Dirk Loerwald und Andreas Zoerner gehen der Frage nach, inwieweit sich Standards für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern der ökonomischen Bildung formulieren lassen. Vor dem Hintergrund der hochschulpolitischen und bildungstheoretischen Rahmenbedingungen schlagen sie Mindeststandards unter dem Label "Ökonomische Bildung" für alle Lehramtsstudiengänge vor und stellen exemplarisch das Münsteraner–Modell" vor.
Im Rahmen der Umstellung auf eine neue Steuerung im deutschen Bildungswesen wird die herkömmliche Inputorientierung um Elemente der Outputkontrolle ergänzt. Die Entwicklung von Standards und die Überprüfung der Standarderreichung sind zentrale Elemente in diesem bildungspolitischen Reformprozess. Bildungsstandards – so die Hoffnung – können den Lernenden ebenso wie den Lehrenden Orientierung stiften, indem sie Transparenz über die erwarteten Leistungen herstellen. Sie sind – für alle gleichermaßen verbindliche – Zielvorgaben. Damit fördern sie nicht nur den pädagogischen Zielsetzungsprozess, sondern sorgen darüber hinaus auch für ein Mindestmaß an Gleichheit der Abschlüsse und schützen vor Beliebigkeit.
Die Deutsche Gesellschaft für Ökonomische Bildung (DeGöb) hat im Mai 2004 ein Kompetenzmodell und – darauf aufbauend – abschlussbezogene Bildungsstandards für die ökonomische Bildung für den mittleren Schulabschluss veröffentlicht. Damit liegt ein erster Entwurf vor, der all die Unterrichtsfächer auf den bildungspolitischen Paradigmenwechsel von der Input- zur Outputsteuerung vorbereiten soll, in denen die ökonomische Bildung curricular verankert ist.
Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen deutschlandweiten Studienreformen stellt sich nun auch die Frage, ob und wie Standards für die Lehrerbildung definiert werden können. Zur Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung im Rahmen der ökonomischen Bildung hat sich im Anschluss an die DeGöb–Jahrestagung im März 2005 auf Initiative von Andreas Fischer eine Arbeitsgruppe gebildet, deren Aufgabe es ist, einen Entwurf für ein Memorandum "Lehrerausbildung und ökonomische Bildung im BA und MA" zu erarbeiten(2). In einem solchen Memorandum ist unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen des Bolognaprozesses und der bildungstheoretischen Zielsetzungen einer ökonomischen Bildung die Frage zu beantworten: Was sollen Lehramtsstudierende in der ökonomischen Bildung am Ende ihres Studiums wissen und was sollen sie können? Mit anderen Worten: Lassen sich – auch über die Grenzen von Bundesländern hinweg – Standards formulieren, denen eine professionelle Ausbildung von Lehrkräften der ökonomischen Bildung folgen sollte? Um die Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung geht es in dem vorliegenden Diskussionsbeitrag.
Vorweg vier grundsätzliche Anmerkungen:
Im Folgenden sollen zunächst die hochschulpolitischen und die bildungstheoretischen Rahmenbedingungen für die Konzeption von Standards für die Lehrerbildung in der ökonomischen Bildung dargelegt werden. Daran anknüpfend stellen wir unseren Entwurf dar und erläutern die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Konzeption von Studiengängen. Abschließend veranschaulichen wir die theoretischen Ausführungen exemplarisch an dem in Münster bereits akkreditierten Bachelor ‚Ökonomik' und den dazu geplanten Masterstudiengängen.
Bundesweit werden in den Hochschulen und Universitäten umfangreiche, insbesondere personelle Ressourcen für die Einführung eines Systems gestufter Studiengänge beansprucht. Die ersten Modellversuche laufen und diverse Bachelorstudiengänge sind bereits akkreditiert. Auch wenn der Studienreformprozess von mannigfacher Kritik begleitet wird (vgl. z.B. van Lith 2005), so birgt er für die Einführung von Bildungsstandards in der Lehrerbildung eine große Chance. Die Standards müssen nicht nachträglich in bestehende Studiengänge implementiert werden, sondern können bei der Neukonzeption von Lehramtsstudiengängen, also bereits in deren Entwicklungsphase, Berücksichtigung finden. Durch die Stärkung fachwissenschaftlicher Studienanteile in der Bachelorphase kann eine solide und systematisch aufeinander aufbauende fachliche und fachdidaktische Lehramtsausbildung sichergestellt werden. Dies impliziert umgekehrt, dass die durch die aktuelle Studienreform gegebenen Rahmenbedingungen bei der Entwicklung von Standards mitzudenken sind.
Die aktuelle Studienreform in den deutschen Universitäten und Hochschulen ist Bestandteil des europaweiten Bologna–Prozesses und im Wesentlichen gekennzeichnet durch die Einführung eines Systems vergleichbarer Abschlüsse (sechssemestriger Bachelor mit einem Workload von 180 Leistungspunkten/ viersemestriger Master mit einem Workload von 120 LP/ Ausstellung eines Diploma Supplement etc.), durch die Einführung eines Studiensystems, das sich im Wesentlichen auf zwei Hauptzyklen stützt (konsekutive Studiengänge/ Polyvalenz), durch die Einführung eines Leistungspunktesystems, durch die Modularisierung des Veranstaltungsangebotes und durch die Förderung der internationalen Mobilität in und nach dem Studium, der europäischen Zusammenarbeit sowie der erforderlichen europäischen Dimension im Hochschulbereich (vgl. Bologna–Deklaration vom 19.06.1999).
In Bezug auf die Lehrerbildung ist die geforderte Polyvalenz des Bachelorabschlusses der strittigste und mit den meisten Herausforderungen verbundene Aspekt im Rahmen dieser Studienreform (vgl. z.B. Tramm 2001). Den Lehramtsabschluss innerhalb eines Systems polyvalenter Studiengänge zu verankern, hat zur Folge, dass die Inhalte des Bachelorstudiums für mehr bzw. auch anderes als den Lehrerberuf qualifizieren müssen. Dies bedeutet, dass Lehramtsspezifisches eben nicht im Vordergrund der Bachelorausbildung stehen kann. Dies legt eine weitgehende Aufteilung der fachwissenschaftlichen und fach– sowie allgemeindidaktischen Studienanteile auf die beiden Studienstufen nahe und impliziert gleichsam den Ausstieg aus einer grundständigen Lehramtsausbildung. In der Bachelorphase findet vor allem die fachwissenschaftliche Ausbildung statt. Angesichts der mit dem Bachelorabschluss angestrebten Polyvalenz bedeutet dies, dass sich fachwissenschaftliche Studieninhalte sowohl an den Bedürfnissen späterer Lehrkräfte orientieren als auch eine möglichst breite und anschlussfähige fachwissenschaftliche Grundlage legen müssen. Erst der Master schließt mit einem für das Lehramt qualifizierenden Abschluss ab. Damit wird auch dem sachlogischen Zusammenhang von Inhalt und Methodik Rechnung getragen: Inhalte beziehen sich auf das "was?", Methodik auf das "wie?". Letztere ist sachlogisch nachzulagern.
Ein solches Modell polyvalenter Lehramtsstudiengänge wird innerhalb der Bildungswissenschaften kontrovers diskutiert. Kernpunkte der Kritik am polyvalenten BA/MA–Modell sind zum einen didaktisch–pädagogische Bedenken, die eine professionelle Ausbildung von Lehrkräften nur im Rahmen von grundständigen Lehramtsstudiengängen gewährleistet sehen. Zum anderen sind dies organisatorische Probleme der Vereinbarkeit eines Lehramtsstudiums mit anderen universitären Studienabschlüssen, denn Lehramtsstudiengänge sind aufgrund staatlicher Rahmenvorgaben und der Bündelung verschiedener Fächer innerhalb eines Studienganges schon immer schwer mit anderen Studiengängen vereinbar gewesen.
Wir halten gleichwohl die Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf ein konsekutives Studienmodell für einen richtigen und zukunftsfähigen Weg. Vor allem drei Gründe sprechen u.E. für eine solche Reform: Erstens birgt die Einführung polyvalenter Bachelorstudiengänge für die Studierenden den Vorteil der internationalen Mehrwertigkeit (Vergleichbarkeit, Austauschbarkeit von Studienelementen etc.) und der Vielfalt an Studienoptionen. Verzichtet man auf Polyvalenz, dann verzichtet man auch auf diese Vorzüge. Zweitens würden eigenständige Lehramtsstudiengänge in einem System gestufter Studiengänge an den Hochschulen zunehmend an den Rand gedrängt, wenn sie zwar formal gestuft angeboten würden, Polyvalenz in der Bachelorphase dabei jedoch faktisch ignoriert würde. Ein Ausstieg aus ‚echten' BA/MA–Modellen wäre vorprogrammiert, wenn spezielle BA–Abschlüsse lediglich für das Lehramt qualifizieren. Drittens ist auch für ein Lehramtsstudium das fachwissenschaftliche Studium die unverzichtbare Basis, sodass mit einem eher fachwissenschaftlichen Bachelor und einem nachgelagerten (fach–) didaktischen Lehramtsmaster ein systematischer Studienaufbau gewährleistet werden kann. Dass dies nicht nur eine wissenschaftstheoretische Position, sondern auch ein konkretes Anliegen von Lehrkräften aus der Schule ist, belegt die Kritik der Lehrerverbände an der geplanten Studienreform in Rheinland-Pfalz (vgl. Philologenverband 2002).
Neben den Rahmenbedingungen, die durch die Umstellung der Lehrerbildung auf BA/MA–Studiengänge gesetzt sind, steht die ökonomische Bildung vor besonderen Herausforderungen, wenn es darum gehen soll, Standards für die Lehrerbildung zu entwickeln.
Kompetenzmodelle und Bildungsstandards sind immer an ein bestimmtes Unterrichts– bzw. Studienfach gekoppelt, ganz gleich ob sie für Schülerinnen und Schüler oder für Lehramtsstudierende formuliert werden. So entwickelt bspw. die Geographiedidaktik Standards für den Erdkundeunterricht bzw. für das Lehramtsstudium im Fach Geographie. Gleiches gilt für die Mathematikdidaktik, die Didaktik des Faches Deutsch etc. Für die ökonomische Bildung gibt es aber an Schulen in der Regel kein eigenes Unterrichtsfach, nicht einmal ein einheitliches Ankerfach. Sie ist bundesweit in den unterschiedlichsten Schulfächern verankert. In einigen wenigen Bundesländern ist sie – vor allem in der Berufsbildung – in eher wirtschaftswissenschaftlich orientierten Fächern verankert. In der Regel wird sie aber – und dies gilt insbesondere für die allgemein bildenden Schulen – in sozialwissenschaftlich ausgerichtete Integrationsfächer eingebettet oder ist Bestandteil anderer gesellschaftswissenschaftlicher Unterrichtsfächer wie etwa Geschichte oder Erdkunde (vgl. ausführlich Schlösser, Weber 1999, S. 40 ff.). Dies birgt für die entsprechenden Lehramtsstudiengänge das Problem, dass die Stundendeputate, die der ökonomischen Bildung zugewiesen werden, von Fach zu Fach höchst unterschiedlich und in der Regel relativ gering sind (vgl. zur Situation in NRW Krol 2004, S. 60 f.).
Es stellt sich die Frage, wie angesichts unterschiedlicher und zum Teil fehlender fachlicher Verankerung einheitliche Standards für die ökonomische Bildung in der Lehrerausbildung konzipiert werden können, sodass sie als Richtschnur für die unterschiedlichen Lehramtsstudiengänge dienen können. Wir schlagen als Lösungsweg vor, Mindeststandards zu formulieren, die für alle Lehramtsstudiengänge gelten sollen, die das Label "Ökonomische Bildung" (mit–) tragen. Studiengangspezifische Ausgestaltungen vor Ort können darüber hinaus im Rahmen eines Wahlpflichtbereichs ermöglicht werden (vgl. ausführlich Abschnitte 3 und 4).
Das Fehlen eines Unterrichtsfaches für die ökonomische Bildung ist außerdem mit Konsequenzen für die fachdidaktische Forschung an den Universitäten verbunden. Ein einheitliches Verständnis ökonomischer Bildung oder zumindest eine konsensfähige Basis, die sich auf gemeinsam geteilte wissenschaftliche Kriterien beruft, existiert nicht. Im Folgenden wollen wir unsere Position und damit die theoretische Grundlage für die unter Punkt 3 dargestellten Standards skizzieren.
Bisherige Erfahrungen zeigen, dass sich wirtschafts- und gesellschaftsrelevantes Wissen als ein Instrument zur Beschreibung und Analyse der modernen Gesellschaft nicht allein durch Lebenserfahrung vermittelt. Angesichts der hier allgegenwärtigen Gefahr des Trugschlusses von Verallgemeinerungen stehen nicht hinterfragte Alltagstheorien unter latentem Ideologieverdacht. Ökonomische Bildung in der Schule verlangt daher eine solide fachwissenschaftliche und fachdidaktische Ausbildung der Lehrkräfte. Über Fragen der fachdidaktischen Anteile der Lehramtsausbildung z.B. in Bezug auf Lerntheorien oder den Einsatz handlungsorientierter Lehr–Lern–Methoden gibt es in der "scientific community" der ökonomischen Bildung kaum Differenzen. Kontrovers wird hingegen die Frage nach der fachwissenschaftlichen Grundlage einer ökonomischen Bildung diskutiert (vgl. z.B. sowi–onlinejournal 2001 [2]). Insbesondere wird der Stellenwert der Ökonomik als Bezugswissenschaft für die ökonomische Bildung unterschiedlich gewichtet. Auf der einen Seite gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, die die Bildungsrelevanz des ökonomischen Denkansatzes darlegen (vgl. exemplarisch Krol 2001; Kruber 2000; oder Kaminski 2002). Auf der anderen Seite wird auch von manchen Fachdidaktikern gesellschaftswissenschaftlicher Disziplinen die Bedeutung der Ökonomik für den Fachunterricht mit Bezug auf den Integrationscharakter gesellschaftswissenschaftlicher Fächer in Frage gestellt. So behauptet z.B. Reinhold Hedtke als Vertreter der ökonomischen (und der politischen) Bildung in einer etwas merkwürdigen Dialektik, die Ökonomik könne nichts zur Ökonomisierung der Lebensbereiche sagen, da sie jegliches Handeln als ökonomisches Handeln interpretiere und somit den Unterschied zum nicht–ökonomischen Handeln nicht sehen könne (vgl. Hedtke 2005, S. 10).
Eine einheitliche, konsensfähige theoretische Basis der ökonomischen Bildung gibt es nicht (vgl. Retzmann 2005, S. 51 ff.) und deshalb muss auch im Rahmen dieses Papiers expliziert werden, welche Bezugswissenschaft für die Entwicklung der Lehrerbildungsstandards in der ökonomischen Bildung zugrunde gelegt wurde. Wir sehen ganz im Einklang mit den DeGöb–Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss (vgl. Retzmann 2005, S. 52) und im Anschluss an den wirtschaftsdidaktischen Mainstream im Forschungsprogramm der Ökonomik den zentralen fachwissenschaftlichen Bezugspunkt für die Konzeption von Bildungsstandards in der ökonomischen Bildung. Da Kompetenzen und Bildungsstandards an die Strukturen und Inhalte der jeweiligen Disziplin gekoppelt sind, für die sie formuliert werden, folgt daraus, dass sich Bildungsstandards in der ökonomischen Bildung – auch wenn sie in den meisten Bundesländern als Teil eines Integrationsfaches vermittelt wird – auf die originäre ökonomische Perspektive innerhalb dieser Integrationsfächer beziehen müssen.
Die Literatur zu Bildungsstandards und Kompetenzen ist mittlerweile unübersichtlich geworden, ohne dass bisher allgemein anerkannte Begriffsdefinitionen vorliegen, die eine Identifikation von Abgrenzungen und Überschneidungsbereichen der beiden Begriffe ermöglichen. Mal werden Kompetenzen den Standards untergeordnet (so bspw. bei Maag Merki 2005), mal beziehen sich die Standards auf übergeordnete Kompetenzen (z.B. KMK 2004), mal sind beide Begriffe nahezu austauschbar – etwa wenn "Kompetenzen als Bildungsstandards definiert werden" (Maag Merki 2005, S. 12). Wir folgen in unserem Vorschlag maßgeblichen Vertretern in dieser Diskussion (Klieme; Oelkers; Terhart; KMK) und benennen zunächst Kompetenzen, die durch die Erreichung bestimmter Standards erlangt werden. Kompetenzen sind in diesem Verständnis "berufsbezogene Fähigkeiten einer Lehrerin und eines Lehrers, die im Verlauf der Ausbildung erworben werden." (Oelkers 2005b, S. 10). Standards konkretisieren diese und machen sie überprüfbar.
Allgemein formuliert orientieren sich die in Bildungsprozessen angestrebten Kompetenzen an Bildungszielen. Für die Lehrerbildung lässt sich analog formulieren, dass sich die in den verschiedenen Ausbildungsphasen angestrebten Kompetenzen an den maßgeblichen Ausbildungszielen orientieren. Spricht man im Zusammenhang der Lehrerbildung von Bildungszielen, so sind zwei Zielebenen voneinander zu unterscheiden: Die Ziele, die mit der Ausbildung der Lehrkräfte verfolgt werden, und die Ziele, die mit der Arbeit der Lehrkräfte als mit der Durchführung von Unterricht Betraute – hier im Rahmen der ökonomischen Bildung – verbunden sind, also Ziele von Bildungsprozessen in der Schule. Beide Ebenen sind aufeinander zu beziehen:
Das Bildungsziel der schulischen ökonomischen Bildung weist, cum grano salis, zwei wesentliche Aspekte auf: Zunächst unterliegt die schulische ökonomische Bildung den übergeordneten Bildungszielen der allgemein bildenden Schulen. Ziel von Bildungsprozessen ist der in einer demokratischen Gesellschaft selbst verantwortet und selbstständig handelnde Mensch, der seine eigene Lern– und Entwicklungsfähigkeit (er–)kennt und über ein angemessenes fachliches und wertbesetztes Fundament für Entscheidungen innerhalb seiner Lebenswelt verfügt. Dies ist verwoben mit dem zweiten Aspekt: Ökonomische Bildung soll ihre Adressaten in die Lage versetzen, in ökonomisch geprägten Lebenssituationen sachgerecht und reflektiert zu handeln sowie sachlich und wertebezogen reflektiert an der (Diskussion über die) Gestaltung der Gesellschaft teilzuhaben.(4)
Auch wenn es keinen direkten Ableitungszusammenhang von Schüler- zu Lehrerkompetenzen geben kann, so muss es doch Ziel der Lehrerausbildung im Bereich der ökonomischen Bildung sein, Lehrkräfte zu qualifizieren, den Adressaten schulischer Bildungsprozesse die Erreichung der oben genannten Ziele zu ermöglichen. Am Ende der Lehrerausbildung sollten Lehrkräfte also mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet sein.
Es erscheint sinnvoll, die im Zuge der Lehrerausbildung zu erwerbenden Kompetenzen in zwei Dimensionen zu unterteilen: Zum einen bedarf es überfachlicher Kompetenzen, die auf eine allgemeine professionelle Kompetenz von Lehrkräften abzielen, zum anderen ist eine Definition fachlicher Kompetenzen unabweisbar (vgl. Oelkers 2005b, S. 11). Kompetenzen und Standards im Bereich der ökonomischen Bildung können sich also selbstredend nur auf einen Teilaspekt der Lehrerausbildung beziehen.
Zu den unabweisbaren überfachlichen Kompetenzen von Lehrkräften gehören stets unverzichtbare Fähigkeiten, die nicht allein – und sicherlich auch nicht in erster Linie – durch die Ausbildung im Bereich der ökonomischen Bildung erworben werden können. Beispielhaft werden hier mit Jürgen Oelkers genannt:
Die fachlichen Kompetenzen wiederum weisen sowohl eine Wissensdimension als auch eine Vermittlungsdimension auf. Standards, die Kompetenzen für die Lehrerausbildung im Bereich der ökonomischen Bildung operationalisieren, sind für beide Dimensionen zu entwickeln (vgl. Terhart 2002, S. 34 f.). Damit geht unser Vorschlag für Standards der Lehrerbildung im Bereich der ökonomischen Bildung von zwei fachlichen Kompetenzbereichen aus: Dem Kompetenzbereich "Wissen und Verstehen" (Wissensdimension) sowie dem Kompetenzbereich "Lehr–Lern–Prozesse anbahnen" (Vermittlungsdimension).
Mit diesem Vorschlag möchten wir nicht die Schlüssigkeit anderer Systematiken
von Bildungsstandards bestreiten, die sich jedoch i.d.R. (auch) auf überfachliche
Kompetenzen beziehen. So erscheint uns die Systematik der KMK mit den Kompetenzbereichen
Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren für die Bildungswissenschaften
durchaus sinnfällig, doch sie bezieht sich auf "die ganze Lehrkraft"
und meint ausdrücklich nicht Standards für die (Unterrichts–)
Fächer (KMK 2004, S. 1).
Die Formulierung von Bildungsstandards mag zu einer aller oben angegebenen Kompetenzdimensionen möglichst vollständig umfassenden Nomenklatur verführen. Angesichts der Knappheiten in der Praxis und der daraus resultierenden Zwänge, eine Auswahl treffen zu müssen, beinhalten solche umfassenden Nomenklaturen immer ein Element von faktischer Beliebigkeit. In der pädagogischen Diskussion zu den Kriterien ‚guter' Bildungsstandards ist hier die Rede von "Fokussierung" (Klieme 2003, S. 24 ff.) oder von "Knappheit" (Böttcher 2005). Wir haben deshalb den nachfolgenden Vorschlag bewusst überschaubar gehalten und auf das konzentriert, was wir für die ökonomische Bildung für originär und unverzichtbar (nicht, was wir insgesamt für wünschbar) halten. Standards beanspruchen, ubiquitär gültige Festlegungen zu sein, die verbindlich, umsetzbar, erreichbar und überprüfbar sind und sich dabei auf das Wesentliche beschränken. Mit dem folgenden Vorschlag haben wir versucht, diesem Anspruch Rechnung zu tragen.
Kompetenzbereich I: "Wissen und Verstehen" – Wissensdimension
Kompetenz 1.1: Lehrkräfte verstehen Struktur, und zentrale Konzepte der Wirtschaftswissenschaft
Kompetenz 1.2 Lehrkräfte können wesentliche einzel- und gesamtwirtschaftliche Strukturen und Zusammenhänge entdecken, beschreiben, analysieren und darstellen
Kompetenz 1.3: Lehrkräfte können Darstellungen und Veröffentlichungen zu ökonomischen Sachverhalten kompetent und angemessen einordnen
Kompetenz 2.1: Lehrkräfte planen Unterricht fach– und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch.
Kompetenz 2.2: Lehrkräfte wissen um den Beitrag der ökonomischen Bildung zu Fragen der Dauerhaftigkeit und Gültigkeit von Werten und können diesen bei wertbehafteten Konflikten im Rahmen der Wertebildung von Schülerinnen und Schülern nutzen.
Kompetenz 2.3: Lehrkräfte können ein breites Spektrum von Unterrichtsmethoden anwenden und reflektieren und beherrschen adressatenbezogene Vermittlungstechniken.
Kompetenz 2.4: Lehrkräfte fördern die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zum selbstständigen Lernen und Arbeiten.
Kompetenz 2.5: Lehrkräfte sollten mit Hilfe der ökonomischen Bildung einen Beitrag zur Berufswahl von Schülerinnen und Schülern leisten können.
Dieser Katalog von anzustrebenden Kompetenzen und konkretisierenden Standards kann zunächst nur Vorschlagscharakter haben. Offen sind für uns u.a. noch die Fragen,
Die oben beschriebenen Bildungsstandards sollten nun den Ausgangspunkt für die inhaltliche Gestaltung der ökonomischen Anteile – gemeint sind hier fachwissenschaftliche und fachdidaktische Studienanteile – der Lehrerausbildung bilden. Sie sind im Rahmen von BA/MA–Studiengängen bei der Konzeption und Beschreibung von Modulen zu berücksichtigen. Dadurch werden die Zusammenhänge zwischen dem Input (zu studierende Module) und dem erwarteten Output (Standards) deutlich. Aufgrund der Besonderheiten der ökonomischen Bildung, die in die verschiedensten Unterrichtsfächer und Studiengänge integriert stattfindet (vgl. Abschnitt 2.1), schlagen wir eine Aufteilung in Pflicht– und Wahlpflichtanteile vor. Dadurch können die Module präzise formuliert werden, aber gleichsam eine flexible Ausgestaltung vor Ort ermöglichen. Versucht man dies für ein Basiscurriculum für die ökonomische Bildung in der Lehrerbildung zu konkretisieren, so kann man sich den zu vermittelnden Studieninhalten von zwei Seiten her nähern: Zum einen von den Notwendigkeiten einer systematisch aufgebauten Wissenschaft her, die bestimmte Grundvoraussetzungen für die Auseinandersetzung mit ökonomischen Fragestellungen verlangt. Zum anderen von den als zukunftsbedeutsam identifizierten und als solche in schulischen Curricula verankerten Themenfeldern. Aus einem solchen Zugang, der Lehrkräften die Bearbeitung von für die Gestaltung der Gesellschaft relevanten Fragestellungen auf einer soliden fachwissenschaftlichen Grundlage erlaubt, lässt sich folgende Grobstruktur eines Basiscurriculums ableiten.
Das IÖB Münster bietet ab dem Wintersemester 2005/ 2006 im Rahmen eines Zwei–Fach–Bachelors (Studium zweier gleichwertiger Fächer) den Studiengang Bachelor Ökonomik an. Dieser ist die Grundlage für die Nachfolge der Studienfächer Magister–Nebenfach Wirtschaftspolitik, Lehramt Sek. II Sozialwissenschaften und Lehramt BK Wirtschaftslehre/ Politik sowie für den neu einzurichtenden Studiengang "Wirtschaftswissenschaft (berufliche Fachrichtung)" für das Lehramt am Berufskolleg.
Der Bachelor Ökonomik hat einen Umfang von 80 Leistungspunkten und besteht aus einem Kernanteil von 50 Leistungspunkten sowie einem Wahlpflichtteil im Umfang von 30 Leistungspunkten.(5) Dieser Wahlpflichtteil dient der individuellen Profilbildung der Studierenden und kann auch für die Vorbereitung eines späteren Masterstudiums, das zum Lehramt führen soll, genutzt werden. Je nach angestrebtem Lehramt können dazu verschiedene Wahlpflichtmodule auch anderer Fakultäten und Fachbereiche studiert werden, die in zum Lehramt führenden Masterstudiengängen vorausgesetzt und dort durch weitere Studien vertieft werden.
Der Kernanteil des BA Ökonomik sieht innerhalb von drei Studienjahren das Studium von fünf Pflichtmodulen vor:
Es sei an dieser Stelle betont, dass in Münster diese fachwissenschaftlichen Grundlagen nicht in gemeinsamen Veranstaltungen mit den (ehemaligen) Diplomstudierenden, sondern in eigenen Veranstaltungen erworben werden. Diese weisen nach Tradition des IÖB Münster einen besonderen problem– und adressatenorientierten Zugang auf.
Nach eigener Wahl können die Studierenden den Kernanteil durch verschiedene dafür ausgewiesene Wahlpflichtmodule im Umfang von 30 Leistungspunkten ergänzen. Zur Vorbereitung auf ein zukünftiges Lehramtsstudium (in der Masterphase) können dazu auch Module der Politikwissenschaft und der Soziologie angewählt werden, da diese Disziplinen in Nordrhein–Westfalen gemeinsam mit der Ökonomie das Schulfach Sozialwissenschaften bilden (vgl. untenstehende Abbildung). Unabhängig von der Wahl der Wahlpflichtmodule lautet der Studienabschluss Bachelor Ökonomik. Es wird der Titel eines Bachelor of Arts verliehen. Das Diploma Supplement weist die individuellen Pflicht– und Wahlstudien aus. Auf diese Weise wird die Polyvalenz des Studiengangs garantiert. Möglich sind mit dem BA Ökonomik sowohl ein Berufseinstieg als auch ein fachliches oder lehramtsbezogenes Masterstudium.
(1) Für zahlreiche Anmerkungen und konstruktive Kritik danken wir Prof. Dr. Gerd–Jan Krol/ IÖB Münster.
(2) Wir danken den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Lüneburger Workshops für Anregungen und Kritik.
(3) Die Notwendigkeit der häufig so genannten "dritten Phase" – der Lehrerfortbildung – sei damit in keiner Weise bestritten. Sie ist ein unverzichtbares Element der Berufsbiographie von Lehrerinnen und Lehrern. Wir halten jedoch in diesem Zusammenhang die Formulierung von Standards für die Lehrerfortbildung aus pragmatischen Gründen für nachrangig und möglicherweise aus denen für die erste Phase ableitbar.
(4) Um eventuelle Missverständnisse zu vermeiden erscheint es gelegentlich notwendig zu sein darauf hinzuweisen, dass auch eine sich auf die Erkenntnisse der Fachwissenschaft beziehende ökonomische Bildung keine Bildungsziele vorgeben will und kann.
(5) Darüber hinaus werden ein zweites Fach im Umfang von 80 Leistungspunkten sowie allgemeine Studien im Umfang von 20 Leistungspunkten studiert, so dass der BA insgesamt 180 Leistungspunkte aufweist.
Text im Literaturverzeichnis bitte absatzweise mit dem p-tag versehen. Konvention:
Böttcher, W. (2005): Outputsteuerung im Bildungswesen: Vorgaben und Ergebnissicherung, in: Brägger, G.; Buher, B.; Landwehr, N. (Hrsg.): Schlüsselfragen zur externen Schulevaluation. Bern, S. 111-125.
DIHK (Hrsg.) (2005): Lehrer sein heißt, Kindern Flügel zu verleihen. Lehrer in Deutschland im Jahr 2015 – eine Vision. Berlin. (http://www.dihk.de/inhalt/download/reformvorschlaege_lehrerbildung.pdf [4]).
GFD (2004): Kerncurriculum Fachdidaktik. Orientierungsrahmen für alle Fachdidaktiken. Kiel.
Hedtke, R. (2005): Zwischen Integration und Vervolkswirtschaftlichung. "Sozialwissenschaft/Wirtschaft" als Exempel für ökonomische Hegemonie und fachdidaktische Defizite. In: Politisches Lernen 1-2/05, S. 5-16.
Klieme, E. u.a. (2003): Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Bonn.
KMK (2004): Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004.
Krol, G.–J. (2001): "Ökonomische Bildung" ohne "Ökonomik". In: Fischer, A. u.a. (Hrsg.): Journal für Sozialwissenschaften und ihre Didaktik. Schwalbach, Jahresband 2001. S. 20-28. (http://www.sowi-online.de/journal/2001-1/krol.htm [5]).
Krol, G.–J. (2004): Kultur der Selbständigkeit und Schule. In: Unterricht Wirtschaft 04/2004. Velber, S. 57-61.
Kruber, K.– P. (2000): Kategoriale Wirtschaftsdidaktik – der Zugang zur ökonomischen Bildung. In: Gegenwartskunde, Heft 3/ 2000, S. 285-295.
Kaminski, H. (2002): Zur Diskussion der ökonomischen Bildung als Fach oder als Integrationsaufgabe. In: Unterricht Wirtschaft, Heft 12, 4. Quartal 2002, S. 4-10.
Maag Merki. K. (2005): Wissen, worüber man spricht. Ein Glossar. In: Standards. Unterrichten zwischen Kompetenzen, zentralen Prüfungen und Vergleichsarbeiten. Jahresheft des Friedrichverlags, S. 12-13.
Oelkers, J. (2005a): Welches Wissen braucht die Praxis? Vortrag auf dem Arbeitstag der Praxislehrkräfte der Pädagogischen Hochschule Thurgau am 8. September 2005 in Kreuzlingen. (http://www.paed-work.unizh.ch/ap/downloads/oelkers/Vortraege/202_KreuzlingenLAB.pdf [6]).
Oelkers, J. (2005b): Standards in der Lehrerbildung und Folgen für die Organisation. Vortrag im Studienseminar für das Lehramt der Primarstufe Solingen am 16. September 2005. (http://www.paed-work.unizh.ch/ap/downloads/oelkers/Vortraege/202_SolingenLAB.pdf [7]).
Philologenverband (2002): Grundlegende Veränderungen der Lehrerbildung in Rheinland–Pfalz geplant – Pläne absolut inakzeptabel. Gelber Brief des Philologenverbandes vom 08.04.2002. (http://www.philologenverband.de/Publikationen/briefe/20020408/rechts_frameset.htm [8]).
Retzmann, T. (2005): Nationale Standards für die ökonomische Bildung – Theoretische Grundlagen und offene Forschungsfragen. In: Weitz, B. (Hrsg.): Standards in der ökonomischen Bildung. Bergisch Gladbach, S. 51-72.
Schlösser, H.J.; Weber, B. (1999): Wirtschaft in der Schule – Eine umfassende Analyse der Lehrpläne für Gymnasien, Hrsg. v. Bertelsmann Stiftung; Heinz Nixdorf Stiftung; Ludwig–Erhard–Stiftung. Gütersloh.
Terhart, E. (2002): Standards für die Lehrerbildung. Münster.
Tramm, T. (2001): Polyvalenz oder Professionalisierung – die Quadratur des Kreises? Hamburg.
Van Lith, U. (2005): Bologna–Prozess – Anstoß zu leistungsfähigen Hochschulen? In: HWWA Wirtschaftsdienst. 07/2005. S. 445-454.
Links
[1] https://www.sowi-online.de/images/lehrerbildung_loerwald%2520zoerner_mat1b.jpg
[2] https://www.sowi-online.de/../../journal/2001-1/index.html
[3] https://www.sowi-online.de/images/lehrerbildung_loerwald%2520zoerner_mat2b.jpg
[4] http://www.dihk.de/inhalt/download/reformvorschlaege_lehrerbildung.pdf
[5] http://www.sowi-online.de/journal/2001-1/krol.htm
[6] http://www.paed-work.unizh.ch/ap/downloads/oelkers/Vortraege/202_KreuzlingenLAB.pdf
[7] http://www.paed-work.unizh.ch/ap/downloads/oelkers/Vortraege/202_SolingenLAB.pdf
[8] http://www.philologenverband.de/Publikationen/briefe/20020408/rechts_frameset.htm