Wir haben es also im kultur- und sozialwissenschaftlichen Feld mit einem ausgeprägten Pluralismus der Erkenntnisweisen, Disziplinen und Paradigmen zu tun, der vielgestaltige Kombinationen hervorbringt und erlaubt. Diese Situation gibt den Fachdidaktiken der historischen und der politischen Bildung einen relativ hohen Freiheitsgrad bei ihren konstitutiven Entscheidungen: der Wahl von Erkenntnisweisen und Bezugsdisziplinen. [/S. 118:]

So gesehen wird die historisch gewachsene und fachpolitisch gesteuerte Zuordnung und Ausdifferenzierung von Großdisziplinen und Disziplinen für Fachdidaktiken zu einem, aus theoretischer Sicht zweitrangigen Aspekt ihres Selbstverständnisses. Das gilt besonders für Fachdidaktiken, die sich an Leitkategorien wie Geschichtsbewusstsein orientieren oder die sich an Politikbewusstsein oder Wirtschaftsbewusstsein orientieren könnten. Sie machen es sich zur Aufgabe, diese gesellschaftlich konstruierten, kollektiv geteilten und unterschiedlichen "Bewusstseine" zur Sprache zu bringen, erlebbar zu machen, zu beschreiben, zu irritieren, aufzuklären, weiterzuentwickeln und zu reflektieren. Als Wissenschaften vom fachspezifischen Lernen könnten sie ihr Interesse auf die nachwachsende Generation konzentrieren. Wie sich Fachdidaktiken auf Disziplinen und Erkenntnisweisen beziehen, sollten sie danach entscheiden, welche Erkenntnisweisen und welche Disziplinen leistungsfähige Beiträge zur Bearbeitung der fachdidaktischen Leitfragen und zur Aufklärung ihres Forschungsgegenstandes liefern können. So würde sich etwa eine Politikdidaktik, die sich durch die Leitkategorie Politikbewusstsein definiert, wesentlich stärker als bisher auf Kommunikationssoziologie, Medienforschung, Wissenssoziologie, Sozialpsychologie, Sozialisationsforschung und Demoskopie beziehen müssen - und auf Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik!