Chancengleichheit für Jungen und Mädchen im Beruf?

Ursel Imhof

Inhalt

1. Berufsbiographien von Männern und Frauen im Rollenspiel (Klasse 9/RS, Klasse 8/HS)
2. Lernziele
3. Unterrichtsverlauf
3.1 Einstieg
3.2 Vorbereitung des Rollenspiels
3.3 Durchführung des Rollenspiels
3.4 Auswertung des Rollenspiels
4. Einflussfaktoren auf die Erstberufswahl
5. Einflussfaktoren auf den Berufslebenslauf
6. Unterschiedliche Gründe für die Erstberufswahl bei Jungen und Mädchen
7. Gründe für die unterschiedlichen Berufslebensläufe bei Jungen und Mädchen
8. Verallgemeinerung
9. Literatur
10. Zur Autorin

Material:

Vier Beispiele für Rollenkarten

 

Die große Mehrheit der Mädchen tendiert noch immer dazu, die gleichen Bildungs- und Berufsentscheidungen zu treffen wie in der Vergangenheit - dies trotz häufig besserer Schulzeugnisse und höherer Bildungsabschlüsse als Jungen.
Das Unterrichtsbeispiel eignet sich zur Erarbeitung der geschlechtsspezifischen Einflussfaktoren auf die Erstberufswahl und den Berufslebenslauf.

1. Berufsbiographien von Männern und Frauen im Rollenspiel. (Klasse 9/RS, Klasse 8/HS)

Ein hoher Anteil der Mädchen beschränkt sich auf das enge Spektrum der sogenannten "frauentypischen" Ausbildungsberufe, wie Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau, Bankkauffrau, Arzthelferin, Kindergärtnerin usw., die vorwiegend in bedienenden, beratenden und verwaltenden Berufen liegen. Solche Berufe sind gekennzeichnet durch hohes Berufsrisiko, geringe Aufstiegschancen, schlechte Bezahlung sowie eingeschränkte Verwertbarkeit der erworbenen Qualifikationen.

Jungen dagegen wählen häufiger Ausbildungsberufe, die mehr Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung und besseren Bezahlung bieten, und die vorwiegend im gewerblich-technischen und wirtschaftlichen Bereich liegen, wie z.B. Kfz-Mechaniker, Elektro-, Gas- und Wasserinstallateur, Industrieelektroniker, Datenverarbeitungsberufe und kaufmännische Ausbildungsberufe.

Ein wesentlicher Grund für die Erstberufswahl liegt in der gesellschaftlichen Rollenerwartung. Es sind zunächst von außen kommende Erwartungen, die vom Kind/Jugendlichen allmählich immer weiter verinnerlicht werden, bis sie schließlich Teil ihrer Identität und ihres Selbstbildes werden. Da Jungen und Mädchen durch die Einbindung in die Familie und deren soziale Umgebung der verinnerlichten Werte und Normen der Eltern bzw. ihrer Umgebung übernehmen, wird die Berufswahlvorentscheidung - bewusst oder unbewusst - eindeutig durch Erziehungsstil und Beeinflussung der Eltern, Freunde und Bekannten gefällt.

2. Lernziele

Groblernziele:

Die Schülerlnnen sollen erkennen:,

  • dass die Erstberufswahl und der Berufslebenslauf bei Jungen und Mädchen unterschiedlich verlaufen,
  • dass es geschlechtsspezifische Gründe für einen Berufswechsel oder einzelne Berufsstationen geben kann.

Feinlernziele:

Die Schüler sollen:

  • anhand unterschiedlicher Berufsbiographien von Männern und Frauen geschlechtsspezifische Einflussfaktoren auf die Erstberufswahl und den Berufslebenslauf kennen lernen,
  • die Bedeutung der Erstberufswahl für den Berufslebenslauf erkennen,
  • einen Zusammenhang zwischen Berufswahl, Berufswegplanung und selbstbestimmter Lebensplanung herstellen,
  • Möglichkeiten aufzeigen, die Chancengleichheit im Beruf bei Mädchen und Jungen zu fördern.

3. Unterrichtsverlauf:

3.1 Einstieg

Situationsbeschreibung

Es treffen sich zwei Frauen bzw. zwei Männer (30 Jahre), die gemeinsam die Schulzeit verbracht haben und erzählen einander, welchen beruflichen Weg sie genommen haben.

Hans (Sabine): "Hallo Frank (Hanna). Mensch, wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen! 14 Jahre muss das her sein, seit der Penne. Ich hätte Dich beinahe nicht erkannt! Gut siehst Du aus!"

Frank (Hanna): "Ich freue mich ja so, dich nach so langer Zeit wiederzusehen. Hast Du etwas Zeit? Lass uns in das Café dort drüben gehen. Dann können wir uns in Ruhe erzählen, was wir in der Zwischenzeit gemacht haben."

3.2 Vorbereitung des Rollenspiels

Das Rollenspiel für die beiden Frauen bereiten jeweils zwei Mädchen vor, das Rollenspiel für die beiden Männer je zwei Jungen der Klasse in Partnerarbeit.

Bei Berufswegen, über die die Schüler nicht genau Bescheid wissen, sollten vorher Informationen über Berufsberater/BIZ bzw. aus Broschüren vom Arbeitsamt (Beruf aktuell/Blätter zur Berufskunde) geholt werden. Besondere Lebens-, Berufsereignisse, z.B. Heirat, Kinder, Arbeitsplatzwechsel, evtl. Berufswechsel, Wohnortwechsel sollten in das Rollenspiel eingebracht werden.

Es ist wichtig, möglichst unterschiedliche Berufswege zu wählen. Die Rollen sollte man auf Rollenkarten schriftlich festhalten.

3.3 Durchführung des Rollenspiels

Je zwei Mädchen bzw. zwei Jungen spielen ihre Rollen entsprechend den vorbereiteten Rollenkarten. Die anderen Mitschülerlnnen beobachten und machen sich Notizen zu den Rollen und den Begründungen für die Erstberufswahl und den Berufslebenslauf.

3.4 Auswertung des Rollenspiels

Im Auswertungsgespräch werden mögliche geschlechtsspezifische Einflussfaktoren herausgearbeitet und die verschiedenen Gründe für die Erstberufswahl und den unterschiedlichen Berufslebenslauf analysiert.

Zum Beispiel:

4. Einflussfaktoren auf die Erstberufswahl

Frank - technisches Interesse - Mithilfe bei häuslichen Reparaturen des Vaters (Fähigkeit, Förderung durch Eltern) - Vater in einem Kfz-Betrieb tätig (Vorbildfunktion des Elternhauses) - Teilnahme am Wahlpflichtkurs Technik in der Schule.


Hans - Interesse an wirtschaftlichen Fragestellungen (Gruppenleiter beim Planspiel Börse, Fernsehsendungen über Wirtschaft, Wirtschaftsteil der Tageszeitungen) - Vater in einem Industriebetrieb in der Verwaltung tätig (Vorbildfunktion von Bekannten)

Hanna - Interesse an Mode - Schulunterricht im Fach Textiles Gestalten (WPK) - Freude am Umgang mit Menschen (Fähigkeit) - Freundin der Schwester in einem Warenhaus tätig (Vorbildfunktion von Bekannten) [/S. 35:]

Sabine - technisches Interesse - Technikunterricht in der Schule (WPK)

5. Einflussfaktoren auf den Berufslebenslauf

Frank - Qualität der Ausbildungsstätte - Meisterschule - Möglichkeit der Übernahme eines bestehenden Kfz-Betriebes in der Kleinstadt - Engagement und kaufmännische Qualifikation der Ehefrau

Hans - Studium - Betriebswechsel zur Höherqualifizierung - damit verbunden der Umzug in eine andere Stadt - familiäre Ungebundenheit

Hanna - Qualität der Ausbildungsstätte - Heirat - Kinder, Erziehungsurlaub - Möglichkeit der Unterbringung der Kinder im Kindergarten

Sabine - Amerikaaufenthalt - Studium - Arbeitsplatzangebot bei einem großen Konzern - Heirat, Kind - Möglichkeit der Unterbringung der Kindes bei einer Tagesmutter

 

 

6. Unterschiedliche Gründe für die Erstberufswahl bei Jungen und Mädchen

1. Gesellschaftliche Rollenerwartungen
2. Zielvorstellungen der Eltern, Förderung, Erziehung, Vorbildfunktion des Elternhauses
3. Unterschiedliche Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten
4. Hobbys
5. Beeinflussung durch Freunde, Bekannte
6. Zielvorstellungen

 

7. Gründe für die unterschiedlichen Berufslebensläufe bei Jungen und Mädchen

1. Qualität der Ausbildung
2. Betriebsklima
3. berufliche Qualifikation
4. Weiterbildungs- und Aufstiegschancen
5. regionales Arbeitsplatzangebot
6. attraktive Angebote von anderen auswärtigen Firmen
7. familiäre Situation

8. Verallgemeinerung

Chancengleichheit - eine Utopie?

Als Resümee werden Möglichkeiten diskutiert, Chancengleichheit im Beruf bei Mädchen und Jungen zu verbessern. Mögliche Diskussionspunkte/Denkanstöße können sein:

  • Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • Problem der beruflichen Mobilität von Frauen bei Aufstiegsmöglichkeiten, Betriebswechsel, Berufsveränderung
  • Aktionen, um die Bedingungen für die berufliche Tätigkeit, besonders von Frauen, zu verbessern, z.B. durch:
    - Kinderbetreuungsangebote - partnerschaftliche Arbeitsteilung in der Familie - Jobsharing, bei Männern wie bei Frauen - Frauenförderpläne, die den Betrieben Anreize bieten, um Mädchen auszubilden oder Frauen zu beschäftigen
  • Möglichkeiten/Ideen, partnerschaftliches Rollenverhalten in der Familie zu praktizieren
  • Veränderung im Verhalten von LehrerInnen und Schülerlnnen, um Chancengleichheit im Unterricht zu fördern.

9. Literatur

Landkreis Oldenburg, Stadt Oldenburg, Amt der Frauenbeauftragten (Hg.) (1992): Berufswahl und Berufsplanung für Mädchen und Jungen. Oldenburg.

10. zur Autorin

Ursel Imhof
Realschullehrerin/Fachseminarleiterin
Weimarer Str. 60,
21614 Buxtehude

Dieser Text ist ursprünglich unter gleichem Titel erschienen in: arbeiten+lernen/Wirtschaft, 4. Jg. (1994) Nr. 16, S. 34-35.
© 1994 Verlag Erhard Friedrich, Seelze; © 2001 Ursel Imhof, Buxtehude
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
sowi-online dankt dem Verlag Erhard Friedrich, Seelze, und der Verfasserin für die freundliche Genehmigung zum "Nachdruck" dieses Textes im Internet.
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