Lehrpfade

Der Gedenkpfad Eckerwald

Mai 1985: Beim Eckerwald findet eine Gedenkfeier zum 40. Jahrestag der Befreiung vom Naziregime statt. Eingeladen haben - auf Initiative der Friedensgruppe Rottweil und mit Unterstützung der Stadt - mehrere Gruppen. Die Standort-Wahl geht auf Zeitungsveröffentlichungen von Jürgen Schübelin über die Relikte der weitläufigen Schieferöl-Gewinnungsanlage zurück. Diese Veranstaltung sollte die Initialzündung für diese Idee sein: Die Zeugen einer schrecklichen Vergangenheit -unmittelbar vor "unserer Haustür" - durch einen Gedenkpfad zu erschließen.

Februar 1987: Mit 25 Teilnehmern kommt es zur Gründung des Vereins "Initiative Gedenkstätte Eckerwald". Aus der Überzeugung, daß Verdrängung die falsche Alternative zu sinnvoller Vergangenheitsbewältigung ist, ergeben sich als erklärte Ziele: Erinnerung, Spurensicherung, Dokumentation. Es folgt im selben Monat eine der ersten Begehungen des völlig unwegsamen Geländes, die nicht selten in eine Unterholz-Bekriechung und rutschige Kletterpartie ausartet. Vielen wird dabei erst klar, was die junge Initiative sich da vorgenommen hat: Es wird sehr viel Arbeit kosten, das steilhügelige, in vier Jahrzehnten von Wald und Gestrüpp überwucherte, teilweise morastige und dabei sehr weitläufige Gelände überhaupt zugänglich zu machen. Hinzu kommt: Mit Blick auf Funktion und Zuordnung stellen die Relikte aus Beton und Backstein Fragen über Fragen.

Die Zeit der Arbeit in Gummistiefeln, mit Schubkarre, Spaten und Motorsäge ist angebrochen. Es bedarf der Koordination mit den Gemeinden Schömberg und Wellendingen sowie mit den Forstämtern, die sich aber problemlos, ja erfreulich gestaltet. Die Leute im Blauen Anton fällen Bäume, lichten Unterholz aus, zerlegen und schichten das Material, ein morscher Steg über den Bach muß gefestigt, später durch einen soliden Neubau ersetzt werden, um überhaupt den "Zugang zum Zugang" zu haben. Im Rahmen von Projekttagen helfen Schüler von Rottweiler Gymnasien bei den Arbeiten. Engagiert waren auch die Realschule Rottweil, Grund- und Hauptschule Wellendingen, das Aufbaugymnasium Mössingen und die Tuttlinger Gymnasien.

Die Ecker-"Waldarbeiter" fühlen sich dem gewachsenen Umfeld ebenso verpflichtet wie den Veränderungen, zu denen die Häftlinge in unmenschlicher Fronarbeit gezwungen worden waren. So wollte man sich bei der Wege-Erschließung auf Notwendigstes beschränken und nicht auf leicht zu durchschlendernde Parkwege hinarbeiten. Doch die Führungen und Gedenkveranstaltungen zwischendurch machten deutlich, daß dort noch eine Treppe, da eine weitere Schotterung notwendig waren, um das Terrain insbesondere auch älteren Menschen zugänglich zu machen.

Der Kampf mit Wurzelwerk und Lehm geht weiter. Stufen werden gestochen und befestigt. Den Schotter schleppen sie in Eimern oder schieben ihn in Schubkarren über viele hundert Meter heran. Seit Oktober 1987 stehen die Eckerwald-Ruinen auf Betreiben der Initiative unter Denkmalschutz.

Initiative Gedenkstätte Eckerwald e. V. (Hrsg.): Wüste 10. Gedenkpfad Eckerwald. Rottweil 1991 (Auszüge).


"Es geht um Bildung im umfassenden Sinn: Information, Verarbeitung, Sensibilisierung. Diese umfassende Bildungsarbeit darf sich nicht länger nur auf Gegenstände wie Auschwitz, Buchenwald und Dachau beziehen, die in ihrer Ferne vielen abstrakt bleiben. Hier bekommt Heimatkunde einen ganz neuen Stellenwert. So sind uns zwar die Begegnungen mit Menschen aus den sogenannten "Opfer-Völkern" (Polen, Frankreich, Luxemburg etc.) sehr wichtig.

Aber genauso wichtig ist, daß die Menschen aus der Umgebung kommen. Wir wenden uns an Schulen, an Vereine, Gruppen und Initiativen, an kirchliche Organisationen, an Verbände und Gewerkschaften, an Parteien und politische Institutionen gerade in dieser Region: Zollernalb, Oberer Neckar, Schwarzwald-Baar-Heuberg. Wir wenden uns an Sie jetzt mit dieser Dokumentation, und wir stehen auch weiterhin mit Führungen durch den Gedenkpfad zur Verfügung."

Gerhard Lempp, ebd., S. 6.

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