Der allgemeine Kontext der Rede von Standards im Bildungs– und Schulbereich braucht an dieser Stelle nur kurz angedeutet zu werden: Es gehört zu den so genannten Neuen Steuerungsmodellen im Privaten wie Öffentlichen Sektor, dass zwar einerseits Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten ‚nach unten‘ verlagert werden, dass aber gleichwohl andererseits die Standards für zu leistende Arbeit, für zu erzielende Wirkungen und z.T. auch für Aufwand/Ertrags–Relationen ‚von oben‘ (sei es durch Konzernzentralen, sei es durch staatliche Vorgaben) gesetzt sind (vgl. Schedler, Proeller 2000). Im öffentlichen Sektor und speziell im Bildungsbereich auf staatliche Vorgaben und Rahmensetzungen verzichten zu wollen, wäre verfassungsrechtlich unzulässig und würde letztlich bedeuten, das öffentliche Bildungswesen an systeminterne und –externe Interessengruppen auszuhändigen.

Die Definition von Standards ist insofern ein zentraler Schritt im gesamten Qualitätsmanagement, wobei zwischen Minimalstandards, Maximalstandards und schließlich differenzierten Modellen mit unterschiedlich anspruchsvollen Ebenen oder Stufen der Erreichung von Standards zu unterscheiden ist. Zugleich sollte immer schon im Auge behalten werden, dass das Definieren von Standards zwar ein wichtiger und notwendiger Schritt zur Vorbereitung von Evaluationen ist, dass aber zugleich folgende Doppel–Aufgabe entsteht: Erstens müssen Standards konkretisiert und handhabbar gemacht werden, damit überhaupt evaluiert werden kann, und zweitens muss gleich von Beginn an erwogen werden, was man mit den Resultaten von Evaluationen zu tun gedenkt bzw. welche Konsequenzen man zu ziehen bereit ist. Standards haben also sowohl für die ‚Diagnose' des Zustandes eines Systems wie auch für die Weiterentwicklung dieses Systems eine wichtige Funktion; beides zusammen ist Teil von Qualitätsentwicklung.

Entscheidend und in gewisser Weise tatsächlich revolutionär für den Schulbereich ist es, sich bei der Steuerung (bis hin zur Ressourcenvergabe) nicht länger nur am Prinzip einer immer detaillierteren Vorgabe von Inputs (Gesetze, Lehrpläne, Erlasse, Stundentafeln, Ordnungen etc.), sondern verstärkt an der Erfassung der Outputs bzw. Outcomes, also an tatsächlich erreichten Effekten und Wirkungen zu orientieren. Diese sind mit den gesetzten Standards zu vergleichen, wobei darauf zu achten ist, dass angesichts unterschiedlicher Ausgangs– und Umfeldbedingungen ein fairer Vergleich der Effektivität und Effizienz der einzelnen Einheiten durchgeführt wird: Entscheidend ist, was angesichts jeweils unterschiedlicher Ausgangsbedingungen mit den gegebenen Mitteln erreicht wird. [/S. 7:]

Die Orientierung an tatsächlich eintretenden Wirkungen hat selbst Wirkungen: Der Hinweis darauf, daß vermehrte Investitionen hier und dort dann auch schon automatisch hier und dort gesteigerte Effekte nach sich ziehen werden, ist nicht mehr ausreichend – es geht um tatsächlich zustande kommende Wirkungen, und das heißt im Schulsystem: um Wirkungen auf der Seite der Schüler, denn die Schule ist letztendlich für die Schüler da (vgl. Lange 1999; Terhart 2000). Programm, Struktur und Prozeß des Schulwesens werden zwar gesellschaftlich definiert – dies geschieht jedoch mit Blick auf die bei den Schülern bzw. bei Schülergenerationen zu erreichenden Wirkungen.

Die Karriere von (international und/oder intranational) vergleichenden Schulleistungsstudien macht deutlich, dass ein verstärktes Wirkungsbewusstsein um sich greift, wie beschränkt zurzeit die diagnostischen und evaluativen Techniken – gemessen an den großen Worten der Pädagogik – auch immer sein mögen. Man wird auch in Zukunft kontinuierlich mit empirischen Leistungsvergleichsstudien zu allen möglichen Aspekten und Ebenen und Wirkungen des Bildungssystems rechnen müssen (Baumert 2001; Terhart 2002). Durch solche großräumigen Vergleiche werden de facto Standards gebildet – sowohl dadurch, dass man vorab wichtige Kompetenzbereiche und – niveaus bestimmt als auch allein schon dadurch, dass man sich nach Erhalt der Daten bei der Reihung von Teilnehmerländern an Durchschnittswerten orientiert. Die Frage ist, ob man sich dieser mehr oder weniger schleichenden Standard-‚Bildung' (im doppelten Wortsinne) anschließen will – oder ob es nicht sinnvoller ist, stattdessen eigenständig Standards offensiv zu formulieren, und daran dann die Bildungsrealitäten bemisst. Bedingt durch Globalisierungsprozesse ist diese Frage aber vermutlich langfristig schon entschieden: ein bislang nur in Grundzügen vorhandenes Weltcurriculum (zunächst der hoch-industrialisierten Welt) wird vermutlich irgendwann Realität sein.(2) [/S. 8:]

Die Formulierung von Standards und das Operieren mit Standards ist im Blick auf unterschiedliche Ebenen, Teilbereiche und Personengruppen des Bildungssystems möglich. Bislang wurde von solchen Standards primär im Zusammenhang mit Leistungsanforderungen für Schüler auf den unterschiedlichen Jahrgangsstufen, Fächern und Schulformen/–stufen gesprochen. Die Schulsysteme der verschiedenen Länder haben unterschiedliche Formen der Vorgabe solcher Leistungsstandards gefunden, ebenso unterschiedliche Formen der Überprüfung des Erreichens dieser Standards; in den Lehrplänen, Lehrbüchern, didaktisch–methodischen Materialien und Handreichungen für Lehrer finden sich ebenfalls sehr unterschiedliche Formen des Einbringens und Überprüfens von Standards auf der Ebene der einzelnen Schulklasse.

Im Folgenden geht es jedoch nicht um Standards für Schüler, sondern um Standards, an denen sich die Lehrerbildung zu orientieren hat. [/S. 9:]