Kabarett

Arbeitsmaterial

Kabarett ist nicht nur (anspruchsvolle) Unterhaltung, sondern immer auch ein Spiegel der Zeitgeschichte. Es ist auf Provokation angelegt, und wirkt so faszinierend oder aber auch abstoßend oder irritierend. Gerade darin liegt seine Funktion: Gesellschaftliche und politische Ereignisse zu hinterfragen, zu demaskieren und zu kritisieren.

Kabarett in der Bildungsarbeit kann deutlich machen, mit welcher (scheinbaren) Leichtigkeit Zusammenhänge analysiert und präsentiert werden können, wie mit einfachen Stilmitteln Verfremdungen und Zuspitzungen möglich sind, die alle Verstehen und Deuten können.

Kabarettexte sind eigentlich keine Lesetexte, sondern gewinnen ihre Wirkung wesentlich durch die Art des Vortrags. Deshalb ist es wichtig, nicht (nur) mit Abschriften zu arbeiten, sondern Hörbeispiele oder Videoaufzeichnungen zu verwenden.

Das Kabarett

Das Kabarett verfolgt als Gattung keine Doktrin. Es ist gemütvoll, eifernd, ätzend, auch langweilig, wenn die Sprache versagt. Es gibt sich oft parteilich und mit Bedacht weltverbessernd. Dort, wo bestallte oder unbestallte Zensoren mit der Schere Hand anlegen, lohnt es sich allemal zuzuhören. Der Griff nach dem freien Wort, unter den Bedingungen der Diktatur üblich, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk keineswegs abgeschafft und durch den Begriff "Ausgewogenheit" entschuldigt, hat unter allen Regierungsformen Tradition. Das obrigkeitsstaatliche Verbot der spöttelnden oder kritischen Nachricht, der Eingriff in den literarischen und künstlerischen Prozeß, in letzter Konsequen Berufsverbot oder gar Inhaftierung in Gefängnis oder Konzentrationslager, gehören zum extremsten Risiko für die Künstler.

Christian Hörburger: Nihilisten - Pazifisten - Nestbeschmutzer. Gesichtete Zeit im Spiegel des Kabaretts. Tübingen 1993, S. 15.


Was man mit Kabarettstücken machen kann

  • Zeitgeschichte durchschaubar machen, indem Kabarettexte auf ihren historischen Kontext bezogen werden.
  • Eigene Texte schreiben und spielen. Der Höhepunkt des Umgangs mit Kabarett ist, eigene Texte zum aktuellen Zeitgeschehen zu verfassen und selbst (im Plenum oder auch einer größeren Gruppe) vorzutragen.
  • Den formalen Aufbau eines Kabarettextes übernehmen und auf eine andere Situation beziehen, bzw. neu formulieren. (Siehe Arbeitsmaterial)
  • Texte nach Vorlagen bearbeiten oder verfremden.
  • Auf einem Blatt Papier in groben Umrissen ein Bühnenbild für den Kabarettvortrag skizzieren.
  • Eine kurze Zeitungskritik von 10 bis 15 Zeilen schreiben. Dabei die Rolle eines erklärten Gegners des Kabarettisten bzw. eines begeisterten Zuschauers einnehmen.
  • Die Grenzen des Kabaretts diskutieren. Gibt es Grenzen die der Kabarettvortrag respektieren sollte? Wo sind diese zu ziehen? Welches sind die Kritierein hierfür? (Z. B. Verletzung der Intimsphäre von Personen, Beleidigung von Minderheiten?)

Befragung von Kabarettexten

  • Vor welchem Hintergrund ist der Text vermutlich entstanden?
  • Welches sind die Stilmittel, die eingesetzt werden?
  • An welche Zielgruppe richtet sich der Vortrag?
  • Welcher Vorkenntnisse bedarf die Leserin bzw. der Leser?
  • Was wird kritisiert?
  • Welches Verständnis von Politik verbirgt sich hinter dem Vortrag?
  • Ist der Text auch auf andere Persönlichkeiten im öffentlichen Leben übertragbar?
  • Worin besteht der Unterschied zwischen der gedruckten Fassung und dem Tondokument?
  • Wie ist die Reaktion beim Fernsehpublikum einzuschätzen im Gegensatz zu einem Bühnenvortrag?



Kabarett und Bildungsarbeit

Über die didaktische Umsetzung des Genres in der Bildungsarbeit und im politischen Unterricht ist freilich bislang nur wenig nachgedacht worden. Dabei könnte sich durchaus ergeben, daß das Kabarett in hervorragender Weise geeignet ist, um die verschiedenen Nahtstellen zwischen Literatur und Politik, Kultur und Subkultur und satirisch gespiegelter Zeitgeschichte exemplarisch herauszuarbeiten. Anders als das Geschichtsbuch, das dem "objektiven Rückblick" verpflichtet ist, setzt das Kabarett in Lied, Wort und Ton auf die subjektive, auch polemische Ablichtung von gesellschaftlichen Fragen und Ereignissen. Es geht dabei nicht um den allgemeinen Standpunkt, sondern um die Bewertung der Geschichte durch das artistische Individuum.

Christian Hörburger: Kabarett in der Bildungsarbeit. In: puzzle. Zeitschrift für Friedenspädagogik, 3/93, S. M1.


Parodie - Satire - Kabarett

Parodien sind Verfremdungen. Ernste und oft anspruchsvolle Vorlagen werden ins lächerliche gezogen. Wörter, Satzteile oder ganze Sätze eines Originals werden mit Begriffen und Wendungen aus einem anderen, meist banalen Zusammenhang ersetzt.

Satire ist nicht an Vorlagen gebunden. Durch Kritik und Spott werden Zustände oder Personen demaskiert und an den Pranger gestellt. Übertreibung und Lächerlichkeit sind wichtige Stilmittel. Satire kann sich vielerlei Formen bedienen: der Kurzgeschichte, des Romans, der Fabel, des Gedichts, des Liedes usw.

Kabarett vereinigt in ihrem Vortrag Parodie und Satire. Es ist dabei der direkte Bezug zum Publikum (wenngleich auch oft über Medien vermittelt), der das Kabarett ausmacht und von dessen Kontakt und Unmittelbarkeit es lebt. Kabarett versteht sich als Verfechterin der Meinungsfreiheit und prangert mit seinen Mitteln politische Mißstände an.


Mathematik im Wandel

Volkschule 1950
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 20 Mark. Die Erzeugungskosten betragen 4/5 des Erlöses. Wie hoch ist der Gewinn?

Realschule 1960
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 20 Mark. Die Erzeugungskosten betragen 16 Mark. Berechne bitte den Gewinn.

Gymnasium 1970
Ein Bauer verkauft eine Menge Kartoffeln (K) für eine Menge Geld (G). G hat die Mächtigkeit 20. Für die Elemente g aus G gilt: g ist 1 Mark. In Strichmengen müßtest Du für die Menge G "zwanzig" (- - - - - - - - - - - - - - - - - - - ) Strichlein machen, für jedes Element g eines. Die Menge der Erzeugungskosten (E) ist um "vier" (- - - -) Strichlein weniger mächtig als die Menge G. Zeichne das Bild der Menge E als Teilmenge der Menge G und gib die Lösungsmenge (L) an für die Frage: Wie mächtig ist die Gewinnmenge?

Integrierte Gesamtschule 1983
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 20 Mark. Die Erzeugunskosten betragen 16 Mark, der Gewinn beträgt 4 Mark. Aufgabe: Unterstreiche das Wort "Kartoffeln" und diskutiere mit Deinem Nachbarn darüber.

Reformierte Schule 1988?
ein kapitalistisch-privilegierter bauer bereicherd sich one rechtsfärtigunk an ein sak kartoflen um 4 dm. untersuche den tekst auf inhaldlische gramatische ortogravische und zeichensätsunksfäler. korigire die aufgabenstlunk und demonstriere gegen die lösunk.

Verfasser unbekannt.


Literaturhinweise

Fleischer, Michael: Eine Theorie des Kabaretts. Bochum 1989.
Hildebrandt, Dieter: Denkzettel. München 1992.
Hippen, Reinhard: Es liegt in der Luft. Kabarett im Dritten Reich. Zürich 1988.
Hörburger, Christian: Nihilisten - Pazifisten - Nestbeschmutzer. Gesichtete Zeit im Spiegel des Kabaretts. Tübingen 1993.
Kühn, Volker: Donnerwetter Tadellos. Kabarett zur Kaiserzeit. 1900-1918. Weinheim/Berlin 1993.
Kühn, Volker: Hoppla wir beben. Kabarett einer gewissen Republik. 1918-1933. Weinheim/Berlin 1993.
Kühn, Volker: Deutschlands erwachen. Kabarett unterm Hakenkreuz. 1933-1945. Weinheim/ Berlin 1993.
Kühn, Volker: Wir sind so frei. Kleinkunststücke, Bd. 4, Kabarett in Restdeutschland 1945-1970. Weinheim/Berlin 1993.

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