Simulationsspiel

Simulationsspiel – Definition und Herleitung eines Überbegriffs

Das Simulationsspiel wird im Folgenden als Überbegriff verwendet, welches eine Vielzahl an Variationen vorzuweisen hat. Zunächst erscheint es aber sinnvoll, wenn wir uns mit dem „Spiel“ als Methode in den Sozialwissenschaften beschäftigen, das Simulationsspiel als solches in seiner allgemeinen Charakteristik zu beschreiben sowie seine Bestandteile zu skizzieren bevor die einzelnen Spielarten genauer beleuchtet werden. Das Simulationsspiel, als pädagogisches Instrument in der sozial- und politikwissenschaftlichen Didaktik beinhaltet zum einen die Eigenschaften eines Modells, sowie auch Elemente der Simulation und des Spiels.

Modell

Modelle dürfen nicht als die reine Abbildung der Realität gesehen werden. Vielmehr als Hilfskonstruktionen für einen gewünschten Erkenntnisgewinn. Diese besagten Konstruktionen werden für spezielle Zwecke und für einen vorher definierten Benutzerkreis entwickelt und sind nur für eine bestimmte Zeitdauer vorgesehen. Darüber hinaus sind Modelle so konzipiert, dass sie sich vor allem dem definierten Benutzerkreis im Sinn erschließen, welcher anderen Personengruppen unter Umständen verwehrt bleibt. Die erwünschte Erkenntnis wird demnach bei Modellen durch das bewusste Auslassen von Faktoren (Reduktion) sowie eine bewusste Hervorhebung (Akzentuierung) derjenigen Faktoren, die es zu betrachten gilt, gewonnen. Als eine gute Veranschaulichung des Modellgedankens könnte hier die Straßenkarte herangezogen werden. Diese zeigt Verbindungen von Ortschaften mittels Straßen an (Repräsentation). Dabei verzichtet sie allerdings auf für den Autofahrer weitgehend irrelevanten Faktoren wie geografische Gegebenheiten (Reduktion). Mittels Akzentuierung hebt sie beispielsweise den Unterschied zwischen Bundes und Landstraßen hervor (vgl. Buddensiek 1999).

Simulationen

Was bei Simulationen simuliert werden soll, ist die Realität. Das Bild, welches man sich von dieser gemacht hat, wird daraufhin in einem Simulationsmodell umgesetzt und dargestellt, vor allem bezogen auf Relation zwischen den einzelnen Elementen der beobachteten Realität. Darstellen kann man ein solches Modell dann in mathematischen, sprachlichen oder bildlichen Formen (vgl. Portele 1977, 14). Hierzu zählen zum Beispiel komplexe Zusammenhänge wie die Entstehung gesamtwirtschaftlicher Kennziffern oder die Schwankungen, welche wirtschaftliche Rahmenbedingungen beeinflussen können, wie Preise und Nachfrage, ferner aber auch Veränderungen der Arbeitsproduktivität, Vorgänge sowie die Auswirkungen von Inflation (vgl. Weber 2012). Wichtig wäre aber anzumerken, dass die Simulationen, verstanden als materialisierte Abbilder der Realität, keine Spiegelung der Realität ist, sondern als Umsetzung einer Realität in eine neue Realität verstanden werden müssten (vgl. Lehmann nach Portele 1977, 15).

Simulationsspiel

Im Unterschied zur reinen Simulation einerseits, sowie zu einem reinen Spiel andererseits, könnte man die Simulationsspiele als eine Mischform sehen. Sie verbinden ein spezifisches Modell, das gemäß einer didaktischen Absicht entwickelt wurde, mit einem Spiel, welches in seinem Wesen selbst allerdings frei ist von spielexternen Absichten (vgl. Buddensiek 1999). Somit werden den Lernenden Handlungsspielräume gewährt, eine Vielzahl an Möglichkeiten auszuprobieren um sich einer Problemlösung zu nähern. Parallel dazu ermöglicht man den Lernenden dadurch, ihre Handlungssicherheit sowie ihr Handlungsrepertoire spielerisch-didaktisch zu steigern. Simulationsspiele erlauben daher die Einübung von Konfliktverhalten sowie die Übertragung von Entscheidungen in Handlungen, ohne aber in ihrem Erkenntnisgewinn von Komplikationen der Realität beeinflusst zu werden (vgl. Weber 2012). Die Einsetzbarkeit solcher Simulationsspiele ist aufgrund ihrer Vielseitigkeit sehr interdisziplinär. Da menschliche, ästhetische, ökonomische oder moralischer Faktoren mitwirken können, lassen sich kaum starre Grenzen innerhalb irgendeiner einzelnen Fachrichtung ziehen (vgl. Taylor 1972, 49). Die erhofften Vorteile des Simulationsspiels sind durch das interaktive Element zum einen, das erhöhte Interesse an den Lehrinhalten und Lernprozessen durch die Lernenden, zum anderen aber auch ein verbessertes Problembewusstsein in Verbindung mit strategischer Kompetenzförderung, da die simulierten Probleme auf das Wesentliche heruntergebrochen, alternative Strategien entwickelt und ausprobiert werden und das alles auf der Grundlage von direkter Auseinandersetzung (vgl. Taylor 1972, 41-42).

Durchführung

In einem Simulationsspiel agieren Handlungs- und Entscheidungsträger, welche nach Spielregeln handeln müssen, sowie rollenabhängige Spielziele vorgeschrieben bekommen. Diese vorher definierten Ziele werden dann von den Lernenden durch Informationsaufbearbeitung, Planung und strategischen Überlegungen durchgeführt, wobei hierbei rollenspezifische Eigeninteressen verfolgt werden (vgl. Buddensiek 1999). Für die Spielenden selbst sollen sich somit neue Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten ergeben. Zum einen über das Modell und seine dargestellten Prozesse selber, als auch über die diversen Bedingungen, mit welchen sich die Entscheidungsträger konfrontiert sehen (vgl. Vagt 1978, 21). Entscheidend für die Qualität und das Gelingen im didaktischen Sinne von Simulationsspielen ist die inhaltliche und formale Ausgestaltung des jeweiligen Spielrahmens.

Hierzu sind gängigerweise zu zählen:

  • offene Rollenhinweise, welche die Spieler anregen soll, ihre übernommenen Rollen selbstständig auszugestalten, oder diese Rollen zementieren, was den Handlungsspielrahmen der Spielenden bewusst begrenzt
  • ebenso offene/feste Vorgaben für die Spielleitung
  • Spielregeln, welche offen durch Spielende oder Spielleitung beeinflusst werden können, oder aber ein durch starre Regeln definierter Handlungsrahmen
  • Spieloberfläche ergänzt durch Zubehör, welches im Bestfall gar nicht oder nur geringfügig durch Spielende und Spielleitung verändert werden kann
  • Auswertungsformulare oder Spielprotokolle, welche wichtige Ereignisse, Spielgeschehen sowie Spielergebnis festhalten (vgl. Buddensiek 1999)

Mögliche Komplikationen

  • Durch Mängel bei der Konstruktion eines Simulationsspieles kann die Gefahr bestehen, dass entweder das „Spielen“ an sich zu kurz kommt, oder das gewünschte „Lernen“ in der spezifischen Modellsituation.
  • Bei didaktisch nicht ausreichender Ausgestaltung besteht das Risiko, dass das Simulationsspiel ungewollt ein Transportmittel für fragwürdige Ideologien wird, weswegen vor dem eigentlichen Spielgeschehen eine sorgfältige Spielanalyse notwendig erscheint.
  • Fragwürdig sind Simulationsspiele welche die Spielenden in einer Art und Weise einengen, sodass das vorab bestimmte Spiel- und Lernziel in Übermaßen wichtiger wird als die kreative Aktivität der Spielenden (vgl. Buddensiek 1999).
  • Durch einen, je nach Art des Spieles, hohen Zeitaufwand bezogen auf Vor- und Nachbereitung sowie Durchführung, kann es zu ungewollten und nicht sinnvollen Kürzungen kommen (vgl. Taylor 1972, 52-53).

Nachdem das Simulationsspiel als Oberbegriff in seinen Einzelheiten näher erläutert wurde, sollen nun die einzelnen Spielarten, die unter den Begriff des Simulationsspiels fallen, steckbriefartig dargestellt werden. Im Folgenden betrachtet werden also nun das Regelspiel, das Planspiel, das Rollenspiel und das Konferenzspiel, bei welchem allerdings nur auf Birgit Weber verwiesen werden soll, sowie abschließend kurz das Modellspiel als Ausblick.

Literatur

  • Buddensiek, Wilfried (1999): Rollen- und Simulationsspiele. In: Handbuch zur politischen Bildung Wolfgang W. Mickel (Hrsg.) Bonn, S. 369-373, 1999 Link: http://www.sowi-online.de/praxis/methode/rollen_simulationsspiele.html
  • Portele , Gerhard (1977): Zur Theorie des Simulationsspiels. In: Simulations- und Planspiele in der Schule, Jürgen Lehmann (Hrsg), Bad Heilbrunn/Obb. :Klinkhardt, 1977
  • Taylor, John L. (1972): „ Simulation in the classroom“ „ Simulationsspiele im Unterricht – Eine Einführung in die didaktischen Möglichkeiten von Simulations-, Plan- und Rollenspielen mit sechs praktischen Beispielen“. Aus dem Englischen übersetzt
    von Peter Schmitt Otto Maier Verlag Ravensburg, 1974
  • Vagt, Rainer (1978): Planspiel Konfliktsimulation und soziales Lernen – Eine Einführung in die Planspielmethode. Rheinstetten : Schindele, 1978
  • Weber, Birgit (2012): Handlungsorientierte Methoden. Veröffentlicht auf sowi-online Link: http://www.sowi-online.de/praxis/methode/handlungsorientierte_methoden.html#a32