Parodien

Fragen zur Interpretation

  • Welches Thema behandelt die Parodie?
  • Warum wurde gerade dieses Thema für die Parodie aufgegriffen?
  • Welcher Ursprungstext liegt der Parodie zugrunde?
  • Welche kulturellen, politischen, gesellschaftlichen Ereignisse sollen kritisiert werden?
  • Welche Rolle spielen Humor, Scherz, Spott, Ironie?
  • Welche Form der Änderung des Originals hat der Autor gewählt (Auslassung, Hinzufügung, Übertreibung)?
  • An wen richtet sich der Text?
  • Wie wird der Text verbreitet (Kabarett, Zeitschrift, Rundfunk, TV usw.)?
  • Welcher Leser kann aufgrund seiner Kenntnisse die Parodie erkennen und verstehen?
  • Welche angestrebten Wirkungen sind aus dem Text herauslesbar?

 

Allgemeine Fragen zur Parodie

  • Warum macht das Lesen von Parodien Vergnügen?
  • Welche Wirkungen lassen sich mit Parodien erzielen, die mit anderen Texten nicht zu erzielen sind?
  • Wie erklärt sich die Erscheinung der unfreiwilligen Komik? Welche Bewertungsmaßstäbe werden dabei herangezogen?
  • Welche Funktionen erfüllt die Parodie?


 Zehn kleine Meckerlein

Zehn kleine Meckerlein
Die tranken einmal Wein
Der eine machte Goebbels nach
Da waren's nur noch neun

Neun kleine Meckerlein
Die haben was gedacht
Dem einen hat man's angemerkt
Da waren's nur noch acht

Acht kleine Meckerlein
Die haben was geschrieben
Und bei dem einen fand man's dann
Da waren's nur noch sieben

Sieben kleine Meckerlein
Die fragte man: na schmeckt's
Der eine sagte Schweinefraß
Da waren's nur noch sechs

Sechs kleine Meckerlein
Die trafen einen Pimpf(1)
Der eine sagte Lausebalg
Da waren's nur noch fünf

Fünf kleine Meckerlein
Die spielten mal Klavier
Der eine spielte Mendelssohn(2)
Da waren's nur noch vier

Vier kleine Meckerlein
Die sprachen mal von Ley' (3)
Der eine sagte Immerblau
Da waren's nur noch drei

Drei kleine Meckerlein
Die hörten Radio
Der eine stellte England ein
Da waren's nur noch zwo

Zwei kleine Meckerlein
Die traten mal in Dreck
Der eine sagte Nazibraun
Da war er auch schon weg

Der letzte, der ließ dies Gedicht
Am falschen Orte sehn
Da bracht man ihn nach Dachau(4) hin
Da waren's wieder zehn

 

Diese Parodie gehört im Gegensatz zu ihrer Vorlage nicht mehr der Volksüberlieferung an, sondern stellt die gezielte Kritik eines anonym gebliebenen Regimegegners dar. Es ist auffälllig, daß unter dem Zwang der Zensur im totalitären Staat sich die innere Opposition mit Vorliebe volkstümlicher Themen und Gattungen zu parodistischer Kritik bedient.

Peter Rühmkorf: Über das Volksvermögen. © 1967 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek.

 

Anmerkungen

1 Volktümliche Bezeichnung für die Mitglieder des nationalsozialistischen Deutschen Jungvolks.
2 Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-47), Komponist jüdischer Abstammung, dessen Musik während des Dritten Reiches geächtet war.
3 Robert Ley (1890-1945), nationalsozialistischer Politiker, der als Nachfolgeorganisation der aufgelösten Gewerkschaften die Deutsche Arbeitsfront gründete und für seine Trunksucht weithin bekannt war.
4 Während des Dritten Reichs befand sich dort ein Konzentrationslager.


Literaturhinweise

Budzinski, Klaus: Das Kabarett. Zeitkritik - gesprochen, gesungen, gespielt - von der Jahrhundertwende bis heute. Düsseldorf 1985.
Die Lage war noch nie so ernst. Eine Geschichte der Bundesrepublik in ihrer Satire. Präsentiert von Karl Hoche. Königsstein 1984.
Fleischer, Michael: Eine Theorie des Kabaretts. Bochum 1989.
Gast, Wolfgang (Hrsg.): Parodie. Deutsche Literatur- und Gebrauchsparodien mit ihren Vorlagen. Arbeitstexte für den Unterricht. Stuttgart 1975.
Rühmkopf, Peter: Über das Volksvermögen. Exkurse über den literarischen Untergrund. Reinbek 1970.
Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 1988.

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