Sowi-Unterricht für alle Tage? Schüler machen einen Film.

Sabine Schulze-Hillert, Michael Strotmann

Inhalt

  1. Die Entstehung unseres Projekts
  2. Die Realisierung des Films
    1. Die "Studioaufnahmen"
    2. Die Exkursionsvorbereitung
    3. Die Exkursion: Eine Fahrt nach Neuruppin
  3. Erfahrungen, Einsichten, Eindrücke

1. Die Entstehung unseres Projekts

Am Ende der 11.2 (Schuljahr 92/93) stand bei uns die Unterrichtsreihe "Ordnungspolitische Vorstellungen in Markt- und Planwirtschaft" auf dem Programm. Bei der Organisationsbesprechung dieser Reihe kam uns die Idee, die Grundlagen des Themas einmal auf eine völlig unkonventionelle, uns Schülern neue Art, zu erarbeiten. Das sollte folgendermaßen aussehen: Der Kurs, bestehend aus neun Teilnehmern, wurde von unserm Lehrer, Herrn StR Gerbode, in drei Gruppen eingeteilt. Sie sollten sich anhand von aktuellen Materialien (Videos, Zeitungs- u. Zeitschriftenartikeln) über die Zeit nach der Wende sowie einiger allgemeiner Vorgaben und unserer Unterrichtsbücher über die Thematik von Markt- und Planwkrtschaft sowie über unsere Leitfrage "Kann die soziale Marktwirtschaft die Probleme der deutschen Wiedervereinigung lösen?" eingehend informieren. Fernerhin war geplant, dass jede der drei Gruppen in einem vorher festgelegten Zeitraum die jeweiligen Ergebnisse in Form eines Drehbuchs erarbeiten sollte.

Das Drehbuch, das uns Schülern und unserem Lehrer nach dem an diese Erarbeitungsphase anschließenden Vergleichs- und Auswahlgespräch am besten gefallen würde, sollte in einem kurzen Film (max. 30 min.) von allen Kursteilnehmern ausgearbeitet und für Schüler mit "Oberstufenniveau" ausgelegt werden.

Einer der Dreiergruppen kam bei der Planung die Idee, zwecks besserer Einblicke in die Problematik des Themas eine Art Studienfahrt in die neuen Bundesländer zu organisieren, um vor Ort Interviews mit betroffenen und sachkompetenten Personen zu führen. Nach erster Absprache mit der Schulleitung (vorläufige Genehmigung der Unterrichtsfahrt) und dem Förderverein unserer Schule (Bezuschussung der Fahrt) konnten auch hier konkrete Planungen ins Auge gefasst werden. Doch dazu später.

2. Die Realisierung des Films

2.1 Die "Studioaufnahmen"

Nach der Wahl des uns am geeignetsten erscheinenden Drehbuchs (das der Gruppe, die die Idee hatte, in die neuen Länder zu fahren) begannen wir mit den Vorbereitungen für die Dreharbeiten.

Hierbei machten wir uns auf die Suche nach passenden Räumen in unserem Schulgebäude, die sowohl von der Akustik als auch von den Lichtverhältnissen unseren Vorstellungen entsprechen mussten. Da [/S. 33:] jedoch nicht alle der in Frage kommenden Räume zu den Zeiten, in denen wir sie gebrauchten, frei waren, entschieden wir uns am Ende für den Keller unter der Schule als Aufnahmeort für die Szenen, in denen ein Sprecher, ähnlich wie bei der Tagesschau, Fakten und Erläuterungen zu unserem Thema vortragen sollte.

Alle Kursteilnehmer erhielten bei den Dreharbeiten feste Aufgaben, die für ein schlagkräftiges und zügiges Arbeiten nötig sind. Es wurden zwei Sprecher ausgesucht, Kameramänner bestimmt und auch ein Regisseur und einige "Lichttechniker" ausgesucht. Unser Lehrer hatte die Funktion eines über allem wachenden "Managers" inne.

2.2 Die Exkursionsvorbereitung

Nachdem alle Studioaufnahmen im Kasten waren, begann die Realisierung der geplanten Fahrt. Als Ziel suchten wir uns die Stadt Neuruppin und Umgebung aus, da diese mit unserem Kreis Coesfeld in einer partnerschaftlichen Verbindung steht und auch einige Kontakte nach "drüben" durch die Eltern von ein paar Kursteilnehmern bereits bestanden. Der Erfolg unserer Filmaufnahmen vor Ort war wesentlich von detaillierten Vorbereitungen abhängig, die wir Schüler mit unserem Lehrer sowohl in einigen Unterrichtsstunden als auch in Heimarbeit treffen mussten.

Viele Aufgaben waren hierbei zu erledigen: Es mussten Kontaktpersonen in Neuruppin ermittelt werden, sachgerechte Interviewfragen mussten formuliert werden. Wir hatten uns mit den Interviewpartnern in Verbindung zu setzen und mit diesen Termine auszuhandeln, was entweder über Telefon, Fax oder über Kontaktpersonen geschah. Äußerst wichtig war außerdem die Lösung der Frage, wie wir am (kosten-) günstigsten nach Neuruppin kommen sollten, sowie die Frage der von uns mitzubringenden Ausrüstung.

An diesen zahlreichen Organisationsaufgaben konnte sich jeder Schüler beteiligen.

Schließlich - eine Woche vor Fahrtbeginn - waren die Vorbereitungen zur Zufriedenheit aller abgeschlossen, und jeder von uns konnte sich anhand eines Terminplans ein vorläufiges Bild von dem Aufenthalt in Neuruppin machen.

2.3 Die Exkursion: Eine Fahrt nach Neuruppin

Unsere Fahrt begann am 2. September 1993 morgens Punkt sechs Uhr. Während der 7-stündigen Busfahrt ging der Kurs ein letztes Mal die vielfältigen Interviewfragen durch und nahm einige geringfügige Änderungen vor, um die geplanten Interviews später problemloser in den Zusammenschnitt der Filmmaterialien einfügen zu können. So entwarfen wir z.B. Einleitungs- u. Überleitungstexte, die von den Interviewern gesprochen werden sollten. Der Terminplan sah vor, dass am Donnerstag (2.9.1993) die Interviews mit dem Pressesprecher der Sparkasse Neuruppin, dem stellvertretenden Landrat und einigen Mitgliedern des Amtes für Wirtschaftsförderung stattfinden sollten. [/S. 34:]

Am Freitag sollte dann ein ehemaliger leitender Angestellter der Elektrophysikalischen Werke (EPNV), der jetzt Geschäftsführer der (westdeutschen) Dambach-Werke ist, die die EPW übernommen haben, interviewt werden. Auch ein Treffen mit dem Leiter des Bauamtes, mit dem Geschäftsführer des Entsorgungsunternehmens AVU und dem Werksleiter der OTTO-Werke (Abfallbehälterproduktion, West-Firma) war geplant. Weiterhin wollten wir noch den Vorsitzenden der Mittelstandsvereinigung Potsdams befragen.

Zu diesem Zweck teilte sich der Kurs in zwei gleichstarke Interviewgruppen. In den Zeitabschnitten, in denen keine Interviews gedreht werden mussten, gingen die Schüler - ebenfalls in kleinen Gruppen - durch die Stadt, um die im Drehbuch vorgesehenen Außenaufnahmen zu filmen oder um spontan Leute um einen Kommentar zum "Aufschwung Ost" zu bitten.

Da wir uns im Vorfeld ziemlich gut auf die Dreharbeiten vorbereitet hatten, verlief unsere Arbeit in Neuruppin ohne größere Probleme. Am Samstag, den 4.9.1993, machten wir uns dann gegen acht Uhr mit gutem und verwertbarem Filmmaterial auf den Rückweg quer durch die Bundesrepublik.

3. Erfahrungen, Einsichten, Eindrücke

Für uns Schüler bedeutete dieses Filmprojekt eine völlige Durchbrechung des gewöhnlichen Unterrichtsalltags. Hierin wurde von allen eine große Motivation gesehen.

Fernerhin gefiel uns die von uns verlangte umfassende Eigenbeteiligung auf verschiedensten Gebieten besonders gut. Vom Planen über das Telefonieren und Organisieren bis hin zu technischen Problemen lag alles in unserer Verantwortung, was uns anspornte, das Bestmögliche zum Gelingen der Arbeit beizutragen. Die ungewöhnlichen Pflichten und Verantwortungen brachten uns viele neue Erfahrungen, was sich schließlich auch dadurch bemerkbar machte, dass wir immer probleinloser den uns selbst auferlegten Verpflichtungen nachkommen konnten.

Ebenso wie wir für die Erfüllung der oben genannten Aufgaben verantwortlich waren, mussten wir auch unser Thema eigenständig mit Inhalten füllen.

Als wir uns allerdings zeitlich den Klausuren näherten, machte sich bei uns Schülern Unsicherheit breit, die darauf begründet war, dass wir nicht sicher waren, was uns in der Klausur erwarten würde. Auch wusste man nicht, wie und ob man sich überhaupt optimal auf die Arbeit vorbereitet hatte.

Im Nachhinein aber stellte sich das Problem als bedeutend kleiner heraus, da sich durch intensive Beschäftigung mit der Materie auch Details und Spezialfälle der Thematik gut eingeprägt hatten, was uns vorher gar nicht so bewusst geworden war.

Auch während der Exkursion selbst machten wir alle weitere positive Erfahrungen. So verbesserte sich nicht nur das Verhältnis der Kurs-[/S. 35:]Teilnehmer untereinander oder das des Lehrers zu uns, sondern auch das Vermögen, mit ungewohnten Situationen und unerwarteten Problemen schnell und sicher fertig zu werden. So war Improvisation in Neuruppin angesagt. Nicht alle avisierten Gesprächspartner standen letztlich für ein Interview zur Verfügung oder machten Probleme, als wir ihnen nicht vorbereitete Fragen stellen wollten.

Bei der Realisierung des Films hatten wir ausreichende Möglichkeiten, unsere Kreativität zu schulen. Immer wieder übten wir konstruktive Kritik und veränderten Passagen des Films, um die Wirkung im Gesamtzusammenhang zu erhöhen. Da wir jedoch nach der Klausur den in den Richtlinien vorgesehenen Unterrichtsstoff durchnehmen mussten, konnte von einer ausschließlichen Konzentration auf die technische Seite der Filmproduktion nicht die Rede sein. Ein Grund, warum sich die Hauptphase des Filmprojekts so lange hinzog (11.2 - 12.1). Jedoch kamen uns aus der Distanz heraus oft genug noch gute Einfälle und neue Ideen zur Präsentation unserer Projektergebnisse.

<p class="tnt"> Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Politisches
Lernen 17. Jg. (1995) H. 1-2, S. 32-35, Verlag Wieland Ulrichs, Göttingen. Herausgeber:
<a style="color: #660000;" href="http://www.dvpb-nw.de">DVPB-Landesverband NRW</a>
<br>
(c) 2001 Sabine Schulze-Hillert, Michael Strotmann<br>
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals
in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:]. <br>
sowi-online dankt dem Verlag, der DVPB und den Verfassern für die freundliche
Genehmigung zum "Nachdruck" dieses Textes im Internet. <br>
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung
des Copyright-Inhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen
Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in
elektronischen Systemen, auch im Internet.</p>