Eine zentrale Rolle kommt der Arbeitszeitpolitik auch in Vorschlägen zu, welche nicht nur Räume für die Umverteilung der Erwerbsarbeit, sondern auch für eine bessere, flexiblere Abstimmung von Erwerbstätigkeit und nicht marktvermittelten Tätigkeiten wie Familien-, Eigen- und Gemeinwesenarbeit öffnen und so eine gleichmäßigere Verteilung der verschiedenen Tätigkeitsarten zwischen den Lebensphasen der Individuen sowie zwischen den Geschlechtern ermöglichen sollen. Strategien umfassen vor allem verschiedene Formen der Arbeitszeitverkürzung, sei es als dauerhafte oder phasenweise Reduzierung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit, sei es als blockartige Freistellung wie Sabbaticals oder Elternurlaub.

Bislang ist die Abstimmung der Erwerbsarbeit auf die differenzierten Lebenslagen und -ansprüche problematisch, weil "optionale", spezifischen Interessen entsprechende Erwerbsformen - sofern sie überhaupt zugänglich sind - häufig nicht die individuelle Existenz sichern, meist auch mit erhöhten Risiken behaftet sind. Einen interessanten Vorschlag macht Günther Schmid mit der "Strategie flexibler Arbeitsmarktübergänge". Dabei geht es vor allem darum, bisher blockierte oder riskante Übergänge zwischen verschiedenen Erwerbsformen und Tätigkeitsbereichen durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu erleichtern und sozial abzusichern: Übergänge zwischen Arbeitslosigkeit und Beschäftigung, zwischen Bildung und Beschäftigung, zwischen Haushalts- und Erwerbstätigkeit, zwischen Erwerbstätigkeit und Rente, zwischen Kurz- und Vollzeitbeschäftigung. Dazu soll das vorhandene Instrumentarium der aktiven staatlichen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und der Tarifpolitik genutzt und ausgestaltet werden (vgl. Schmid 1994, S. 9-23). Die Strategie der Übergangsarbeitsmärkte zielt auf eine spürbare Verminderung der Arbeitslosigkeit, zugleich aber auch auf eine flexiblere, den differenzierten Lebenslagen und -interessen entsprechende Gestaltung des Erwerbssystems mit einer Vielzahl unterschiedlicher Formen, die aber in höherem Maße als "abweichende Erwerbsformen" im Regime des herkömmlichen Normalarbeitsverhältnisses sozial abgesichert sind.

Die hier nur skizzierten Konzeptionen und Strategien zeigen neue - teils komplementäre, teils alternative - Wege in der Arbeitsmarktpolitik auf. Bislang wenig ausgeschöpft sind die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Umverteilung von Erwerbsarbeit - zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen, zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung. Wenig entwickelt sind auch noch Politiken, die flexiblere Abstimmungen und Übergänge zwischen Erwerbsarbeit und anderen, nicht marktorganisierten Tätigkeitsbereichen fördern. Eine weitere gesellschaftliche Umverteilung von Erwerbsarbeit verlangt nicht nur materielle und soziale Anreize zur Reduzierung von Arbeitszeit oder zum phasenweisen Ausscheiden aus dem Erwerbsarbeitsmarkt zugunsten erwerbsloser Personen, sondern auch langfristige soziale Sicherungen und Garantien; es wird dies nicht ohne die Aufgabe herkömmlicher Prinzipien gehen, die Anrechte auf die soziale Sicherung an die Erwerbstätigkeit zu binden. In jedem Fall verlangen die neuen Wege einen Umbau des etablierten, am Normalarbeitsverhältnis orientierten institutionellen Regulierungssystems - so von Arbeits- und Sozialrecht und industriellen Beziehungen. Sie rühren stets auch an etablierte Ansprüche und Privilegien und erfordern daher neue gesellschaftliche Pakte und Konzessionen der korporativen Akteure.

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