- 1. Ökonomische Bildung als Prinzip des Unterrichts
- 2. Wirtschaftsunterricht in anderen Fächern - Erfahrungen und Probleme
- 3. Denken in ökonomischen Kategorien lernen - das Spezifikum ökonomischer Bildung
- 4. Ökonomische Bildung - Fach und Prinzip
- Literatur
1. Ökonomische Bildung als Prinzip des Unterrichts
Ökonomische Bildung gilt heute nahezu unbestritten als wichtiger Teil von Allgemeinbildung, und seit einigen Jahren finden wirtschaftsbezogene Themen zunehmend Eingang in den Unterricht an allgemein bildender Schulen. Gleichwohl werden der Stand konomischer Bildung in der Bevölkerung allgemein und auch bei Schülern als defizitär bezeichnet (vgl. Sczesny, Lüdecke 1998; vgl. auch die Ergebnisse der empirischen Studie des amerikanischen National Council on Economic Education (1999), die einen wichtigen Bestandteil der NCEE-Campaign for Economic Literacy bildet). Neben anderen Problemen, die zu den Defiziten ökonomischer Bildung beitragen, wird immer wieder diskutiert, ob wirtschaftliche Bildung ein eigenes Fach erfordert, oder ob sie besser in bestehenden Fächern vermittelt werden sollte. Die Antwort hängt davon ab, ob ökonomische Bildung spezifische Inhalte und Methoden aufweist, die sich von denen anderer Fächer so unterscheiden, dass diese bestimmte relevante Problemstellungen nicht adäquat bearbeiten können.
In der Bundesrepublik stand am Anfang die Einführung eines neuen Faches mit einem komplexen Bildungsauftrag und mehreren Bezugsdisziplinen. Die Bestrebungen, die bis dahin im deutschen Bildungswesen vernachlässigten Bereiche Technik, Arbeit, Beruf und Wirtschaft in die (Haupt-)Schulen einzubeziehen, führten nach 1964 zur Konzeption der Arbeitslehre. In der ehrgeizigsten Variante sollten in einem breit angelegten Fach Technik, Hauswirtschaft, Berufsorientierung und Wirtschaft integrativ zu einer arbeits- und berufsorientierten Bildung verschmelzen. Die Versuche, diesen Ansatz zu verwirklichen, brauchen hier nicht nachgezeichnet zu werden: Ein integratives Fach Arbeitslehre hat sich nicht durchgesetzt, nicht in der Hauptschule oder Realschule, und schon gar nicht im Gymnasium. In mehreren Bundesländern wurde eine gemäßigtere Variante - Arbeitslehre als integrativer Lernbereich oder als Lernfeld (Dedering 1994) - realisiert; llerdings meist mit dem Ergebnis, dass sich unter diesem Dach Techniklehre und ein stark auf Berufsorientierung ausgerichteter Wirtschaftsunterricht als eigene Fächer verselbstständigt haben.
Der National Council on Economic Education, der Dachverband für Lehrer und Hochschullehrer der Economics Education in den USA, hat unter dem Stichwort EconomicsAmerica ein umfangreiches und differenziertes Angebot an Unterrichtseinheiten für die verschiedenen Schulstufen entwickelt und bietet es über das Internet zur Nutzung an. Ferner gibt der NCEE den Lehrkräften unter dem Stichwort CyberTeach Hinweise, wie man unter Nutzung des Internet Economics Lessons (Wirtschaftsunterricht) konzipieren kann und worauf man dabei achten sollte. Insbesondere für elementary schools, middle schools und high schools hält der NCEE die Integration ökonomischer Bildung in alle Fächer des Curriculums für sinnvoll (Western 1997, 7 ff.). Die National Task Force on Economic Education, ein Gremium, das in den 60er Jahren in den USA einen mächtigen Schub zu Gunsten von mehr ökonomischer Allgemeinbildung bewirkte, prägte dafür 1961 den Begriff der "infusion" (Einflößung, Durchtränkung), der mir sehr anschaulich erscheint. Die Infusion wirtschaftlicher Inhalte in das Curriculum kann auf verschiedene Weise geschehen:
Man kann wirtschaftliche Inhalte in einem anderen Fach behandeln. Als Beispiel nennt der NCEE: "Supply and demand can be taught in mathematics while students learn and apply graphing skills." (Western 1997, 8) Oder man kann Unterrichtseinheiten so anlegen, dass die Schüler wirtschaftliche Inhalte und wirtschaftliches Denken anwenden, um Probleme des betreffenden Fachgebiets zu lösen oder die Ursachen für vergangene oder gegenwärtige Ereignisse zu verstehen. Schließlich kann man ein vernetztes Curriculum entwickeln und ökonomische Inhalte in verschiedenen Fächern ansprechen. Der NCEE spricht davon, "to employ a webbing technique in lesson development" und macht das am Beispiel der Produktivitätssteigerung - einem zentralen Merkmal von Wirtschaft - deutlich. (Western 1997, 8)
In dem umfangreichen und nach Schulstufen differenzierten Internet-Angebot EconomicsAmerica, das gewiss auch für deutsche Lehrer viele Anregungen enthält, finden sich interessante Beispiele, wie ökonomische Inhalte fächerübergreifend oder in anderen Fächern unterrichtet werden können.
Für die "Infusion" sprechen nicht nur die ubiquitäre Bedeutung ökonomischer Sachverhalte und der Gewinn an "Lebensnähe" im Unterricht sonst vielleicht recht abstrakter Fächer wie Mathematik oder Sprachen. Als weiterer Vorteil wird angeführt, dass auf diese Weise alle Schüler wirtschaftliche Grundkenntnisse erwerben und eine Grundlage für eine Vertiefung in späteren Kursen gelegt werden könne, und dass nicht nur die Schüler mit Ökonomie befasst würden, die auf weiterführenden Schulen einen entsprechenden Kurs wählen. (Walstad 1994, 116 f.) Der Ansatz, ökonomische Bildung als Prinzip im Curriculum zu verankern oder in benachbarten Fächern zu integrieren, kommt auch all denen entgegen, die den politischen Streit scheuen, welches Fach denn zu Gunsten der Ökonomie gekürzt oder gestrichen werden soll. Das Totschlagargument lautet: "Was wollen Sie streichen - Geschichte? Geografie? Und das, wo doch immer neue Fachgebiete in die Schule hineindrängen!"
2. Wirtschaftsunterricht in anderen Fächern - Erfahrungen und Probleme
In ihrer 1999 veröffentlichten Analyse von Lehrplänen für Gymnasien aus allen 16 Bundesländern dokumentieren und untersuchen Schlösser und Weber nicht nur die Fächer, in denen Wirtschaftsunterricht im Vordergrund steht, sondern auch Geschichte und Geografie. Kurz gefasst kommen sie darin zu folgenden Ergebnissen (Schlösser, Weber 1999, 172 ff.): Wirtschaftsbezogene Themen nehmen teilweise erheblichen Raum in Geschichte und Geografie ein. Wirtschaftliche Ereignisse und Prozesse sind Einflussfaktoren und vielfach Voraussetzungen für historische Entwicklungen. Ihre Folgen beeinflussen den Lauf der Geschichte und werden von Historikern im Geschichtsunterricht angesprochen. Vor allem zwei Themen werden in nahezu allen Lehrplänen behandelt: Industrialisierung und soziale Frage im 19. Jahrhundert und die Weltwirtschaftskrise und ihre politischen Folgen in den 30er Jahren. Ferner gehen die meisten Geschichtslehrpläne auf die Entstehung der Sozialen Marktwirtschaft in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg ein. Der Geschichtsunterricht geht dabei natürlich von seinen eigenen Fragestellungen, Zielen und Methoden aus. Er will historische Abläufe und Ereignisse aus ihren politischen, sozialen, wirtschaftlichen usw. Ursachen heraus erklären, nicht jedoch die Funktionszusammenhänge volks- und betriebswirtschaftlicher Prozesse offen legen. So wichtig fundierte geschichtliche Kenntnisse für das Verständnis heutiger wirtschaftlicher Institutionen und Strukturen sind - der Blick auf die Wirtschaft allein aus historischer Perspektive reicht nicht als Grundlage ökonomischer Bildung für heute und morgen. Schlösser und Weber weisen noch auf ein anderes Problem hin: "In den meisten Ländern wird Geschichte unter dem Aspekt der Entwicklung der Demokratie betrieben. Die Betonung der besonderen Rolle des Staates, der ökonomische Probleme zu korrigieren hat, deren Ursachen nur multidimensional, aber nicht in ihrem ökonomischen Funktionszusammenhang berücksichtigt werden, birgt die Gefahr, dass durch den Geschichtsunterricht ein einseitiges Bild vom Verhältnis Staat und Wirtschaft geprägt wird, demzufolge der Staat notwendigerweise in die Marktwirtschaft eingreifen muss." (Schlösser, Weber 1999, 175)
Auch im Geografieunterricht findet die "Wirtschaft" in fast allen Lehrplänen Berücksichtigung: Das Wirtschaften der Menschen war und ist von naturräumlichen Bedingungen abhängig und Wirtschaften prägt in hohem Maße den Raum, man denke nur an das Ruhrgebiet, die niederländische Polderwirtschaft oder die Abholzung von Regenwäldern zur Gewinnung von Weideland. Es sind insbesondere drei Lerninhalte, die in der Erdkunde behandelt werden: die sektorale Entwicklung der Wirtschaft und ihre Rückwirkungen auf Wirtschaftsstandorte, die weltwirtschaftlichen Verflechtungen (vor allem Nord-Süd-Beziehungen) und die ökologischen Folgen wirtschaftlichen Handelns für den Naturraum. Auch in der Geografie geht es natürlich in erster Linie um die speziellen Ziele und Methoden des Faches und nicht um wirtschaftstheoretische Erklärungen und Zusammenhänge. Wo Ursachen wirtschaftlicher Entwicklungen und wirtschaftspolitische Eingriffe angesprochen werden, geht es um die Korrektur von Marktversagen und Fehlentwicklungen, vorzugsweise durch raumplanerische Maßnahmen. Eine differenzierte Analyse beispielsweise des Zusammenhangs zwischen Ökonomie und Ökologie unter Berücksichtigung externer Effekte und spezifisch wirtschaftspolitischer Instrumente findet in der Regel nicht statt.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Bönkost und Oberliesen 1997 in einer umfangreichen Schulbuchanalyse. Sie untersuchten Schulbücher der Fächer Deutsch, Englisch, Geografie und Geschichte für die Sekundarstufe I darauf hin, ob und gegebenenfalls wie Arbeit und Beruf, Wirtschaft und Technik in diesen Unterrichtswerken behandelt werden. Die Schulbücher unterschieden sich in der quantitativen und qualitativen Repräsentanz dieser Gegenstände - insbesondere in Geschichts- und Erdkundebüchern werden häufig wirtschaftliche Themen angesprochen, aber eben unter den Fragestellungen der jeweiligen Fächer, "was sich an vielen Stellen darin ausdrückt, dass keinerlei differenzierte Wirtschaftsanalyse für die beschriebenen Phänomene angeboten werden." (Bönkost, Oberliesen 1997, 465)
Geschichte und Erdkunde tragen durch die Befassung mit wirtschafts- und sozialhistorischen Entwicklungen und naturräumlichen und kulturgeografischen Zusammenhängen zu ökonomischer Bildung bei - aber, und das ist nicht verwunderlich - eben unter ihren spezifischen Blickwinkeln. Schlösser und Weber kommen zu dem Ergebnis: "Erdkunde und Geschichte können für wirtschaftliche Fragestellungen sensibilisieren, wichtige Veranschaulichungen und Konkretisierungen leisten, eine multidimensionale Betrachtung wirtschaftlicher Entwicklungen ermöglichen oder vielleicht auch in Ansätzen die Überprüfung wirtschaftlicher Theorien an der Realität ermöglichen. Verständnis für ökonomische Strukturen und Funktionszusammenhänge kann dabei jedoch kaum entwickelt werden." (Schlösser, Weber 1999, 183)
Festzuhalten und aus der Sicht der ökonomischen Bildung zu wünschen ist: Sind wirtschaftshistorische und wirtschaftsgeografische Unterrichtseinheiten verbindlich in Geschichts- und Erdkunde-Lehrplänen integriert, erleichtert das dem Wirtschaftslehrer, an wirtschaftsbezogene Vorkenntnisse anzuknüpfen und fächerübergreifende Bezüge herzustellen.
Demgegenüber wird die Leistungsfähigkeit des Infusions-Ansatzes für die ökonomische Bildung als sehr gering eingeschätzt. William Walstad, wohl bekanntester Vertreter der Economics Education in den Vereinigten Staaten, bezeichnet die Idee der "Durchtränkung" aller Fächer des Curriculums mit Ökonomie als reizvoll und aus der Sicht der Schulverwaltung attraktiv. Aber er sieht schwer wiegende Hindernisse, "that prevent the realization of any substantial educational benefits, and eliminate the potential effectiveness of the approach." (Walstad 1994, 119) Walstad nennt fünf "barriers to economic learning", wenn man ökonomische Bildung in anderen Fächern vermitteln will:
- unzureichende wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse und häufig auch eher geringes Interesse der Lehrkräfte an ökonomischen Fragestellungen;
- unzureichende Repräsentanz und Qualität wirtschaftsbezogener Passagen in Schulbüchern anderer Fächer;
- fehlende weiterführende Unterrichtsmaterialien zu ökonomischen Themen in den anderen Fächern;
- Unverbindlichkeit des "Prinzips" und fehlende Hilfestellungen, wie wirtschaftliche Aspekte in die Themen der einzelnen Fächer und Jahrgangsstufen einbezogen werden können;
- zu geringe Zeitanteile für die wirtschaftsbezogenen Unterrichtsanteile. (Walstad 1994, 119 ff.)
Auch vor dem Hintergrund international vergleichender Tests zur Economic Literacy kommt Walstad zu dem Ergebnis: "The obstacles, either separately or in combination, reduce the contribution from infusion to the development of economic understanding." Und ferner stellt er fest: "Overall, the research evidence on economics instruction in several types of courses confirms the value of a formal course in economics as a means for improving economic understanding." (Walstad 1994, 119 f.) Prinzipien werden nur zu leicht mit dem Verweis auf "irgendwann und irgendwo von jemand anderem" zur Unwirksamkeit verdünnt, und auch wirtschaftshistorische und wirtschaftsgeografische Lehrplaneinheiten können - wie wir gesehen haben - einen eigenen Kurs in Ökonomie nicht ersetzen, in dem die spezifischen Denkansätze und Methoden ökonomischer Bildung ihren Platz finden.
3. Denken in ökonomischen Kategorien lernen - das Spezifikum ökonomischer Bildung
Was ist das Spezifische ökonomischer Bildung, das es erforderlich macht, ein eigenes Fach und eine darauf bezogene Lehrerbildung einzurichten? Es sind nicht in erster Linie die Gegenstände des Wirtschaftsunterrichts, die in ihrer Vielzahl und wechselnden Aktualität nur schwer in einen festen Kanon zu fassen sind und die ja teilweise auch in anderen Fächern angesprochen werden können. Es sind vielmehr spezifische Denkweisen, Theorien und Methoden, anhand derer Problemstellungen analysiert und beurteilt werden. Grundlegend für das Verständnis wirtschaftlicher Probleme sind:
- Denken in den Strukturen der ökonomischen Verhaltenstheorie,
- Denken in komplexen Wirkungszusammenhängen,
- Denken in ordnungspolitischen Zusammenhängen.
"Wirtschaften" lässt sich als Nutzen-Kosten-Optimierung in komplexen Wirkungszusammenhängen in einer politisch geprägten Ordnung kennzeichnen. Dieses Denken ist kennzeichnend für die Neue Institutionenökonomik (auch Public Choice Theory genannt; vgl. Erlei, Leschke, Sauerland 1999), einen Ansatz der Politischen Ökonomie, der zunehmend Bedeutung gewinnt. Die Verzahnung von Wirtschaft und Politik ist gleitend - vor allem dort, wo es um die Erklärung von Entscheidungsprozessen in ihrem gesellschaftlichen Umfeld und um die wirtschaftspolitische Gestaltung von Institutionen, Anreizen und Sanktionen geht. Ökonomische Bildung hat daher stets eine politische (und, da es um Bildung und Erziehung geht, eine ethische) Dimension. So verstandener Wirtschaftsunterricht ist Bildung im Lernfeld Politik. Aber politische Bildung reicht über diese Schnittstellen hinaus, und die Politikwissenschaft hat ihrerseits spezifische Fragestellungen, Inhalte und Methoden. Beispielsweise geht es ihr um die Legitimierung und Begrenzung von Herrschaft, um die Sicherung von Frieden und um viele andere Probleme, die einen eigenen Platz für Politikunterricht im Curriculum begründen.
Die wirtschaftliche Wirklichkeit präsentiert sich in einer überwältigenden Menge und Dynamik erklärungsbedürftiger Problemstellungen. Aufgabe der Fachdidaktik ist es, Bildungsziele und Inhalte, die zum Gegenstand der stets knappen Unterrichtszeit werden sollen, auszuwählen und zu begründen. Dies ist nur möglich, wenn es der Fachdidaktik mit Hilfe der Wirtschaftswissenschaft gelingt, "jene Fülle des Konkreten auf Grundformen, -strukturen, -typen, -beziehungen, kurz: auf ein Gefüge von Kategorien zurückzuführen und deren aktive Aneignung/Entwicklung im Bildungsprozess mit pädagogischer Unterstützung zu ermöglichen." (Klafki 1995, 96) Es geht also darum, exemplarische Prinzipien und Zusammenhänge von "Wirtschaften" zu identifizieren und für fachdidaktische Zwecke in Dienst zu nehmen. Das Erarbeiten und Wiedererkennen solcher kategorialer Merkmale schult den Blick dafür, die ökonomischen Aspekte eines Problems zu erkennen, sie zu strukturieren und bei der eigenen Urteils- und Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
Kategorien bezeichnen "allgemeine Strukturen eines Wirklichkeitsbereichs" aus der Sicht der Wissenschaft. Sie dienen als analytische Instrumente bei "der geistigen Bewältigung des in Fülle und Unordnung auf uns eindringenden Materials durch begründbare Auswahl beispielhafter Gegenstände, an denen verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse und Einsichten gewonnen und auf andere Gegenstände übertragen werden können." (Sutor 1992, 340) Die fachwissenschaftliche Analyse führt zu bestimmten Merkmalen und Prinzipien, die bei wirtschaftlichen Sachverhalten immer wieder auftreten und hier als Stoffkategorien der Wirtschaft bezeichnet werden sollen. Diese Schlüsselbegriffe, Zusammenhänge und spezifisch ökonomischen Denkmethoden können, didaktisch gewendet, zu Bildungskategorien der ökonomischen Bildung führen: "Die Umsetzung von Stoffkategorien in Bildungskategorien vollzieht sich in der Weise, dass die gewonnenen Grundeinsichten mit den Schülern an immer neuen Unter-richtsstoffen erarbeitet, bestätigt, und somit als für das wirtschaftliche Geschehen typisch erkannt werden. Ein solchermaßen gesicherter Bestand an ökonomischen Grundeinsichten soll dem Schüler schließlich das Verstehen anderer, ähnlicher Sachverhalte ermöglichen." (May 1978, 72) Ergänzt um weitere in der pädagogischen Diskussion bewährte Kategorien inhaltlicher und methodischer Art (Betroffenheit, Aktualität, Handlungsbezug) können sie bei der Unterrichtsplanung hilfreich sein. Als didaktische Leitfragen an den ins Auge gefassten Stoff gerichtet, lenken sie den Blick auf die ökonomischen Grundstrukturen und Funktionszusammenhänge von Problemstellungen und ihre politische und ethische Dimension.
Der kategoriale Ansatz kann sowohl bildungstheoretisch als auch bildungspolitisch fruchtbar sein: Schüler lernen, anhand bestimmter Interpretationsmuster und Denkmethoden, ihre Welt auch mit der "ökonomischen Brille" zu sehen, um sich in den Lebenssituationen Konsum/Sparen bzw. Arbeit/Beruf (besser) orientieren sowie wirtschaftspolitische Problemstellungen kompetent(er) beurteilen zu können. Und: Stoff- als auch Bildungskategorien sind zwar nicht frei von subjektiven Wertungen des jeweiligen Autors - aber dadurch, dass sie offen gelegt werden, werden sie dem kritischen Diskurs ausgesetzt und machen Bildungsziele und -inhalte von Lehrplänen und Unterrichtskonzepten hinterfragbar. (Zum Konzept einer kategorialen Didaktik mit dem Leitziel "Wirtschaftspolitisches Denken lernen" und zu den Stoff- bzw. Bildungskategorien ökonomischer Bildung im Einzelnen vgl. Kruber 1997, 55 ff.; ders. 2000, 290 ff.).
4. Ökonomische Bildung - Fach und Prinzip
Die Frage, in welcher organisatorischen Form Wirtschaft in den Schulen vertreten sein soll, wurde im Jahrgang 2000 der "Gegenwartskunde" in mehreren Beiträgen diskutiert. Rüdiger v. Rosen fordert ein eigenes Fach Wirtschaft. Er wendet sich ausdrücklich gegen Kombinationsfächer, wie zum Beispiel "Sozialwissenschaften" in Nordrhein-Westfalen (Zusammenfassung von Politik + Soziologie + Wirtschaft in einem Fach): "Die Zusammenfassung dieser drei Disziplinen in einem einzigen Fach ist ein allzu starres Korsett, und eine sinnvolle fachübergreifende Gestaltung des Unterrichts gelingt nicht einmal innerhalb des Kombinationsfaches, obwohl hier sogar die Notwendigkeit der Abstimmung zwischen den Lehrern entfällt. In der Praxis werden Inhalte der einzelnen Disziplinen ohne Bezug aufeinander abgearbeitet, und die Schüler müssen sich alle paar Monate auf andere Gedankengebäude einstellen ... Selbst wenn der Anteil der Ökonomie an den Kombinationsfächern in der Praxis wirklich ein Drittel der Gesamtzeit einnimmt, so wird er doch von Lehrern geleistet, die nicht zwei, sondern vier grundverschiedene Fächer studiert haben ... Ein anspruchsvoller und fundierter Ökonomieunterricht lässt sich nur mit gut ausgebildeten Lehrern bewerkstelligen. Dies erfordert einen ausreichenden Anteil ökonomischer Inhalte im Studium sowie in der Seminarausbildung, was wiederum ein eigenständiges Fach Ökonomie voraussetzt." (v. Rosen 2000, 21f.) Aus eigenen Erfahrungen mit einem Kombinationsfach - Wirtschaft/Politik in Schleswig-Holstein - ist diesen Argumenten in Vielem zuzustimmen. Die enge Verbindung von Wirtschaft und Politik ist nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Aber der Versuch, in den wenigen Unterrichtsstunden, die diesem Fach zur Verfügung stehen, Wirtschafts-, Politikunterricht und Berufsorientierung gleichgewichtig und angemessen zu unterrichten, muss scheitern. Hinzu kommt, dass die Lehrkräfte im Fach Wirtschaft/Politik zwei anspruchsvolle Bezugswissenschaften und ihre Didaktik im Rahmen des Stundenvolumens studieren sollen, das sonst für das Studium eines Faches zur Verfügung steht.
Hans-Hermann Hartwich lehnt in seiner Auseinandersetzung mit v. Rosen ein eigenes Fach Wirtschaft ab: "Kein neues Fach Ökonomie, aber eine modernere Wirtschaftslehre in der schulischen politischen Bildung!", so lautet der Titel seines Beitrags. (Hartwich 2000, 23ff.) Hartwich ist gewiss unverdächtig, den Stellenwert wirtschaftlicher Bildung zu gering zu bewerten: Mit zahlreichen exzellenten Beiträgen verschafft er der Ökonomie einen Platz in Publikationen zur politischen Bildung, insbesondere in der Zeitschrift Gegenwartskunde. Es sind zwei Argumente, die ihn zu seiner Auffassung bringen: "Zu dieser politischen Bildung gehört ein vertieftes Verständnis für die wirtschaftlichen Zusammenhänge in Gesellschaft und Staat, für die Europäisierung der Wirtschaft, für die Bedeutung von wirtschaftlichen Innovationen und Unternehmen, für die Rolle jedes Wählers und Staatsbürgers als Konsument, Arbeitnehmer, Unternehmer, Anleger. Nur - und das ist hier die erste These gegen die Forderung nach einem eigenen Fach, das andere zwangsweise verdrängen müsste -: nicht als ein neues selbstständiges Schulfach an den allgemein bildenden Schulen, sondern als Bestandteil der Fächer schulischer politischer Bildung." (Hartwich 2000, 25). Ein zweites Argument erscheint ihm noch gewichtiger: "Es muss auch bedacht werden, dass nicht unter Berufung auf die alte und viel diskutierte Vorstellung vom ‚homo oeconomicus' die Welt allein durch die Brille der Wirtschaft erschlossen werden darf." (ebd.) Ausgehend vom Verweis auf einen "bestehenden Kanon" wirtschaftlicher Inhalte in den meisten Lehrplänen, kritisiert Hartwich eine Tendenz zu verkürzter modellhafter Sichtweise und zu einer teilweise überholten Fixierung auf "Wirtschaftssysteme" und ökonomische Institutionenkunde. Vor allem fordert er eine "Modernisierung" des Wirtschaftsunterrichts (dazu gehört eine verstärkte Berücksichtigung der Globalisierung der Wirtschaft), und er kommt zu der Forderung:
"Kein neues Fach, aber eine modernere ökonomische Bildung. Keine systematische Verselbstständigung dessen, was ‚das Wirtschaftssystem' genannt wird. Einbettung des ökonomischen Wissens in das Wissen um den Zusammenhang der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebensbereiche. Keine Nähe zu einem systematisch angelegten wirtschaftswissenschaftlichen Propädeutikum." (Hartwich 2000, 34)
Ob allerdings die Einbindung von Ökonomie in ein Fach Sozialkunde tatsächlich in die angestrebte Richtung wirkt, scheint fraglich. Dass Wirtschaftsunterricht vom Politiklehrer erteilt wird, sichert noch nicht seine sozialwissenschaftliche Ausrichtung und macht ihn schon gar nicht per se innovativ. Eher ist das doch wohl von der Qualität der Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien abhängig, und vor allem von der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Fundierung der Lehrkräfte, die moderne sozioökonomische und institutionenökonomische Ansätze in den Unterricht einbringen sollen. Die Ausführungen zum Spezifikum ökonomischer Bildung sollten deutlich gemacht haben, dass eine nach fachdidaktischen Kriterien konzipierte kategoriale Wirtschaftsbildung die von Hartwich beklagte Modelllastigkeit und Lebensferne vermeidet. Das Konzept ist gerade darauf angelegt, Wirtschaften als soziale Interaktion in einem politisch gestalteten Umfeld (Homann, Suchanek 2000, 2 ff.) verstehbar zu machen. Es sollte aber auch deutlich geworden sein, dass ökonomische Bildung nur erreichbar ist, wenn Ökonomik ihren spezifischen Denkansatz in das Curriculum einbringen, entfalten und fächerübergreifend mit anderen Denkansätzen (z. B. Politik, Geschichte, Geografie) verbinden kann.
Schlösser und Weber kommen in ihrer Lehrplananalyse zu dem Ergebnis: "Die durch Lehrpläne reflektierte Qualität ökonomischer Bildung hängt davon ab, ob ökonomische Bildung in einem Fach so verankert ist, dass sie systematisch und grundlegend, kontinuierlich und in Spiral-Curricula, wissenschaftsorientiert und auf den neuesten Stand der Ökonomie bezogen betrieben werden kann. Wir bezeichnen im Folgenden ein solches Fach als Ankerfach der ökonomischen Bildung. Unsere These lautet, dass ohne ein solches Ankerfach ökonomische Bildung nicht gelingt ... Ob dieses ein eigenes Fach Wirtschaft ist, ist von zweitrangiger Bedeutung. Dies gilt umso mehr, als allein das ‚Etikett' Wirtschaft die Leistungsfähigkeit des Faches für ökonomische Bildung nicht garantiert und sich außerdem Lehrplanbeispiele finden, in denen ein sozialwissenschaftliches Verständnis von ökonomischer Bildung nicht an die Existenz eines Integrationsfaches gebunden ist .... Die Lehrplan-Analyse deutet sogar auf einen umgekehrten Zusammenhang hin: Je stärker die Verankerung der ökonomischen Bildung in einem Fach erfolgt, desto gelungener fällt in der Regel auch ihre Einbindung in den anderen untersuchten Fächern aus ... Umgekehrt ist es im Trend so, dass Stellenwert und Qualität ökonomischer Bildung in den Lehrplänen der Fächer Geografie und Geschichte (und Politik, K.P.K.) umso mehr zu wünschen übrig lassen, je stärker die ökonomische Bildung eines ‚eigenen Hafens', ob Integrationsfach oder nicht, entbehrt." (Schlösser, Weber 1999, 43 ff.)
Ökonomische Bildung - Fach oder Prinzip? Das ist eine falsche Alternative. Die Forderung muss lauten: "Ökonomische Bildung - Fach und Prinzip"! Unabdingbar ist ein im Sinne von Schlösser und Weber definiertes Ankerfach ökonomischer Bildung spätestens ab der 7. Klasse in allen Schularten - und sehr wünschenswert wäre es, wenn darüber hinaus ökonomische Problemstellungen und Sichtweisen in allen anderen Fächern stärker als bisher berücksichtigt würden. Das könnte ein innovativer Beitrag für eine moderne Schule in den Anforderungen unserer Zeit sein.
Literatur:
Bönkost, K.J./ R. Oberliesen (1997): Arbeit, Wirtschaft und Technik in Schulbüchern der Sekundarstufe I, Gutachten für den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Bonn
Dedering, H. (1994): Einführung in das Lernfeld Arbeitslehre, München
Erlei, M./ Leschke, M./ Sauerland, D. (1999): Neue Institutionenökonomik, Stuttgart
Hartwich, H. H. (2000): Kein neues Fach Ökonomie, aber eine modernere Wirtschaftslehre in der schulischen politischen Bildung! in: Gegenwartskunde, H. 1 2000, 23-36
Homann, K./ Suchanek, A. (2000): Ökonomik. Eine Einführung, Tübingen
Klafki, W. (1996): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, 5. A. Weinheim
Kruber, K.-P. (1997): Stoffstrukturen und didaktische Kategorien zur Gegenstandsbestimmung ökonomischer Bildung, in: K.-P. Kruber (Hrsg.): Konzeptionelle Ansätze ökonomischer Bildung, Bergisch-Gladbach, 55-74
Kruber, K.-P. (2000): Kategoriale Wirtschaftsdidaktik - der Zugang zur ökonomischen Bildung, in: Gegenwartskunde H. 3 2000, 285-295.
May, H. (1978): Arbeitslehre, München/Basel
National Council on Economic Education (NCEE): Literacy Survey. Results from the Standards in Economics Survey
http://www.ncee.net/cel/results.php
NCEE: CyberTeach, http://www.economicsamerica.org/econedlink
von Rosen, R. (2000): Wirtschaft in die Schule! Plädoyer für ein Schulfach Ökonomie an allgemein bildenden Schulen, in: Gegenwartskunde, H. 1 2000, 11-22
Schlösser, H.J./ Weber, B. (1999): Wirtschaft in der Schule. Eine umfassende Analyse der Lehrpläne für Gymnasien, Gütersloh Auszüge im sowi-onlinereader 1
Sczesny, Chr./ Lüdecke, S. (1998): Ökonomische Bildung Jugendlicher auf dem Prüfstand: Diagnose und Defizite, in: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, H. 3 1998, 403-420
Sutor, B. (1992): Politische Ethik. Gesamtdarstellung auf der Basis der christlichen Gesellschaftslehre
Walstad, W. (1994): An Assessment of Economics Instruction in American High Schools, in: W. Walstad (Editor.): An International Perspective on Economic Education, Bos-ton/Dordrecht/London, 109-136
Western, R. (1997): Connecting the Pieces. Building a Better Economics Lesson (edited by the Na-tional Council on Economic Education), New York