Handreichungen für die Durchführung eines Projektes Projektthema: Arbeitslosigkeit

Ralf Junk; Sabine Müller; Horst Rauhoff; Karin Schmitt-Müller; Markus Weber
(Landesseminar für das Lehramt an beruflichen Schulen, Völklingen)

Inhalt

Vorwort

  1. Projektablaufplanung
  2. Allgemeiner Projektablauf
    1. Vorbereitungsphase
    2. Durchführungsphase
    3. Abschlußphase
  3. Vorschlag für die Durchführung des Projektes "Arbeitslosigkeit"
    1. Vorbereitung
    2. Durchführungsphase
      1. Fach BWL/VWL:
      2. Fach: Sport
        1. Basiswissen (Gruppenarbeit)
        2. Erarbeitung eines sinnvollen Freizeitprogramms (Gruppenarbeit)
        3. Workshops organisieren
      3. sonstige Fächer
    3. Abschlußphase
  4. Lernziele
  5. Themenvorschläge

Vorwort

Im Rahmen der 2. Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen haben wir in dem Seminar "Medien und Projekte" eine Konzeption zur Durchführung eines Projektes erarbeitet.

Welche Merkmale charakterisieren den Projektunterricht?:

  • Situationsbezug und Lebensnähe,
  • Orientierung an den Interessen aller Beteiligten,
  • Selbstorganisation und Selbstverantwortung,
  • Soziales Lernen,
  • Interdisziplinarität ( fächerübergreifend) und
  • Produktion praktischer Ergebnisse.

Durch den Projektunterricht lernt der Schüler, komplexe Lebens- und Arbeitssituationen zu verstehen und nachzuvollziehen. Gleichzeitig lernt er, Werthaltungen zu bilden.

Der Projektunterricht zählt zu den handlungsorientierten Unterrichts-methoden, die Schülern und Schülerinnen ein großes Maß an Eigentätigkeit und selbständigem Lernen abverlangen.

Das vorliegende Skript dient als Handreichung für KollegInnen aller beruflichen Schulen (kaufmännisch-wirtschaftlicher Bereich), die sich im Sinne der Flexibilisierung der Stundentafel mit dem Projektunterricht auseinandersetzen möchten. [/S. 42:]

1. Projektablaufplanung

Projektarbeit läßt sich in zwei große Teilbereiche einteilen:

a) Erstellen eines Ablaufplans

und

b) Durchführung des geplantes Projektes.

Das Erstellen eines Ablaufplanes ist erforderlich, um die grundsätzliche Struktur des Projektes festzulegen. Inwieweit an dieser Planerstellung Lehrpersonen und Schüler mitwirken ist davon abhängig, wie projekterfahren die Beteiligten sind.

Der Plan soll die Richtschnur für die Projektarbeit sein. In den bei einer Projektarbeit erforderlichen Fixpunkten ( Zusammenkommen aller Beteiligten zur Darstellung bereits geleisteter Tätigkeiten, Erörterung vorhandener Probleme und zur Durchführung eines Soll-Ist-Vergleichs bezüglich Inhalten, Zeitvorgaben usw.) dient der Projektplan als Zielvorgabe für das Gesamtprojekt. Er ist die Basis, auf die sich die Beteiligten in Diskussionen berufen können. Falls erforderlich, muß der Plan, z. B. bei geänderten Rahmenbedingungen, einer neuen Situation angepaßt werden.

Vier Modelle, entnommen aus dem Buch: Frey, Karl, Die Projektmethode, Beltz Verlag, Weinheim und Basel, zeigen denkbare Projektabläufe. [/S. 43:]

[Modell 1 = S. 42; Anm. der sowi-online-Red.]



[Modell 2 = S. 43; Anm. der sowi-online-Red.]




[Modell 3 = S. 44; Anm. der sowi-online-Red.]





["Grundmuster der Projektmethode" = S. 45; Anm. der sowi-online-Red.]



[/S. 46:]

2. Allgemeiner Projektablauf:

Aufbauend auf den Gedanken dieser Modelle ist folgenderProjektablauf möglich:

Der Ablauf eines Projektes läßt sich in drei Phasen gliedern:

  1. Vorbereitungsphase,
  2. Durchführungsphase,
  3. Abschlußphase.

2.1 Vorbereitungsphase

  • Terminierung,
  • Auswählen eines Themas durch die Lehrperson. Diese Vorgehensweise empfliehlt sich für KollegInnen, die zum ersten Mal eine Projektarbeit durchführen. Bei Projekterfahrung können Initiative und Themenwahl an die Klasse delegiert werden,
  • Gemeinsam mit den Teilnehmern die Inhalte des Projektes festlegen.
  • Unterthemgn (Grobthemen),
  • zu integrierende Fächer,
  • Zeitrahmen festlegen,
  • Erstellen einer realistischen Projektskizze als Grundlage für die Projektdurchführung,
  • Fächerkoordination durch Absprache mit KollegInnen bei fächerübergreifenden Projekten,
  • Gemeinsames Festlegen des Projektabschlusses und Festlegung der Art und Weise der Projektpräsentation (u. a. rechtl. Rahmen, Absprachen mit der Schulleitung, Öffentlichkeitsarbeit usw.),
  • Klärung organisatorischer Fragen (z. B. Raumfrage, Versicherung bei Aussenarbeiten usw. ).

2.2. Durchführungsphase

  • Methodenauswahl für die einzelnen Projektphasen (Gruppenarbeit, Einzelarbeit, Arbeiten im Klassenverband),
  • Verteilung der Aufgaben,
  • Terminabsprachen mit außenstehenden Institutionen.

In der Durchführungsphase sind in regelmäßigen Abständen Fixpunkte einzulegen. In diesen Fällen setzen sich die Beteiligten zusammen und berichten über bereits geleistete Arbeit und über die Vorhaben für die näcste Zeit. Somit kann überprüft werden, ob sich alle Gruppen entsprechend der Projektskizze verhalten bezüglich Zeitplanung und Inhaltsplanung. Gegebenenfalls muß die Projektskizze geändert werden oder die Beteiligten korrigieren ihre Vorgehensweise.

2.3. Abschlußphase

Durchführung der Projektpräsentation unter Mitwirkung aller Beteiligten.

3. Vorschlag für die Durchführung des Projektes "Arbeitslosigkeit"

3.1. Vorbereitung

  • Projektthema ist bereits vorgegeben,
  • SchülerInnen entwickeln im Brainstorming Ideen (Unterthemen) zum Thema Arbeitslosigkeit.
    Denkbare Themen:
    • Jugendarbeitslosigkeit
    • Massenarbeistlosigkeit
    • Weiterbildungsmöglichkeiten
    • finanzielle Unterstützung
    • Anlaufstellen
    • Freizeitgestaltung
  • Festlegen der im Projekt integrierten Fächer.
    Zum Beispiel:
    FachInhalt
    BWL
    • Prod.-Faktor Arbeit ( allgemein ) in Deutschland
    • Soziale Sicherung der Arbeitnehmer
    Sport
    • sinnvolle Freizeitbeschäftigungen
    VWL
    • Formen der Arbeitslosigkeit
    • Problem Schwarzarbeit
    • Statistiken
    • Auswirkungen der AL auf die Märkte
    • Bestandsaaufnahme am Arbeitsmarkt
    • Ursachen der AL
    Religion
    • Konfliktbewältigung bei AL
    • Hilfsangebote
    Sozialkunde
    • Weiterbildungsmöglichkeiten
    • Qualifikationen (Umschulung/Bund-Zivi.)
    • Rechte der Arbeitnehmer (Arbeitsrecht)
    • Teilzeitarbeit
    • Unterstützungen durch die öffentl. Hand
    Deutsch/Fremdsprachen
    • Bewerbungsschreiben
    • Vorstellungsgespräch
    • AL in Frankreich
    • Befragung der Bevölkerung über AL
    EDV
    • Grafiken erstellen (für Präsentation)
    Kunst
    • Plakate erstellen (für Präsentation)
  • Terminierung des Projektes
    (Vorschlag: Beginn der Oberstufe (für alle Schulformen)),
  • Absprachen mit den Kollegen/Kolleginnen über die Themenzuordnung zu den einzelnen Fächern,
  • Zeitrahmen festlegen
    (Vorschlag: Vollzeitschulen: ca. 2-3 Wochen
    Teilzeitklassen: ca. 6-9 Wochen). [/S. 47:]

Bei der Zeitplanung muß berücksichtigt werden, daß der Zeitaufwand dadurch minimiert werden kann, daß die Fachlehrer teilweise die sowieso zu behandelnden Stoffgebiete in der normalen Unterrichtszeit (laut Lehrplan) bearbeiten können. Dadurch ist oftmals ein zusätzlicher Zeitaufwand nicht erforderlich.

In diesem Fall ist, aufgrund der besonderen Projektsituation, Gelegenheit gegeben, zum Beispiel auch einmal andere Unterrichtsmethoden anzuwenden. Dadurch, daß im Rahmen des Projektes der Zeitraum überschaubar ist, können auch Versuche mit handlungsorientiertem Unterricht durchgeführt werden. Somit kann die Chance genutzt werden, daß man auf diesem Gebiet Erfahrungen sammeln kann.

Zusätzlicher Zeitaufwand wird vermutlich für den Projektleiter erforderlich sein bei der Projekt-Vorbereitungsphase und der Abschlußphase.

3.2. Durchführungsphase

3.2.1. Fach BWL/VWL:

  • Orientierung an den Lernzielen des jeweiligen, schulspezifischen Lehrplans,
  • Aufteilung der Klasse in Gruppen,
  • Bestandsaufnahme:
    Den Lernenden wird Informationsmaterial (Statistiken, Filme usw.) für die Auswertung zur Verfügung gestellt,
  • Berichterstattung:
    Schüler berichten über Erfahrungen mit AL,
  • Darstellung:
    Die Lernenden erfassen Ursachen und Formen der AL,
  • Problematisierung:
    Die Lernenden stellen die Probleme der Arbeitslosen dar: [/S. 48:]
    • finanzielle Probleme
    • Probleme des Ansehens
    • Problem der Schwarzarbeit
    • usw.,
  • Ortstermin: z. B.: Stadt Völklingen
    • Feststellung der Auswirkungen der Arbeitslosigkeit
    • Fotografieren mit Kameras des LPM
    • Folgerungen ziehen:
      • Auswirkungen auf Märkte
      • Auswirkungen auf die Kaufkraft
      • Struktur der Wohngebiete
    • usw.
  • Ortstermin: z. B. Arbeitsamt
  • Fragen klären,
  • Ortstermin: z. B.: Befragung auf der Straße zum Thema AL.

3.2.2. Fach: Sport

3.2.2.1. Basiswissen (Gruppenarbeit)

Gruppe A:

Befragung auf der Straße (mit selbstentwickeltem Fragebogen):

  • Was machen Arbeitslose in ihrer Freizeit?
  • Welche besonderen Interessen bestehen für die Freizeit?

Bruppe B:

In Erfahrung bringen, welche Sport-Freizeitaktivitäten in der Stadt möglich sind (Vereine, Fitneßcenter, Sport-AG's usw.).

(Die Lernenden besuchen Vereine und Studios in Form von Hospitationen)

Gruppe C:

In Erfahrung bringen, welche finanziellen Unterstützungen Arbeitslose für ihre sportlichen Aktivitäten erhalten können.

3.2.2.2. Erarbeitung eines sinnvollen Freizeitprogramms (Gruppenarbeit)

Gruppe 1:

musische Erziehung: z. B. Gymnastik mit Musik, Tanz

Gruppe 2:

Gesundheitserziehung: z. B. Wirbelsäulengymnastik

Gruppe 3:

Freizeitspiele: z. B. Streetball, Federball, Tennis, Fußball, Volleyball

Gruppe 4:

Fitneß/Ausdauererziehung: z. B. Laufen im Wald, Trimm-Dich-Pfad

3.2.2.3. Workshops organisieren

  • Den Arbeitslosen werden Informationen über vorhandene Vereine, Studios, AG's usw. vorgestellt.
  • Vereine können sich selbst präsentieren.
  • Die Lernenden produzieren Handreichungen, die den Arbeitslosen zur Verfügung gestellt werden.
  • Literaturempfehlungen
  • Vorstellung der Ergebnisse aus Punkt 3.2.2.2.

3.2.3. sonstige Fächer

Die Ausführungen zu den beiden Fächern BWL/VWL und Sport sollten exemplarisch zeigen, welche Möglichkeiten im Rahmen der Projektarbeit in den einzelnen Fächern denkbar sind. Die Individualität und Spontanität der LehrerInnen und der Lernenden dürften jedes Projekt andersartig werden lassen, so daß landesweit eine Vielzahl interessanter Ergebnisse zu erwarten ist.

3.3. Abschlußphase

In der Abschlußphase soll die Projektarbeit abgerundet und beendet werden. In diesem Zusammenhang sind mehr oder weniger umfangreiche Abschlußarbeiten erforderlich, die natürlich von der Art der Präsentation abhängig sind.

Einige Stichpunkte sollen Möglichkeiten der Projektpräsentation aufzeigen:

  • Ausstellung der ermittelten Ergebnisse
  • Durchführung eines "Tages der offenen Tür" in der Abteilung
  • Zusammenfassung der Ergebnisse in einer Broschüre
  • Produktion einer Radiosendung (Offener Kanal) mit Präsentation der
    Ergebnisse
  • Präsentation produzierter Plakate
  • Information an die örtliche Presse
  • Einladung an Nachbarschulen
  • Info-Stand des Arbeitsamtes
  • usw. [/S. 49:]

4. Lernziele

Es steht außer Frage, daß Projektarbeit kognitive Lernziele des fachspezifischen Lehrplans anstrebt. Darüber hinaus stehen bei Projektarbeit Lernziele im affektiv-emotionalen Bereich im Vordergrund. Mögliche Ziele bei der Durchführung des Projektes "Arbeitslosigkeit" sind:

Die Schüler:

  • zeigen Interesse für Probleme der Arbeitslosen,
  • zeigen Bereitschaft, sich gemeinsam zu engagieren,
  • entwickeln Fähigkeiten, sich in die Lage der Arbeitslosen zu versetzen,
  • entwicklen Teamgeist,
  • korrigieren oder bestätigen ihre Einstellung bezüglich der Situation der Arbeitslosen,
  • überwinden die Hemmschwelle, in der Öffentlichkeit aufzutreten,
  • werden aufmerksam auf Möglichkeiten der sinnvollen Freizeitgestaltung,
  • zeigen Bereitschaft, durch Weiterbildung die beruflichen Chancen zu verbessern.

5. Themenvorschläge

Außer dem vorgegebenen Projekt Arbeitslosigkeit lassen sich eine Vielzahl anderer Projekte an kaufm. berufsbildenden Schulen durchführen. Weitere mögliche Themen sind z. B. :

  • Schulischer Lebensbereich
    • Organisationsstruktur unseres Bildungssystems
    • Analyse des Schulstandortes
    • Gesetzliche Rahmenbedingungen unseres Schulwesens
  • Beruflicher Lebensbereich
    • Unternehmensportrait
    • Gesetzliche Rahmenbedingungen eines Ausbildungsvertrages
    • Gründung einer Unternehmung (Einzelkaufmann, oHG)
    • Werbekampagne für ein fiktives Produkt
  • Allgemeine Themen
    • Weiterbildungsmöglichkeiten
    • Lebenshilfe für junge Menschen
    • Europa: Wirtschaft - Ferien
    • Wahlkampf 200X
    • Medien (Zeitung, Fernsehen, Radio)

Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Winklers Flügelstift H. 1 (1996), S. 42-49, bei Winklers Verlag Darmstadt.
(c) 1996 Winklers Verlag, Darmstadt
(c) 2001 Ralf Junk, Sabine Müller, Horst Rauhoff, Karin Schmitt-Müller, Markus Weber
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
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