Trend weg von contents zu competencies. Mit Blick auf das deutsche, zweiphasige System der Lehrerbildung wird man das Verhältnis von content und competencies natürlich phasenspezifisch ausgestalten müssen, d.h. die 1. Phase wird noch stärker wissensorientiert sein bzw. auf den Umgang mit Wissen ausgerichtete Kompetenzen aufzubauen haben, wohingegen die 2. Phase auf dieser Basis stärker in Richtung auf den Aufbau von zwar wissensbasierten, aber dann doch praktisch–beruflichen Kompetenzen zu arbeiten hat.
Der entscheidende Punkt aber ist: Ein Lehrerbildungssystem hat als einen wichtigen Standard einen solchen inhaltlichen oder doch zumindest verfahrensbezogenen Rahmen für Kerncurricula in der Lehrerbildung auszuweisen.
Damit aber ist es natürlich nicht getan: Denn nun muss – siehe oben den Hinweis auf die Notwendigkeit zuverlässiger Informationsbeschaffung – geprüft werden, inwieweit die Lehrerbildungsinstitutionen diese ihnen übertragenen Aufgaben sowie den Rahmen der Kerncurricula auch tatsächlich erfüllen. Es ist ja in der Tat erstaunlich: als Ergebnis der Lehrerbildung liegen zahllose Noten vor – bis auf zwei Stellen hinter dem Komma scharf, individualbiographisch von höchster Relevanz, und bundesweit zunehmend besser werdend! Was aber die ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer wirklich wissen und [/S. 47:] können, wissen wir nicht. Ein immerhin positiver Nebeneffekt der Modellversuche zur gestuften Lehrerbildung wird sein, dass man vergleichend diese Modelle evaluiert, und zwar intern wie extern. Wenn dies wirklich ernst gemeint ist, wird man die Wirkung von Modellversuchen bzw. von herkömmlicher Lehrerbildung unter Bezugnahme auf die Fähigkeiten der Ausgebildeten empirisch vergleichen müssen – eine wirklich interessante forschungsmethodische Aufgabe. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.(22)
Fragen an das Steuerungssystem: