Expertenbefragungen im Rahmen von Erkundungen

Karl-Josef Burkard

Inhalt

1. Expertenbefragung zum Thema "Personalwesen" im Rahmen einer Betriebserkundung
1.1 Der unterrichtliche Zusammenhang der Erkundung
1.2 Die Vorbereitung der Erkundung
1.3 Leitfaden für die Befragung des Personalchefs
1.4 Ablauf der Erkundung
1.5 Auszug aus einem Schülerprotokoll
2. Expertenbefragung in einer Bank zum Thema Kreditaufnahme und Geldanlage
2.1 Auszug aus einem Schülerprotokoll
2.2 Simulation zweier Beratungsgespräche
Praxisfall A: Konsumentenkredit (Anschaffungsdarlehen)
Praxisfall B: Geldanlage
3. Fazit
Zum Autor

 

Die im Folgenden vorgestellten Praxisbeispiele entstammen dem Wirtschaftsunterricht in der gymnasialen Oberstufe. Sie sind aber mit einigen Modifikationen auch auf die Sekundarstufe I übertragbar, da sie Fragen behandeln, die schulstufen- und schulformübergreifend sind. Ihre Dokumentation verfolgt die Absicht, einige Aspekte zu verdeutlichen, die im Zusammenhang mit Expertenbefragungen und Erkundungen nicht immer hinreichend beachtet werden.

1. Expertenbefragung zum Thema "Personalwesen" im Rahmen einer Betriebserkundung

1.1 Der unterrichtliche Zusammenhang der Erkundung

Im Rahmen eines Halbjahreskurses zum Thema "Das Unternehmen als ökonomisches und soziales Aktionszentrum" wurden rechtliche, betriebswirtschaftliche und soziale Aspekte des Unternehmens exemplarisch erarbeitet und durch Erkundungen und Expertenbefragungen vertieft. Über Chancen und Voraussetzungen einer Unternehmungsgründung informierte der Existenzgründungsberater der IHK, ein Industrieunternehmen gab Einblick in seine Leitungs- und Organisationsstrukturen; der Personalchef eines Handelsunternehmens stellte sich den Fragen zum Komplex Personalwirtschaft. Die Personalwirtschaft stellt einerseits eine zentrale Funktion des Managements (im Sinne der Lenkung, Steuerung und Koordination des Unternehmens) dar, auf die bei einer unterrichtlichen Behandlung des Unternehmens als "ökonomisches und soziales Aktionszentrum" nicht verzichtet werden sollte. Sie bietet andererseits vielfältige Verknüpfungsmöglichkeiten mit den Themenkreisen "Berufswahl", "Stellenausschreibung und Stellenbewerbung" sowie "Berufsausbildung", die für die Jugendlichen von existentieller Bedeutung sind. Aus dieser Verknüpfung von objektiver betrieblicher Notwendigkeit und subjektiver Bedeutsamkeit erwächst eine starke Motivation der Jugendlichen, sich mit dieser Thematik auseinander zu setzen.

1.2 Die Vorbereitung der Erkundung

Der Erkundung und Expertenbefragung zur Personalwirtschaft ging eine siebenstündige Unterrichtseinheit voraus, die sich in drei Phasen gliederte:

Erarbeitung von Basisinformationen zum Thema "Personalwirtschaft" (3 Stunden)

Nach der Vorführung und Besprechung von Ausschnitten aus dem Film zu Lektion 6 ("Personalwirtschaft") des "Telekolleg II. Betriebswirtschaftslehre" wurde das entsprechende Kapitel aus dem gleichnamigen, von Wolfgang Weber verfassten Begleitband (7. Auflage, München 1995, S. 60ff.) unter folgenden Aspekten erarbeitet:

Personalbereitstellung

(1) Personalbedarf

(2) Externe Personalbeschaffung

(3) Interne Personalbeschaffung

Betriebliche Bildungsarbeit

(1) Berufsausbildung

(2) Betriebliche und außerbetriebliche Weiterbildung

Während das Telekolleg Betriebswirtschaftslehre vom Anspruchsniveau eher für den Unterricht in der gymnasialen Oberstufe geeignet ist, könnte man für Schüler der Sekundarstufe I durchaus das für gewerblich-technische Ausbildungsberufe konzipierte Lehrbuch "Wirtschaft und Betrieb" von Franz-Josef Kaiser und Hans Kaminski heranziehen (Berlin 1993, S. 137ff.).

Anwendung des Gelernten im Rahmen einer Fallstudie (2 Stunden)

Nach dieser grundlegenden Einführung, die durch die Auswertung aktueller Stellenanzeigen ergänzt worden war, erhielten die Schüler die Möglichkeit, ihr theoretisches Wissen auf einen konkreten Fall zu beziehen. Im Rahmen der Fallstudie "Exportsachbearbeiter/in gesucht" (von Volker Brettschneider, Franz-Josef Kaiser und Bernd Otto Weitz, in: a+l/W, H. 14, 2/94, S. 29ff.) mussten sie sich in die Rolle eines Personalchefs versetzen, Bewerbungsunterlagen sichten und eine(n) geeignete(n) Bewerber(in) aussuchen. Nach der Konfrontation mit dem Fall erarbeiteten die Schüler in fünf Arbeitsgruppen auf der Basis der vorliegenden Materialien (Stellenbeschreibung, Stellenanzeige, Gehaltstarifvertrag, Bewerbungsschreiben) begründete Auswahlentscheidungen, die schließlich im Plenum präsentiert und diskutiert wurden.

Auswertung von Informationen über das erkundete Unternehmen (2 Stunden)

Im Rahmen der weiteren Vorbereitung der Erkundung und Expertenbefragung in einem florierenden Handelsunternehmen der Region wurden allgemein zugängliche Quellen über das Unternehmen (Firmenmitteilungen, Presseberichte, Mitarbeiterzeitung, Kataloge, Prospekte, Tabellen und Aufsätze aus Fachzeitschriften) unter verschiedenen Aspekten wie Rechtsform, Geschäftsführung, Art und Geschichte des Betriebes, Umsatzentwicklung, Marktstellung, Marketing, Beschäftigung etc. ausgewertet, so dass die Schüler differenzierte Fragen stellen konnten. Während Gesichtspunkte der betrieblichen Organisation und des Marketing (auf die hier nicht weiter eingegangen wird) im Zentrum einer kurzen Einführung und der Betriebsbesichtigung stehen sollten, sollten Fragen zum Personalwesen den Schwerpunkt der Expertenbefragung bilden.

1.3 Leitfaden für die Befragung des Personalchefs

Die im Folgenden dokumentierten Fragen an den Personalchef hätten ohne die dreistufige Vorbereitung so nicht gestellt werden können; sie setzen sowohl generelles Wissen über Aufgaben, Methoden und Probleme der Personalwirtschaft als auch konkrete Informationen über den Erkundungsbetrieb voraus.

  1. Beschäftigtenstruktur
    • Wie viele Arbeiter und Angestellte sind in Ihrem Unternehmen beschäftigt?
    • Wie hoch ist in etwa der Anteil der Gelernten und der Angelernten?
    • Wie groß ist der Frauenanteil in Ihrem Unternehmen?
    • In welchen Bereichen des Unternehmens sind Frauen besonders stark vertreten? [/S. 28:]
    • Aus welchem geographischen Einzugsbereich kommen Ihre Beschäftigten?
  2. Personalbeschaffung
    • Wie schreiben Sie Stellen aus? Extern: über Arbeitsamt, Zeitungen?
    • Gibt es in Ihrem Unternehmen auch einen internen Arbeitsmarkt?
    • Wie vollzieht sich der Einstellungsprozess bzw. die Auswahl der Bewerber?
    • Worauf achten Sie bei Bewerbungen? Gibt es Altersgrenzen bei Einstellungen?
    • Für welchen Bewerber hätten Sie sich bei der von uns bearbeiteten Fallstudie entschieden?
    • Gibt es Saisonarbeit? Woher rekrutieren Sie Aushilfskräfte?
    • Wie werden die neu eingestellten Mitarbeiter in ihre jeweiligen Tätigkeiten eingeführt?
    • Was sind die häufigsten Gründe für Entlassungen?
  3. Betriebliche Ausbildung
    • Wie viele Auszubildende in welchen Ausbildungsberufen gibt es in Ihrem Unternehmen?
    • Welche Schulabschlüsse haben die Auszubildenden in der Regel?
    • Führen Sie spezielle Seminare in Ergänzung zur Berufsschule durch? Gibt es Blockunterunterricht?
    • Wie hoch ist die durchschnittliche Ausbildungsvergütung?
    • Wie viel kostet das Unternehmen ungefähr ein Ausbildungsplatz, oder anders gefragt: Erwirtschaftet ein Auszubildender auch nur ansatzweise das, was seine Ausbildung den Betrieb kostet?
    • Werden Auszubildende nach ihrer Lehrzeit in den Betrieb übernommen?
  4. Weiterbildung
    • Was sind die häufigsten Motive der Beschäftigten für Weiterbildung?
    • Wie wird versucht, Beschäftigte zur Weiterbildung zu bewegen?
    • Für welche Unternehmensbereiche gibt es besonders viele Weiterbildungsaktivitäten?
    • Finden Weiterbildungsmaßnahmen intern oder durch externe Träger statt?
    • Wird eine finanzielle Selbstbeteiligung der Beschäftigten bei Weiterbildungsaktivitäten erwartet?
  5. Mitwirkung des Betriebsrats
    • Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei den obigen Fragen der Personalbeschaffung sowie der Aus- und Weiterbildung?

1.4 Ablauf der Erkundung

  1. Begrüßung durch den für das Personalwesen zuständigen Geschäftsführer: kurze Vorstellung des Unternehmens (etwa 15 Minuten)
  2. Führung durch den Betrieb (etwa 45 Minuten) mit den Schwerpunkten Lagerhaltung, Versand und Auftragseingang
  3. Gespräch über die vereinbarten Fragenkomplexe (etwa 90 Minuten)
    a) Marketing (kurz)
    b) Organisation (kurz)
    c) Personalwirtschaft (ausführlich)
    An dem Gespräch nahm auch die Betriebsratsvorsitzende teil.

1.5 Auszug aus einem Schülerprotokoll

"Die Unternehmensgruppe beschäftigt insgesamt etwa 1850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Tätigkeiten liegen hauptsächlich im Ein- und Verkauf, in der Verwaltung, in der EDV, im Marketing und in der Lagerhaltung. Besonders im Bereich des Kundenkontakts, also beim Telefondienst und in den Filialen, ist ein hoher Anteil Frauen als Teilzeitkräfte beschäftigt [...] Die Firma bildet hauptsächlich in kaufmännischen Berufen aus. Die Übernahme der Auszubildenden erfolgt entsprechend den gezeigten Leistungen. [...]

Der Weg der Personalbeschaffung beginnt mit der betriebsinternen Ausschreibung. (Wir sahen eine solche Ausschreibung am schwarzen Brett.). Mitarbeiter des Betriebs haben vierzehn Tage Zeit, sich schriftlich zu bewerben. Damit bietet die Firma ihren Mitarbeitern Aufstiegschancen und kann qualifiziertes Personal aus den eigenen Reihen wesentlich sicherer finden, da eine längere Betriebszugehörigkeit eine gewisse Einschätzbarkeit und Erfahrung garantiert.

Erst wenn sich nach zweiwöchiger Frist kein passender Mitarbeiter gefunden hat, wird die Stelle (meist in der regionalen Presse) extern ausgeschrieben. Bei der Bewerbung achten die zuständigen Mitarbeiter der Firma zunächst darauf, dass sich die Bewerber genau auf die ausgeschriebene Stelle bewerben und dass ein vollständiger, d.h. lückenloser tabellarischer Lebenslauf beigefügt ist. Die Bewerbung sollte möglichst kurz und prägnant sein. Nach der Vorauswahl aufgrund der schriftlichen Unterlagen werden die in die engere Wahl gezogenen Bewerber zum Einstellungsgespräch geladen. [...]"

2. Expertenbefragung in einer Bank zum Thema Kreditaufnahme und Geldanlage

2.1 Auszug aus einem Schülerprotokoll

Im Rahmen einer Unterrichtsreihe zum Thema "Geld und Geldpolitik", die sich im Großen und Ganzen an die gleichnamige Broschüre der "Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Bildung" anlehnte, wurden nach einer grundlegenden Einführung in Funktionen und Arten des Geldes sowie in Aufgaben und Organisation des Bankensystems in Deutschland zwei Situationen thematisiert, mit denen sich die Jugendlichen schon bald konfrontiert sehen könnten: Konsumentenkredit und Geldanlage. Es wäre allerdings auch denkbar, diese typischen Bankgeschäfte innerhalb einer fallorientierten Einführung in das Vertragsrecht oder in einer Einheit zum Verbraucherverhalten und Verbraucherschutz zu behandeln

Bankerkundungen finden häufig in der Form der Betriebsbesichtigung (bei der naturgemäß nicht allzu viel gezeigt werden kann) mit anschließendem Vortrag über Aufgaben und Organisation des Bankensystems im Allgemeinen und der einladenden Bank im Besonderen statt. Die so vermittelten Eindrücke und Informationen stehen oft in keinerlei Zusammenhang mit einer unterrichtlichen Behandlung des Themas. Das hat seinen Grund unter anderem darin, dass sich nicht wenige Lehrer fachlich überfordert fühlen und deshalb gern die Verantwortung für den Ablauf derartiger Veranstaltungen an zwar fachlich, aber nicht unbedingt didaktisch und methodisch qualifizierte Bankangestellte delegieren.

Demgegenüber ist darauf zu bestehen, dass Erkundungen Veranstaltungen der Schule an einem außerschulischen Lernort sind, für deren Verlauf und Inhalt letztlich der unterrichtende Lehrer die Verantwortung trägt. Diese Forderung beinhaltet, dass der Unterrichtende zum einen seine Schüler fachlich angemessen vorbereitet und mit ihnen sinnvolle Fragestellungen entwickelt, zum anderen mit den außerschulischen Experten Zielsetzungen, inhaltliche Schwerpunkte und methodische Gestaltung der Erkundung und/oder des Expertengespräches bespricht. Um zu vermeiden, dass der in der Regel pädagogisch nicht geschulte Experte über die Köpfe seiner jungen Zuhörer hinweg doziert, ist es unerlässlich, ihn rechtzeitig mit dem Wissens- und Erkenntnisstand, den Interessen und der Aufnahmefähigkeit der Schüler vertraut zu machen.

Expertenbefragungen müssen sich keineswegs in einem Frage-Antwort-Spiel erschöpfen. Zahlreiche Varianten bieten sich an: So könnten die Schüler dem Experten ihre Lösungen zu einer im Unterricht bearbeiteten Fallstudie oder die Ergebnisse eines Projekts vortragen und ihn um seine Stellungnahme dazu bitten. Sie könnten ihn aber auch in ein Rollenspiel [/S. 29:] oder in eine andere Art der Simulation einbeziehen.

In unserem konkreten Fall hatten wir mit der Leitung einer Bankfiliale vereinbart, dass eine Kundenberaterin mit Schülern zwei Beratungsgespräche zu von uns definierten Situationen durchführen sollte:

Situation A: Konsumentenkredit (Anschaffungsdarlehen)

Situation B: Geldanlage

2.2 Simulation zweier Beratungsgespräche

Praxisfall A: Konsumentenkredit (Anschaffungsdarlehen)

Eine Berufsanfängerin will für die Einrichtung einer eigenen Wohnung einen Kredit über 20.000 DM aufnehmen

Natalie spielt die Rolle der Kreditnehmerin. Eine Kundenberaterin prüft ihre Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit und klärt mit ihr sämtliche Formalitäten eines Kreditvertrages. Es werden folgende persönliche Voraussetzungen der Kreditnehmerin angenommen

  • Das monatliche verfügbare Einkommen beträgt 2500 DM
  • Die Kreditnehmerin ist ledig und ohne Kinder
  • Sie hat einen auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrag
  • Ihre Eltern wollen oder können nicht bürgen.
  • Sie möchte den Kredit einerseits möglichst bald zurückzahlen.
  • Andererseits wünscht sie sich, dass die monatliche Belastung durch Zinsen und Tilgung möglichst 400 DM nicht übersteigt.

Ergebnis der Beratung:

Natalie ist zwar kreditfähig; die Bank ist wegen ihres geringen frei verfügbaren Einkommens und ihrer ungefestigten beruflichen Stellung aber nur bereit, einen Kredit über ca. 10.000 DM zu gewähren.

 

Praxisfall B: Geldanlage

20.000 DM Bargeld, die geerbt wurden, sollen angelegt werden.

Berend spielt die Rolle des Ratsuchenden. Die Kundenberaterin berät ihn über verschiedene Anlagemöglichkeiten. Das Beratungsgespräch soll zumindest zu einer Vorentscheidung über eine bestimmte Geldanlageform führen. Nach den Vorstellungen des Kurses sollen folgende persönliche Voraussetzungen des Geldanlegers gegeben sein

  • Er ist 19 Jahre alt, geht noch zur Schule, macht in einem halben Jahr sein Abitur und will nach Bundeswehr bzw. Zivildienst studieren.
  • Aufgrund der Einkommensverhältnisse seiner Eltern wird er BAFÖG erhalten, das er durch Ferienjobs aufzubessern gedenkt.
  • Ein erhöhter Finanzbedarf wird frühestens in 4 Jahren eintreten.
  • Er ist also weniger an hoher Liquidität bzw. kurzfristiger Verfügbarkeit der Geldanlage als an einer hohen Rendite interessiert.
  • Er ist bereit, für einen optimalen Ertrag auch ein entsprechend erhöhtes Risiko einzugehen, ohne nun Sicherheitsaspekte völlig außer Acht zu lassen.

Ergebnis der Beratung:

Grundsätzlich sind bei einer Geldanlage die Anlagekriterien Sicherheit/Risiko (Werterhaltung), Liquidität (Verfügbarkeit) und Rentabilität (Ertrag) zu beachten. Berend wird in Anbetracht der von ihm geltend gemachten persönlichen Voraussetzungen zu einer Anlage in festverzinsliche Wertpapiere geraten, bei denen (nach damaliger Sichtweise) die genannten Kriterien in einem relativ ausgewogenen Verhältnis stünden.

Die Schüler protokollierten die Beratungsgespräche für die folgende fachliche Vertiefung, in der sowohl auf Bedeutung, Formen und Abwicklung von Krediten als auch auf Sparmotive, Anlageziele und Anlageformen näher eingegangen wurde.

3. Fazit

1) Im Prinzip kann (fast) jedes Thema zum Gegenstand einer Expertenbefragung gemacht werden, wobei das Verhältnis von organisatorischem Aufwand und inhaltlichem Ertrag beachtet werden sollte. So können grundlegende Informationen in der Regel im lehrgangsförmigen Unterricht effektiver vermittelt werden, während ihre Veranschaulichung, Überprüfung, Ergänzung und Vertiefung durchaus im Gespräch mit Experten erfolgen kann.

2) Expertenbefragungen bleiben auch dann schulische Veranstaltungen, wenn sie außerhalb der Schule stattfinden, und zwar nicht nur in rechtlicher und versicherungstechnischer, sondern auch und vor allem in didaktischer und methodischer Hinsicht. Sie bedürfen daher

  • der Einbindung in einen thematischen Zusammenhang, d.h. der inhaltlichen Vor- und Nachbereitung innerhalb eines Unterrichtsvorhabens
  • einer grundsätzlichen Verständigung zwischen Lehrer und Experten über die unterrichtlichen Voraussetzungen, das Sprach- und Verständnisniveau an die Intentionen, die thematischen Schwerpunkte und den Ablauf der Befragung

3) Auch wenn detaillierte Fragenkataloge erstellt werden, sollten diese als flexibel zu handhabende Leitfäden verstanden werden, die einerseits das Gespräch strukturieren und so ausufernde Exkurse oder die Fixierung auf einen einzigen Diskussionspunkt vermeiden helfen, andererseits aber spontane Fragen der Schüler, die zusammenfassende Beantwortung von Fragen durch den Experten sowie das Vor- und Zurückstellen von Fragenkomplexen zulassen. Nur so ist eine Interaktion zwischen Schülern und Experten möglich, in der es zu sehr intensiven Momenten kommen kann, beispielsweise wenn der Personalchef über seine konkreten Erfahrungen mit Auszubildenden spricht. Damit der Leitfaden diese Funktion erfüllen kann, ist nicht nur eine gewisse Selbstdisziplin aller Beteiligten nötig, sondern auch der Lehrer als Moderator gefordert, der gegebenenfalls das Gespräch mit freundlichem Nachdruck zu den vereinbarten Themen zurücklenkt

4) Das methodische Instrument der Expertenbefragung kann mit anderen Methoden verknüpft werden, z.B. mit einer Fallstudie, einem Projekt oder einem Rollenspiel. So können dem Experten die Resultate eines Projekts oder einer Fallstudie zur Stellungnahme vorgelegt werden, für die Schüler ist schon die Aussicht auf eine Konfrontation der eigenen Entscheidungen und Arbeitsergebnisse mit dem Erfahrungswissen und den Einschätzungen eines erfahrenen Praktikers motivierend. Ein hohes Maß an Authentizität gewinnt die Begegnung mit dem Praktiker stets dann, wenn dieser mit und gegenüber den Schülern Standardsituationen seines beruflichen Alltags durchspielt: eine Kredit- oder Anlageberatung in einer Bankfiliale, eine typische Produktberatung in einer Verbraucherzentrale, ein Verkaufsgespräch in einem Handelsunternehmen, eine Rechtsberatung in einem Kündigungsfall bei einem Arbeitgeberverband oder einer Gewerkschaft etc.

Zum Autor

Dr. Karl-Josef Burkard unterrichtet am Alten Gyrnnasium Oldenburg die Fächer Wirtschaftslehre, Politik und Geschichte


Dieser Text ist ursprünglich unter gleichem Titel erschienen in: arbeiten+lernen/Wirtschaft, 8. Jg. (1998) Nr. 32, S. 27-29.
© 1998 Verlag Erhard Friedrich, Seelze; © 2001 Karl-Josef Burkard, Oldenburg
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
sowi-online dankt dem Verlag Erhard Friedrich, Seelze, und dem Verfasser für die freundliche Genehmigung zum "Nachdruck" dieses Textes im Internet.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Copyright-Inhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, auch im Internet.