Auszubildende, die einen Abbruch der Ausbildung erwägen, machen dafür in erster Linie Schwierigkeiten mit Ausbildern und Vorgesetzten verantwortlich (44 %). Frauen nennen diese Faktoren häufiger. Überdurchschnittlich oft wird diese Begründung von Auszubildenden in mittleren und kleineren Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten genannt.

Von entscheidender Bedeutung zeigt sich dieses Problem bei angehenden Arzthelferinnen, die überwiegend in kleinen Praxen eng mit der Sprechstundenhelferin oder dem Arzt zusammenarbeiten müssen. Für 80 Prozent der potenziellen Abbrecherinnen in diesem Beruf zählt das schlechte Verhältnis zum/ zur Vorgesetzten als Grund für ihre Abbruchüberlegungen (Hecker 1999). Auch rund zwei Drittel der Bürokaufleute in Kleinbetrieben machen das soziale Klima zwischen Auszubildenden und Vorgesetzten für ihre Überlegung verantwortlich, ihr Ausbildungsverhältnis zu kündigen.

Gerade in kleineren Betrieben, wo man sich nicht aus dem Wege gehen kann, kommt es auf eine möglichst reibungslose und konfliktfreie Zusammenarbeit an. So positiv es sein kann, wenn eine Art familiäres Vertrauensverhältnis zwischen Ausbildern/ -innen und Auszubildenden besteht, in dem durchaus Konflikte ausgetragen und bereinigt werden, so schwierig wird es, wenn dieses Vertrauensverhältnis gestört ist. Oftmals bleibt den Auszubildenden dann nur die Kündigung. Anders sieht es in größeren oder Großbetrieben aus: Treten hier Schwierigkeiten mit Vorgesetzten/ Ausbildern auf, können sich die Jugendlichen auch an andere Bezugspersonen wenden, die in den Konflikten vermitteln oder zur Entschärfung beitragen können (Hecker 1989). So betonen in Großbetrieben (500 und mehr Beschäftigte) lediglich 31 Prozent der potenziellen Ausbildungsabbrecher Schwierigkeiten mit den Vorgesetzten, aber 55 Prozent in Kleinbetrieben (unter 10 Beschäftigte). [/S. 59:]

Von älteren Auszubildenden, insbesondere den Abiturienten unter ihnen, werden negative Erfahrungen mit Ausbildern und Vorgesetzten ebenfalls verstärkt im Zusammenhang mit ihren Abbruchüberlegungen gebracht: So haben 50 Prozent der über 21-jährigen damit Probleme aber nur 37 Prozent der unter 18jährigen. Mit zunehmendem Alter und/ oder höherer Qualifikation verändert sich die Motivationsstruktur und Anspruchshaltung der Auszubildenden. Allerdings wird dies in vielen Betrieben noch nicht erkannt und damit auch keine entsprechenden erwachsenengerechte Konzepte und Umgangsformen in der Ausbildung entwickelt. Ein 22-jähriger Auszubildender drückt dies folgendermaßen aus: "Es könnten vor allem die Ausbilder ausgetauscht werden, da sie ungenügende pädagogische Fähigkeiten haben, charakterliche Schwäche vorweisen und ein Desinteresse an den Tag bringen, das an Faulheit grenzt."

Neben den betriebs-klimatischen Faktoren wird die falsche Berufswahl als wichtiger Grund für eine Vertragslösung von den Auszubildenden genannt. 42 Prozent der möglichen Ausbildungsabbrecher betonen, dass der Ausbildungsberuf nicht ihren Vorstellungen entspricht. Häufig ist dies ein Indiz für mangelnde Informationen über den (zum Teil unfreiwillig) gewählten Ausbildungsberuf. Meist stellt sich erst in der täglichen Ausbildungspraxis heraus, ob der Beruf den eigenen Vorstellungen und Neigungen entspricht (Feller 1995). Besonders schwer wiegt dieser Grund bei Industriemechanikern/ -innen (zwei Drittel). Aber auch Bank- und Industriekaufleute, die einen Abbruch erwägen, haben mit ihrer Ausbildung oftmals andere Vorstellungen verbunden. Entsprechend häufig nennen diese Auszubildenden auch andere Berufswünsche. Der Abbruch wird als Chance für eine berufliche Neuorientierung gesehen, zum Teil in Form einer fachschulischen bzw. hochschulischen Berufsqualifikation.

Finanzielle Aspekte sind für Abbruchüberlegungen ebenfalls von Bedeutung. Sie werden von einem Drittel der potenziellen Abbrecher genannt - insbesondere von Auszubildenden in Berufen mit niedrigeren Ausbildungsvergütungen wie z. B. Friseur/ -in (51 %) und Elektroinstallateur/ -in (46 %). In diese Überlegungen dürften, neben der Unzufriedenheit mit dem aktuellen Ausbildungsentgelt, möglicherweise auch die späteren Verdienstaussichten als Fachkraft einfließen. Bei einer geschlechtsspezifischen Betrachtung zeigt sich, dass die jungen Männer wesentlich häufiger finanzielle Gründe als Abbruchursache nennen. Finanzielle Motive spielen auch eine größere Rolle bei ausländischen Auszubildenden sowie besonders bei Auszubildenden in außerbetrieblichen Einrichtungen, bei Gruppen also mit einem in der Regel geringeren Ausbildungsentgelt. Ebenso dürften unsichere Berufsperspektiven, d. h. geringere Chancen für die Einmündung in ein späteres (ausbildungsadäquates) Arbeitsverhältnis eine Rolle spielen. Welche Bedeutung finanzielle Aspekte bei den abbruchgefährdeten Jugendlichen haben, lässt sich u. a. daran ablesen, dass in dieser Gruppe wesentlich mehr Jugendliche noch einer Nebentätigkeit nachgehen, um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren, als bei Auszubildenden, die nicht an Abbruch denken.

Von ihrer Ausbildung überfordert fühlen sich 16 Prozent der potenziellen Ausbildungsabbrecher/ -innen. Dies ist ein Abbruchgrund, der verstärkt von Auszubildenden im dritten und vierten Ausbildungsjahr angegeben wird. Das Gefühl, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein, kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Leistungsanforderungen im Verlauf der Ausbildung gestiegen sind. Zum anderen kann es dem zunehmenden Prüfungsdruck gegen Ende der Ausbildung geschuldet sein. Die Angst vor Misserfolg bei der Prüfung führt dann bei einem Teil der Auszubildenden dazu, dass sie bereits im Vorfeld die Ausbildung abbrechen oder zumindest entsprechende Überlegungen anstellen. Jugendliche mit niedrigerer schulischer Vorbildung tun sich schwerer, den Anforderungen der Berufsausbildung gerecht zu werden (vgl. Zielke 1998), ebenso ausländische Jugendliche. Gründe hierfür dürften vor allem in [/S. 60:] einer geringeren Sprachkompetenz und, damit oftmals einhergehend, in schulischen Defiziten zu suchen sein (vgl. Beer-Kern 1993).

Gesundheitliche Gründe veranlassen 15 Prozent zu Abbruchüberlegungen. Ein Grund, der tendenziell häufiger von Gas- und Wasserinstallateuren, Kraftfahrzeugmechanikern, Malern und Lackierern sowie Elektroinstallateuren angeführt wird. Hierbei handelt es sich vor allem um Berufe im gewerblich-technischen Bereich, bei denen von stärkeren körperlichen Arbeitsanforderungen und allergenen Belastungen ausgegangen werden kann.

Für weitere 15 Prozent sind private Gründe ausschlaggebend. Diese Motive werden öfter von Auszubildenden, die in der Regel mit den berufsinhaltlichen bzw. betrieblichen Rahmenbedingungen zufrieden sind, genannt. Eine enge Korrelation besteht bei dieser Gruppe allerdings auch mit finanziellen Aspekten. Zwischen den Geschlechtern liegen keine signifikanten Unterschiede vor.

Für viele Jugendliche, die ihrer derzeitigen Ausbildung den Rücken kehren wollen, würde dies ihren Angaben zufolge allerdings noch kein endgültiger Verzicht auf eine berufliche Bildung oder auf eine weitere schulische bzw. hochschulische Qualifizierung bedeuten. Vielmehr läuft der erwogene Ausbildungsabbruch auf eine Veränderung der beruflichen Orientierung hinaus: Knapp ein Drittel strebt eine Ausbildung in einem anderen Beruf an und zieht damit die Konsequenzen aus einer falschen Berufswahl. Weitere 12 Prozent planen einen so genannten "Abbruch nach oben" zur weiterführenden Qualifizierung außerhalb des dualen Systems. Sie sehen in einer schulischen bzw. hochschulischen Ausbildung eine Verbesserung ihrer Arbeitsmarktchancen.

Der Wechsel in eine andere Ausbildung korreliert stark mit der Ausbildungsdauer und wird vor allem von Befragten im ersten Lehrjahr genannt (35 %). Aber auch ausländische Jugendliche versprechen sich verstärkt von einem Ausbildungswechsel bessere Berufschancen. Dies gilt für Auszubildende aus Großbetrieben (500 und mehr Beschäftigte) ebenso, wie für solche aus außer- und überbetrieblichen Einrichtungen. Insbesondere bei der letztgenannten Gruppe, bei der gut jede(r) Zweite mit Abbruchüberlegungen darüber nachdenkt, in einem anderen Beruf einen Neuanfang zu starten, dürfte der Wunsch nach Einmündung in eine reguläre betriebliche Ausbildung mit im Vordergrund stehen. Bei den Auszubildenden in Großbetrieben spricht vieles dafür, dass ein geplanter Berufswechsel sogar im gleichen Betrieb vollzogen werden kann.

Der Übergang in eine schulische bzw. hochschulische Ausbildung wird, entsprechend ihren schulischen Voraussetzungen, in erster Linie von Abiturienten (46 %) sowie Auszubildenden mit Fachhochschulreife (27 %) genannt. Diese höheren Bildungsaspirationen stehen vor allem für Bank- und Industriekaufleute sowie für Energieelektroniker - also Berufe mit bereits hohem Bildungsniveau der Auszubildenden - zur Diskussion. Die berufliche Umorientierung dient der weiterführenden Qualifizierung und damit der Optimierung von Arbeitsmarktchancen. Gleichzeitig wird mit dieser Option der Schritt in den beruflichen Alltag, der so genannte "Ernst des Lebens", auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Denn im Vergleich zu schulischen und hochschulischen Bildungsgängen ist die betriebliche Lehre eher als Einmündung in betriebliche Sozialstrukturen mit einem stärker sanktionierten Anpassungsdruck zu verstehen.

Lediglich jede(r) zehnte potenzielle Abbrecher erwägt den völligen Ausstieg aus der beruflichen Qualifizierung und möchte sofort eine (ungelernte) Arbeit aufnehmen. Die Angaben der Jugendlichen belegen hierbei einen engen Zusammenhang mit finanziellen Motiven. Die sofortige Arbeitsaufnahme wird vor allem von männlichen Jugendlichen in größeren [/S. 61:] Ausbildungsbetrieben angegeben und basiert möglicherweise auf der Annahme und Erfahrung, dass der Betrieb, auch ohne abgeschlossene Ausbildung, vielfältige Arbeitsmöglichkeiten bietet. Eine stärkere "drop-out"-Rate zeichnet sich bei Auszubildenden in außerbetrieblichen Einrichtungen ab: Knapp ein Viertel nennt die Arbeitsaufnahme als Grund für einen möglichen Abbruch. Es scheint, als versprächen sich diese Jugendlichen keine positiven Auswirkungen von einem qualifizierten Berufsabschluss auf ihre späteren Berufs- und Arbeitsmarktchancen, vermutlich sehen sie eher geringe Möglichkeiten, im erlernten Beruf etwas zu finden. Sie betrachten die außerbetriebliche Ausbildung eher als vergeudete Zeit bei geringem Einkommen.

Insgesamt zeigt die Vielzahl der genannten Gründe im Zusammenhang mit der Überlegung, die Ausbildung vorzeitig zu beenden, dass in der Regel nicht nur ein Motiv dafür geltend gemacht wird. Vielmehr handelt es sich hier um eine Vielzahl einander bedingender Gründe, die zu den Abbruchüberlegungen bei den Auszubildenden geführt haben (vgl. Hecker 1989). Damit bestätigen die Angaben der Auszubildenden auch Ergebnisse von Untersuchungen über vollzogene Ausbildungsabbrüche.