Die Literatur zu Bildungsstandards und Kompetenzen ist mittlerweile unübersichtlich geworden, ohne dass bisher allgemein anerkannte Begriffsdefinitionen vorliegen, die eine Identifikation von Abgrenzungen und Überschneidungsbereichen der beiden Begriffe ermöglichen. Mal werden Kompetenzen den Standards untergeordnet (so bspw. bei Maag Merki 2005), mal beziehen sich die Standards auf übergeordnete Kompetenzen (z.B. KMK 2004), mal sind beide Begriffe nahezu austauschbar – etwa wenn "Kompetenzen als Bildungsstandards definiert werden" (Maag Merki 2005, S. 12). Wir folgen in unserem Vorschlag maßgeblichen Vertretern in dieser Diskussion (Klieme; Oelkers; Terhart; KMK) und benennen zunächst Kompetenzen, die durch die Erreichung bestimmter Standards erlangt werden. Kompetenzen sind in diesem Verständnis "berufsbezogene Fähigkeiten einer Lehrerin und eines Lehrers, die im Verlauf der Ausbildung erworben werden." (Oelkers 2005b, S. 10). Standards konkretisieren diese und machen sie überprüfbar.

Allgemein formuliert orientieren sich die in Bildungsprozessen angestrebten Kompetenzen an Bildungszielen. Für die Lehrerbildung lässt sich analog formulieren, dass sich die in den verschiedenen Ausbildungsphasen angestrebten Kompetenzen an den maßgeblichen Ausbildungszielen orientieren. Spricht man im Zusammenhang der Lehrerbildung von Bildungszielen, so sind zwei Zielebenen voneinander zu unterscheiden: Die Ziele, die mit der Ausbildung der Lehrkräfte verfolgt werden, und die Ziele, die mit der Arbeit der Lehrkräfte als mit der Durchführung von Unterricht Betraute – hier im Rahmen der ökonomischen Bildung – verbunden sind, also Ziele von Bildungsprozessen in der Schule. Beide Ebenen sind aufeinander zu beziehen:

Das Bildungsziel der schulischen ökonomischen Bildung weist, cum grano salis, zwei wesentliche Aspekte auf: Zunächst unterliegt die schulische ökonomische Bildung den übergeordneten Bildungszielen der allgemein bildenden Schulen. Ziel von Bildungsprozessen ist der in einer demokratischen Gesellschaft selbst verantwortet und selbstständig handelnde Mensch, der seine eigene Lern– und Entwicklungsfähigkeit (er–)kennt und über ein angemessenes fachliches und wertbesetztes Fundament für Entscheidungen innerhalb seiner Lebenswelt verfügt. Dies ist verwoben mit dem zweiten Aspekt: Ökonomische Bildung soll ihre Adressaten in die Lage versetzen, in ökonomisch geprägten Lebenssituationen sachgerecht und reflektiert zu handeln sowie sachlich und wertebezogen reflektiert an der (Diskussion über die) Gestaltung der Gesellschaft teilzuhaben.(4)

Auch wenn es keinen direkten Ableitungszusammenhang von Schüler- zu Lehrerkompetenzen geben kann, so muss es doch Ziel der Lehrerausbildung im Bereich der ökonomischen Bildung sein, Lehrkräfte zu qualifizieren, den Adressaten schulischer Bildungsprozesse die Erreichung der oben genannten Ziele zu ermöglichen. Am Ende der Lehrerausbildung sollten Lehrkräfte also mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet sein.

Es erscheint sinnvoll, die im Zuge der Lehrerausbildung zu erwerbenden Kompetenzen in zwei Dimensionen zu unterteilen: Zum einen bedarf es überfachlicher Kompetenzen, die auf eine allgemeine professionelle Kompetenz von Lehrkräften abzielen, zum anderen ist eine Definition fachlicher Kompetenzen unabweisbar (vgl. Oelkers 2005b, S. 11). Kompetenzen und Standards im Bereich der ökonomischen Bildung können sich also selbstredend nur auf einen Teilaspekt der Lehrerausbildung beziehen.

Zu den unabweisbaren überfachlichen Kompetenzen von Lehrkräften gehören stets unverzichtbare Fähigkeiten, die nicht allein – und sicherlich auch nicht in erster Linie – durch die Ausbildung im Bereich der ökonomischen Bildung erworben werden können. Beispielhaft werden hier mit Jürgen Oelkers genannt:

  • "Einsichten in bestimmte Grundprobleme der Erziehung und Bildung, die sich sozial, historisch und philosophisch bestimmen lassen
  • Kenntnisse der professionellen Ethik oder Berufsmoral, der rechtlichen Verfassung von Schulen sowie der Bildungspolitik einschließlich der Forderung nach Chancengleichheit;
  • Verständnis, wie Kinder und Jugendliche unter heutigen Bedingungen innerhalb und außerhalb der Schule lernen und sich entwickeln;
  • Verständnis besonderer Begabungen oder Behinderungen;
  • Kenntnisse […] der kulturellen Einflüsse auf Lernprozesse und der Vielfalt in multikulturellen Gesellschaften;
  • Fähigkeiten im Blick auf die sinnvolle Nutzung von neuen Lerntechnologien zum Aufbau von Computer Literacy als vierte Kulturtechnik." (Oelkers 2005a, S. 14).

Die fachlichen Kompetenzen wiederum weisen sowohl eine Wissensdimension als auch eine Vermittlungsdimension auf. Standards, die Kompetenzen für die Lehrerausbildung im Bereich der ökonomischen Bildung operationalisieren, sind für beide Dimensionen zu entwickeln (vgl. Terhart 2002, S. 34 f.). Damit geht unser Vorschlag für Standards der Lehrerbildung im Bereich der ökonomischen Bildung von zwei fachlichen Kompetenzbereichen aus: Dem Kompetenzbereich "Wissen und Verstehen" (Wissensdimension) sowie dem Kompetenzbereich "Lehr–Lern–Prozesse anbahnen" (Vermittlungsdimension).


Mit diesem Vorschlag möchten wir nicht die Schlüssigkeit anderer Systematiken von Bildungsstandards bestreiten, die sich jedoch i.d.R. (auch) auf überfachliche Kompetenzen beziehen. So erscheint uns die Systematik der KMK mit den Kompetenzbereichen Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren für die Bildungswissenschaften durchaus sinnfällig, doch sie bezieht sich auf "die ganze Lehrkraft" und meint ausdrücklich nicht Standards für die (Unterrichts–) Fächer (KMK 2004, S. 1).

Die Formulierung von Bildungsstandards mag zu einer aller oben angegebenen Kompetenzdimensionen möglichst vollständig umfassenden Nomenklatur verführen. Angesichts der Knappheiten in der Praxis und der daraus resultierenden Zwänge, eine Auswahl treffen zu müssen, beinhalten solche umfassenden Nomenklaturen immer ein Element von faktischer Beliebigkeit. In der pädagogischen Diskussion zu den Kriterien ‚guter' Bildungsstandards ist hier die Rede von "Fokussierung" (Klieme 2003, S. 24 ff.) oder von "Knappheit" (Böttcher 2005). Wir haben deshalb den nachfolgenden Vorschlag bewusst überschaubar gehalten und auf das konzentriert, was wir für die ökonomische Bildung für originär und unverzichtbar (nicht, was wir insgesamt für wünschbar) halten. Standards beanspruchen, ubiquitär gültige Festlegungen zu sein, die verbindlich, umsetzbar, erreichbar und überprüfbar sind und sich dabei auf das Wesentliche beschränken. Mit dem folgenden Vorschlag haben wir versucht, diesem Anspruch Rechnung zu tragen.