Es bleibt festzuhalten, dass man die traditionelle Ordnung der Disziplinen nicht mehr überzeugend mit deren spezifischen Erkenntnisweisen begründen kann. Wenn Erkenntnisweisen konstitutive Faktoren von Disziplinen (und von Erkenntnisobjekten) sind, viele Disziplinen aber mit mehreren Erkenntnisweisen arbeiten und viele Erkenntnisweisen zu mehreren Disziplinen gehören, dann müsste man die Disziplinenordnung reorganisieren - wenn man Wert auf eine klare Systematik legen würde.

Wissenschaftsgeschichtliche und wissenschaftssoziologische Grundeinsichten warnen aber vor diesem Unterfangen. Zwar sind fachwissenschaftliche und fachdidaktische Strukturen historisch kontingent, aber daraus Hoffnungen abzuleiten, man könne sie ändern und neu schneiden, ist recht kühn. Bereits die öffentliche Absichtserklärung, diese Strukturen auch nur kommunikativ verflüssigen zu wollen, bedeutet eine Herausforderung. Dennoch: Die Debatte muss geführt werden - auch und gerade in den sozial- und kulturwissenschaftlichen Fachdidaktiken.

Denn in der zunehmenden Lockerung der festen Kopplungen zwischen Erkenntnisweisen und Disziplinen liegen Chancen für die Fachdidaktiken. Sie können und müssen nun nach fachdidaktischen Kriterien entscheiden, welche Erkenntnisweisen für ihre Leitziele, Leitthemen und Leitkategorien [/S. 117:] - und für ihre fachpolitische Profilierung - besonders geeignet sind und welche nicht. Wie weit sie dabei gehen können, ist noch unklar. Kann man etwa eine Großdisziplin "historisch-sozialwissenschaftliche Didaktik" denken, deren unterschiedliche Disziplinen sich nach Erkenntnisweisen konstituieren? Könnte sich beispielsweise eine dieser Disziplinen durch die Kombination von historisch-hermeneutischer (intentionale Erklärung) und narrativ-faktualer (narrativistische Erklärung) Erkenntnisweise konstituieren? Diese Fragen müssen hier noch offen bleiben.

Die Fachdidaktiken müssen natürlich auch entscheiden, wie sie die ausgewählten Erkenntnisweisen curricular anordnen, thematisieren, methodisch realisieren und zueinander in Beziehung setzen wollen. Im Feld historisch-politischen Lernens kann ein sinnvolles Arrangement der einschlägigen Erkenntnisweisen nur erreicht werden, wenn die beteiligten Fachdidaktiken miteinander kommunizieren und kooperieren. Das gilt nicht nur für schulische, sondern auch für universitäre Bildung.