Methoden historisch-politischer Bildungsarbeit Oral History, Spurensuche vor Ort

Interview-Karte

Interviewte bzw. Interviewter

Name, Vorname

 

Adresse, Telefon

 

geboren am - in

 

Beruf, Beschäftigung, Position des Vaters

 

Beruf, Beschäftigung, Position der Mutter

 

Geschwister

 

Schulbildung/Ausbildung

 

Beschäftigungen/Positionen

 

Wohnort(e)

 

Organisationszugehörigkeiten (Kirche, Partei, Gewerkschaften,
Vereine usw.)

 

Sonstige Interessen und Aktivitäten

 

Familienstand (seit/bis)

 

Beruf, Beschäftigungen, Positionen des Ehepartners/der Ehepartnerin

 

Kinder (Alter, Schulbildung,
Berufsausbildung usw.)

 

Weitere Bemerkungen (z. B. Besitz spezieller Dokumente oder Gegenstände)

 

Gesprächsthemen

 

Interviewerin oder Interviewer

Interview am

 

von - bis

 

Verwendungseinschränkungen
des Interviews

 

Interview geführt von

 


Schüler auf den Spuren jüdischer Zwangsarbeiterinnen

Eine Arbeitsgemeinschaft der städtischen Anne-Frank-Gesamtschule in Gütersloh hat unter der Leitung ihres Lehrers Spuren jüdischer Zwangsarbeiterinnen verfolgt. Sie berichten:

Zwei unbekannte Kindergräber auf dem jüdischen Friedhof

Auf dem Friedhof findet man 66 Grabstätten. Die Gräber mit der Nummer 36 und 61 sind Kindergräber. jede Einfassung ist 1 m lang und 50 cm breit, jede Grabtafel 40 cm hoch und 30 cm breit. Beide Grabtafeln sind in Originalgröße mit Bleistift abgepaust worden.

Erst 1988 erfuhr zum ersten Mal die Öffentlichkeit durch das Buch von Herrn Jehuda Barlev "Juden und jüdische Gemeinde in Gütersloh 1671-1943" von der Existenz des Kindergrabes Nr. 36. ()
Nachdem wir die fremdklingenden Inschriften der beiden Kindergrabtafeln langsam gelesen hatten, verglichen wir sie mit den anderen Namen des Gräberverzeichnisses: Ruthenberg, Daltrop, Löwenbach, Stern, Herzberg, Wolf, Hope, Steinberg.

Diese Namen klingen uns vertraut. Mitschülerinnen und Mitschüler könnten auch solche Familiennamen haben. So vermuteten wir schnell, daß die beiden Kinder nicht zur jüdischen Gemeinde in Gütersloh gehören konnten.

Über das Schicksal dieser Kinder und über die Geschichte der Familien war bisher nichts bekannt. Im Stadtarchiv Gütersloh gibt es hierüber auch heute noch keine Veröffentlichung.

Unsere Fragen an die Grabplatte

  • Wie hieß das Kind?
  • Wie alt wurde das Kind?
  • Woran und wo ist das Kind gestorben?
  • Unter welchen Umständen wurde das Kind begraben?
  • Wie hießen die Eltern?
  • Was erlebten sie in Deutschland?
  • Leben noch Angehörige?
  • Wer fertigte die Grabtafel an?

Viele von uns hatten große Zweifel, ob man nach so langer Zeit diese Fragen noch beantworten kann.

Mordchai Ioine ..., Grab Nr. 36

Der Landesverband der Jüdischen Kultusgemeinden von Westfalen/Lippe in Dortmund teilte uns mit, daß er unsere Fragen nicht beantworten kann. In diesem Brief erfuhren wir aber, daß im Krieg in Lippstadt ungarische Frauen gearbeitet haben. Sie lebten nach der Befreiung in Kaunitz bei Verl (Kreis Gütersloh). Wie sich später herausstellte, war dies für uns eine sehr wichtige Information.

Oberstudienrat Böning in Hagen hat von uns das Foto der Grabtafel bekommen. Bevor der Text von ihm übersetzt wurde, stellte er fest, daß er zum ersten Mal einen Grabstein in hebräisch mit lateinischen Buchstaben sah. "Die Aussprache des Hebräischen ist wie im polnischen jiddisch, also aschkenasisch in polnischer Aussprache."
Die Hinweise auf Polen und Osteuropa könnten möglicherweise die Vermutung des Landesverbandes der Jüdischen Kultusgemeinden bestätigen.

Wir waren froh, daß dieser Text überhaupt übersetzt werden konnte, aber auch enttäuscht, weil keine Nachnamen zu lesen waren. Herr Böning sagte am Telefon: "Mordchai Ioine und Schelomo Elasar sind Vornamen!"

Wie soll man Fragen beantworten, wenn keine Nachnamen auf der Grabplatte stehen? Mutlosigkeit machte sich bei uns breit.

Nach einiger Zeit kam uns die Idee, mit dem Heimatverein in Kaunitz Kontakt aufzunehmen. Herr Fröhleke gab uns die Anschrift der inzwischen verstorbenen Frau Hörster, Kaunitz, Delbrücker Straße 19 (83 Jahre alt). Sie sagte als Zeitzeugin in ihrer Wohnung am 22. 9. 1990 aus:

"Auf dem Hof Erichlandwehr, Fasanenweg 20, 300 m von hier entfernt, verstarb ein kleines jüdisches Kind. Auf dem Hof lebten viele jüdische Frauen, die aus dem Lager in Lippstadt kamen. Ich habe das Kind nie gesehen. Ich weiß auch nicht, ob es ein Junge oder Mädchen war." Frau Hörster zeigte uns ein Foto von der Familie Barr aus Australien. Frau Barr lebte 1945 zusammen mit anderen jüdischen Frauen im Hause der Frau Hörster. Sie gab uns die Adresse von Henry und Sarah Barr in Australien.
Familie Barr hatte Frau Hörster später öfter besucht. Sie hatten zueinander ein herzliches Verhältnis.

In unserem gemeinsam verfaßten Brief, dem wir ein Foto der Grabplatte beifügten, fragten wir Herrn Barr, ob er etwas über den Tod des Kindes wüßte. Von ihm erhielten wir den Antwortbrief vom 5. 10. 1990.

Dieser Brief hatte für unsere weitere Forschungsarbeit große Bedeutung."

Stadt Gütersloh (Hrsg.): Die Kindergräber von Gütersloh. Gütersloh 1993, S. 5-9, Auszüge

Ergebnis

Die Schülergruppe hat schließlich durch intensive Nachforschungen in verschiedenen Archiven und durch einen umfangreichen Briefwechsel (u. a. mit jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in Israel, USA, Australien und Kanada) die Namen der Eltern und Geschwister ermitteln können. Im Mai 1992 hat ein Bruder eines der verstorbenen Kinder das Grab in Gütersloh auf Einladung der Anne-Frank-Gesamtschule besucht.

Die Mütter der beiden Kinder, deren Grabsteine den Ausgangspunkt für die Forschungsarbeit bildeten, waren auf dem Wege des Zwangstransportes vom KZ-Außenkommando bei den Lippstädter Eisen- und Metallwerken (LEM) nach Bergen Belsen am 1. 4. 1945 in Kaunitz, einer Nachbargemeinde von Gütersloh, befreit worden.

Einschätzung eines Schülers

"Es ist mir bei der Arbeit in unserer Gruppe bewußt geworden, wie grausam und unmenschlich die Nationalsozialisten Menschen, insbesondere aber die Juden, behandelt haben. Und um dieses Leid der Menschen niemals zu vergessen, soll man Gedenksteine und Mahnmale errichten, die uns auch heute noch das Schicksal der jüdischen Menschen vor Augen führen. Ich glaube, es ist heute unsere Pflicht, dem wachsenden Fremdenhaß entgegenzutreten oder ihn erst gar nicht aufkommen zu lassen".

Sebastian Kreutz, ebd. S. 78

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