Identitätssuche seit dem Beginn der Moderne ist immer mit einer Kritik am Rationalismus der Aufklärung verbunden gewesen. Der der Aufklärung eigene Kosmopolitismus hat die Identitätsbedürfnisse nicht befriedigen können. Im Gegenteil. Er hat diese gerade provoziert. Die romantische Gegenbewegung gegen die Aufklärung hat dieser Aufklärungskritik die intellektuelle Variante geliefert (13). Diese Aufklärungskri[/S. 355:]tik darf aber nicht auf romantische Gegenbewegungen reduziert werden; sie findet sich ebenso in bürgerlichen wie proletarischen Gegenbewegungen (14).
Die neuen sozialen Bewegungen stehen ganz in dieser doppelten Tradition. Sie verkörpern ebenso die Aufklärung wie ihre Kritik. Was die neuen von den alten Bewegungen unterscheidet, ist die quantitative wie qualitative Bedeutung der Aufklärungskritik in diesen Bewegungen. Die neuen sozialen Bewegungen sind insofern neu, als die Aufklärungskritik nicht mehr bloße Reaktion auf Aufklärung, nicht mehr bloße konservative Reaktion ist. Sie sind insofern neu, als Aufklärungskritik diese Bewegungen antreibt und zum Movens der Modernisierung moderner Gesellschaften wird (15).
Die radikalste Form dieser Aufklärungskritik findet sich in jenen Teilen der neuen sozialen Bewegungen, die sich als Träger eines Vergesellschaftungsmodus verstehen, der an die Stelle rationaler Argumentation die Körpersprache und an die Stelle des Rationalismus den Mythos setzt, der – abstrakt formuliert – dem unterdrückten Anderen der Vernunft wieder zu seinem Recht verhilft. Beide Argumente verweisen auf die paradoxe Struktur einer die Aufklärung vorantreibenden Aufklärungskritik. Die Körpersprache kann man als einen Faktor kommunikativer Verständigung verstehen, der mit der Rationalisierung und Bürokratisierung der modernen Welt auf Inseln privater Verständigung zurückgedrängt worden ist – und selbst dort noch dank massenmedialer Kontrolle unterzugehen droht. Das Argument der Körpersprache als Opfer rationaler Argumentation leitet das Plädoyer für nichtargumentative Formen kollektiven Handelns an. Der Schlüsselterminus wird das »Sich Einbringen«. Die Körpersprache muss ihr Recht erhalten, der Anteil gestischer Kommunikation an menschlicher Kommunikation rehabilitiert werden. Theoretisch konsequent wird das dann im Versuch gedacht, Körpersprache zur Grundlage menschlicher Kommunikation überhaupt zu machen – nach dem Motto, dass Kopf und Bauch Teile eines Körpers seien. Es geht dieser radikalen Rationalitätskritik darum, die Identität von Kopf und Bauch wiederherzustellen.
Die Aufklärungskritik der neuen sozialen Bewegungen ist damit auf einer eigentümlich elementaren Ebene eng verbunden mit der Wiederaufnahme der Identitätsfrage. In der Formulierung »Identität von Kopf und Bauch« bleibt die Identitätsfrage allerdings noch auf das Individuum zentriert. Doch mit der zunehmenden sozialen und politischen Rolle dieser Bewegungen lässt sich diese Subjektperspektive nicht mehr durchhalten. Es liegt dann nahe, auch Gesellschaft wie einen »Körper« zu sehen. Die Identitätsfrage wird auf Gesellschaft projiziert. Sie lautet dann: Wie ist kollektive Identität des gesellschaftlichen »Körpers« möglich? [/S. 356:]
Nationale Identität war die klassische Lösung, um kollektive Identität jenseits von kosmopolitischer – also rein kognitiver – Identität in der Einheit von kollektiven Wir-Gefühlen und staatlicher Souveränität zu verankern. In der Auseinandersetzung mit dieser klassischen Lösung kommt es zur politischen Bewährungsprobe der Identitätskommunikation in den neuen sozialen Bewegungen (16).
Wie mit der von den neuen sozialen Bewegungen wieder eröffneten Identitätsfrage umgegangen wird, lässt sich nur klären, wenn wir sie im historischen Kontext sehen. Wir müssen deshalb die neuen sozialen Bewegungen in Deutschland als eine historisch spezifische Form des Konstruktionsprozesses der Moderne, als eine spezifisch deutsche Ausdrucksform politischer Modernisierung sehen. Wir müssen also – wenn wir über neue soziale Bewegungen und das Ende der Aufklärung reden wollen – Reflexionen über den spezifischen deutschen Weg in die Moderne einbauen. Sind die neuen sozialen Bewegungen eine Fortsetzung des deutschen Sonderweges in die Moderne oder rehabilitieren sie eine andere Moderne, die im deutschen Sonderweg missbraucht und dann denunziert worden ist? Handelt es sich um das Ende der Aufklärung oder um das Ende eines falschen beziehungsweise verzerrten Modells von Aufklärung?
Die entscheidende Frage – die die radikale Aufklärungskritik in den neuen sozialen Bewegungen nur zuspitzt – ist, wer im Gesellschaftlichen Körper« wen kontrolliert: der »Kopf« den »Bauch« oder der »Bauch« den »Kopf«? Dies wird zur zentralen Frage aktueller Identitätskommunikation, wenn heute – von wem auch immer und in welch kritischer Distanzierung auch immer – an die klassische »nationale« Lösung angeschlossen wird. Die klassische deutsche Lösung privilegierte den »Bauch«. Die Analyse der von den neuen sozialen Bewegungen initiierten Identitätskommunikation ist ein Weg, die Chancen einer den »Kopf« privilegierenden Antwort zu identifizieren. Der Indikator für die letztere Lösung ist die Fähigkeit, Identitätskommunikation auf Dauer zu stellen. Die klassische Lösung wäre dann in dem Maße zu erwarten, wie Identitätskommunikation blockiert wird.
Die deutsche Geschichte wirkt notwendig in irgendeiner Weise auf die neuen sozialen Bewegungen in Deutschland zurück. Wieweit die nationale Vergangenheit die neuen sozialen Bewegungen einholt, lässt sich an drei Beispielen diskutieren:
An diesen drei Beispielen lässt sich zeigen, inwieweit die Distanz zu der klassischen Form kollektiver Identitätsfindung hergestellt werden kann. Die These lautet, dass diese Suchstrategien bislang eher zur Blockierung denn zur Kontinuierung von Identitätskommunikation beitragen.
Ein »typisch deutscher« Umgang mit dem Identitätsproblem artikuliert sich erstens in der Suche nach einer nationalen beziehungsweise regionalen Identität. Das Eigenartige der deutschen Diskussion besteht darin, dass es eine Faszination für regionale Bewegungen gibt und dass zugleich eine regionale Bewegung fehlt. Das hat sicher auch mit der Unterdrückung regionaler Unterschiede im Faschismus zu tun, wo der Mythos deutscher Gemeinsamkeit alle anderen Herkunftsmythen überlagert hat. Andererseits ist gerade das Fehlen einer nationalen Identität in Deutschland eine Ursache für die Faszination, die von regionalen Herkunftsidentitäten ausgeht (17). Das führt bis hin zu sprachlichen Enttabuisierungen. So ist etwa das Wort Heimat wieder diskursfähig geworden (18).
Daraus ergibt sich ein Diskurs, der mit eigentümlichen Umkehrungen und Entgegensetzungen arbeitet. Gegen die Gesellschaft, wo nur das Habenwollen zählt (Interessen), wo zentrale Bürokratien entscheiden, wird das Volk, genauer die volkliche Vielfalt als Kampfbegriff gesetzt. Gegen das Vaterland wird die Muttersprache gesetzt, gegen das Waldsterben das Plädoyer für einheimische (sic!) Pflanzen. Gegen die Gesellschaft werden Stämme gesetzt; denn nur »Stämme werden überleben« (19). Die Sehnsucht nach dem Kleinen, Überschaubaren entspringt einem tiefverwurzelten Bedürfnis – »Graswurzelrevolution« ist ihre begrifflich weitestgehende Thematisierung – und verrät doch zugleich die Ambivalenz zur Moderne, die Nähe zum Diskurs, in dem sich die Pathogenese der Moderne artikuliert. Man kann an diesen Diskursfragmenten sehen, wie das Problem, eine kollektive Identität in einer modernen Gesellschaft auszubilden, durch den Rekurs auf Vorgegebenes oder Mythisches gelöst wird. Hier wird eine Blockierung von Lernprozessen reproduziert, die bereits die politische Kultur des letzten Jahrhunderts gekennzeichnet hat.
Diese Blockierung endet in der Mythisierung des Staates. Die Identifikation mit einer Herkunftsidentität ist das Komplement zum starken Staat. Wenn der Staat sich [/S. 358:] dieser Sehnsüchte nach kollektiver Identität annimmt, dann wird der Gesellschaft (als dem Gegenüber des Staates) der Stachel gezogen. Sie wird sich, wo Identitätsfindung nur mehr staatlich garantiert werden kann, mit diesem identifizieren (20).
Eine zweite Form der Identitätssuche ist die Suche nach einer authentischen Lebenswelt. Diese Suche nimmt in Deutschland eine besondere (gerade auch die Nachbarn jenseits des Rheins irritierende) Form an: Sie besteht vor allem in der Suche nach dem Natürlichen, nach dem gesunden Leben oder nach dem gesunden Essen (21). Hier zeigt sich eine eigentümliche Thematisierung des Problems einer nach Verwertungsgesichtspunkten durchrationalisierten Konsumtionssphäre: Die Lebenswelt wird verteidigt, indem das »Gewachsene« gegen das »Künstliche«, die »Natur« gegen die »Chemie« (als dem Inbegriff von Unnatur) gesetzt wird.
Zu Ende gedacht führt das zu einer Biologisierung der Bedürfnisse. Die Reduktion von Gesellschaft auf Natur verkennt systematisch die gesellschaftliche Geformtheit der Natur. Die reine und unverschmutzte Natur gibt es nicht. Sie hat mit dem Beginn der Kultur ihre Unschuld unwiderbringlich verloren. Und sie verkennt damit die Bedingungen der eigenen gesellschaftlichen Rolle: sich mitten in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen über die Form der Aneignung der Natur zu befinden (22). Die Authentizität von Lebenswelt ist gerade nicht in einer Natur jenseits von Kultur und Gesellschaft zu finden. Identitätskommunikation, die sie dort sucht, führt zu einem modernen Fundamentalismus, der Identitätskommunikation letztlich verhindert.
Mit dieser Biologisierung der Bedürfnisse geht drittens eine Psychologisierung des Umgangs mit diesen Bedürfnissen einher. Die »Tyrannei der Intimität« ist eine neue Form der Selbstentmachtung in der Geschichte der Moderne (23). Sie verweist auf einen weiteren Mechanismus der Blockierung von Lernprozessen, nämlich die Übertragung der Verantwortung für das eigene politische Handeln auf einen Stellvertreter. Dieser Stellvertreter ist allerdings nicht mehr der Staat. Die Externalisierung der Verantwortung für das eigene Handeln wird vielmehr durch eine neuartige Form der »Selbsttechnokratisierung« des Bewusstseins ersetzt (24): Die Psychologisierung des eigenen [/S. 359:] Handelns gibt dem professionellen Wissen über diese Psyche die Macht. Die Authenzität der Lebenswelt verdankt sich schließlich ihrer psychologischen Kontrolle. Die therapeutischen Institutionen werden zum Stellvertreter für die Instanzen der Über-ich Kontrolle. Sie blockieren damit die Möglichkeit, in der Auseinandersetzung mit dieser Instanz Identitätskommunikation in Gang halten zu können.
Alle drei Aspekte, die Mythisierung der Gesellschaft, die Biologisierung der Bedürfnisse und die Psychologisierung des Umgangs mit den Bedürfnissen, erinnern an die deutsche Romantik in ihrer doppelten Ausdrucksform als Theorie und als popularisierte Praxis. Von den neuen sozialen Bewegungen als neuromantischen Bewegungen zu reden (25) ist deshalb mehr als eine bloße Analogisierung. Dieses Reden thematisiert die Kontinuität eines Weges in die Moderne, der eine erste Stufe im Rückzug der romantischen Generation in der frühbürgerlichen Gesellschaft und eine bislang letzte Stufe im Rückzug eines nicht unbedeutenden Teils der Protestgeneration in der spätbürgerlichen Gesellschaft vom Feld politischer Auseinandersetzungen gefunden hat (26).
In den neuen sozialen Bewegungen in Deutschland wird also eine nationale Tradition des Diskurses – sowohl was seine Inhalte als auch was seine Produktionsbedingungen anbelangt – reproduziert. Die Pathogenese der frühbürgerlichen Gesellschaft setzt sich in der Pathogenese einer spätbürgerlichen Gesellschaft fort, die das »Bürgerliche« unter neuen technisch/ökonomischen Bedingungen sichern muss (27).
Die Identitätsfrage ist der Schlüssel zur Frage nach dem Bruch mit einer spezifischen Tradition der Aufklärungskritik. Für das Verständnis der neuen sozialen Bewegungen bedeutet das, dass wir es weniger mit dem Ende der Aufklärung als mit einer Blockierung der sich selbst aufklärenden Aufklärung zu tun haben. Die Suche nach Identität, das ungelöste Problem der modernen Aufklärung, wird in eine Form der Identitätskommunikation eingebunden, die Gefahr läuft, zugleich die Bedingungen von Identitätskommunikation zu zerstören. Die Mechanismen der Blockierung, die den deutschen Weg in die Moderne kennzeichnen, greifen weiterhin: Der [/S. 360:] Rückzug auf die private Lebenswelt (der Konsumtion) und die Restriktion der Erfahrung auf das unmittelbar körperlich Erfahrbare, auf die von Gesellschaft gereinigte Natur, sind zumindest Zeichen dafür, dass die Blockierungsmechanismen der Illusionierung, Naturalisierung und Ideologisierung weiterhin am Werke sind. In der Identitätskommunikation in den neuen sozialen Bewegungen ist eine pathogene Fortsetzung deutscher Geschichte weiterhin möglich. Weniger ein produktiver Bruch denn ein pathogener Bruch mit der Aufklärung, weniger Aufklärung über Aufklärung denn Abräumen von Aufklärung ist denkbar. Welche Chancen gibt es dann noch für gelingende Identitätskommunikation?
Gegen die Vorstellung einer bruchlosen Fortsetzung einer pathogenen Geschichte in der aktuellen Identitätskommunikation spricht – paradoxerweise – ein Phänomen, das die neuen sozialen Bewegungen mit den Bewegungen verbindet, die die antidemokratische Tradition in Deutschland getragen haben: nämlich Angstkommunikation (28). Angst war das zentrale Motiv in den antidemokratischen Bewegungen der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (29). Angst vor der sich demokratisierenden Gesellschaft, Angst vor der Erosion des Selbstverständlichen, Angst vor dem Verlust traditional eingelebter Identität wurde durch die Identifikation mit dem Staats schließlich mit dem Charisma eines Führers kompensiert. Angst verstärkte also die Blockierung von Identitätskommunikation. Sie blockierte damit die Idee einer sich selbst konstituierenden Gesellschaft, deren Identität gerade nur in der Fähigkeit bestehen konnte, partikulare Identität als partikulare zu institutionalisieren.
Angst in den neuen sozialen Bewegungen ist davon grundverschieden. Sie richtet sich nicht mehr gegen die Gesellschaft, sondern gegen den die Gesellschaft überformenden und mediatisierenden Staat (30). Wo sich Angst mit der Kritik am konkreten [/S. 360:] staatlichen Handeln verbindet, etwa mit der Kritik am politisch institutionalisierten und reproduzierten Umgang mit äußerer und innerer Natur, gelingt es, Staat und Autorität voneinander abzukoppeln. Das eröffnet einen neuen Spielraum für das Experimentieren mit Identität.
In dem Maße, wie diese »neue« Angstkommunikation mit Identitätskommunikation verknüpft wird, wird es – so die These – möglich, letztere zu »entblockieren«. Die neue Angstkommunikation eröffnet Perspektiven
Die erste Möglichkeit, die moderne Angstkommunikation eröffnet, ist ein desillusionierender Umgang mit der Aufklärung. Angstkommunikation thematisiert das Problem, dass Aufklärungsdiskurse unter der Bedingung hoher Unbestimmtheit ablaufen. Angstkommunikation desillusioniert über das Ritual des Aufklärungsdiskurses, der Angstfreiheit unterstellt. Damit verliert der Aufklärungsdiskurs ein Moment der Selbstillusionierung, das ihm von Anfang an eigen war: zu unterstellen, dass sich Aufklärung von selbst einstellt.
Die bürgerliche Bewegung war noch davon überzeugt, dass kognitive Einsicht die Aufklärung voranbringt. Die kleinbürgerliche Bewegung hat dagegen argumentiert, dass nur normative Orientierungen, nämlich Werte wie Ordnung, Fleiß und Gerechtigkeit die Aufklärung in die richtige Richtung lenken können. Die neuen sozialen Bewegungen argumentieren – und hier gehen sie über die alten kleinbürgerlichen Bewegungen hinaus – auch mit Empfindungen und Gefühlen, über die Aufklärung notwendig sei, damit Aufklärung stattfinden kann. Man kann diesen Umgang mit der Aufklärung als ein Problem des Aufklärungsstils bezeichnen (31). Es handelt sich um einen veränderten Stil des Miteinanderredens. Angstkommunikation ist dann eine Variante des Aufklärungsdiskurses. Sie bricht mit der kognitiven und normativen Illusion, die Stilfragen als sekundär betrachtet hat.
Eine zweite Funktion aktueller Angstkommunikation besteht darin, wie ein Frühwarnsystem zu funktionieren, das Sensibilität erhöht und dem Immunsystem »Gesellschaft« Zeit gibt, sich auf eine bedrohliche Umwelt einzustellen (32). Man kann dieses Frühwarnsystem historisch und sozial kontextuieren und damit genauer [/S. 362:] bestimmen. Was die neuen sozialen Bewegungen tun, ist nichts anderes als das, was die frühen bürgerlichen Emanzipationsbewegungen schon versucht haben: durch Verständigung auf gemeinsam betreffende Probleme sich einer formalrationalen »Traktierung« von Problemen entgegenzustellen und Bedürfnisse einzuklagen, die ansonsten systematisch ausgeschlossen würden. Was die neuen sozialen Bewegungen »objektiv« tun, ist nichts anderes, als den Bereich relevanter Bedürfnisse und damit auch die Komplexität von Entscheidungskriterien auszuweiten. In diesem Sinne kann man dann von einer Ersetzung der »Gerechtigkeitsformel« durch die Formel des »guten Lebens« sprechen. Aber die Form, in der diese Einklagen konstituiert und reproduziert werden, bleibt identisch: nämlich die Organisation kollektiver Lernprozesse außerhalb formal rationaler Institutionen, die Herstellung politischer Öffentlichkeit – das ist der altmodische Begriff dafür – durch Assoziation, Diskussion und kollektive Aktion. Angstkommunikation wird so zum Kristallisationspunkt einer Form politischer Kommunikation, deren Dynamik sich auch Identitätskommunikation nicht mehr entziehen kann (33).
Eine dritte Funktion wäre die Reflexivität von Angstkommunikation. Was in der Angstkommunikation in den neuen sozialen Bewegungen transportiert werden kann, ist eine neue Form von kollektiver Erinnerungsarbeit: nämlich die Idee der Aufklärung über sich selbst. Das würde bedeuten, das kollektive Gedächtnis, das sich in der Pathogenese der Moderne abgelagert hat, selbst im Prozess der Radikalisierung der Moderne auf und durchzuarbeiten, Erinnerungsarbeit als Aufklärung über die Aufklärung zu betreiben. Und dazu gehört gerade auch Erinnerungsarbeit über misslungene Kommunikation, Erinnerungsarbeit über Identitätskommunikation (34).